Sonntag, 1. Januar 2023

Archaeologik 2022

Ende 2020 dachte ich, 2021 könne nur besser werden.

Ende 2021 dachte ich, 2022 könne nur besser werden.

Ende 2022 denke ich, 2023 müsste mal besser werden. Es ist aber durchaus spannend zu sehen, wie sich Gesellschaft eigentlich schleichend verändert, die Reaktionen darauf aber in Schüben und dann doch recht spontan kommen. Die ganzen Krisen 2020-2022 hätten uns nicht überraschen müssen. Ich meine, ein Grund dafür ist, dass wir alle im Jetzt und Heute leben und es viel zu wenig historische Reflektion gibt. Sie könnte doch die Dringlichkeit der Problematik des Klimawandels verdeutlichen, sie hätte doch erwarten lassen, dass ein Fachkräftemangel auf uns zukommt. Natürlich kommt hier der Zeitgeschichte eine besondere Rolle zu, da sie im Detail die genetische Entwicklung aktueller Situationen aufzeigen kann. 

Historische Reflektion stärkt auch das Bewusstsein für Zeit, zeigt langfristige Entwicklungen und unsere Verantwortung für die Zukunft. Indem wir sehen, wie wir von individuellen, aber auch kollektiven Entscheidungen und Verhaltensweisen der Vergangenheit im Sinne einer Pfadabhängigkeit in unseren Chancen und Möglichkeiten vorbestimmt werden, müsste doch deutlich machen, welche Verantwortung wir für die Zukunft haben.

Meines Erachtens liegt darin eine zentrale Aufgabe der Archäologie, egal, ob sie sich mit dem Altpaläolithikum oder dem 20. Jahrhundert beschäftigt: Historische Reflektion zu ermöglichen und uns Orientierung zu geben - und wenn es die Orientierung ist, dass viele vermeintliche Selbstverständlichkeiten historisch-gesellschaftliche Konstrukte sind. Da mag Orientierungslosigkeit daraus erwachsen, was einer Gesellschaft prinzipiell nicht gut tut, aber es mag auch dazu beitragen, Pfadabhängigkeiten aufzubrechen und Zukunft anders, besser zu gestalten - vielleicht auch unter Rückgriff auf historische Anregungen. Ein Verständnis vergangener Gesellschaften erlaubt sicher keinen Blick in die Zukunft, aber er mag uns durchaus dafür zu sensibilisieren, wo die nächsten Krisen liegen könnten - und wo Handlungsbedarf liegt.

Ich sehe hier ein kritisches Potential der Geschichte und der Archäologie, das viel besser herausgearbeitet werden müsste. Vor allem aber brauchen wir auch hier eine gewisse Methodik, wenn Aussagen mehr sein sollen als Spekulation. Letztlich sind wir wieder an dem Punkt, an dem man versuchen muss, hinter all den historisch-individuellen und vielfältigen Entwicklungen eben doch Muster zu erkennen und Pfadabhängigkeiten zu verfolgen.

Mit Archaeologik formuliere ich dazu hin und wieder einige Gedankensplitter und versuche an aktuellen Beispielen zu zeigen, wie Vergangenheit und Gegenwart verwoben sind.


Themen 2022

Zwei Themen prägten 2022 - der Krieg in der Ukraine und das Schicksal von Museen.
 
Noch bevor Putin am 24.2.2022 den Angriffskrieg gegen die Ukraine begonnen hat, habe ich in einem Post das Geschichtsbild von Putin thematisiert. Dabei ging es nicht darum, die Aggressivität zu rechtfertigen, sondern eben aus den historischen Zusammenhängen darauf aufmerksam zu machen, dass hier ein gefährliches Konfliktfeld vorliegt. Meh historische Reflektion hätte hier sicher zu mehr politischer Sensibilität geführt - nicht im Sinne der "Putin-Versteher", sondern eher im Sinne einer Risikoabschätzung.  
Bald zeigte sich, welche Bedeutung dem kulturellen Erbe auch in diesem Krieg zukommt, nutzt doch Putin die Vergangenheit als Legitimation für seinen verbrecherischen Krieg. Allerdings hat auch für die Ukraine das Kulturgut einen hohen propagandistischen Stellenwert, wie die Einstufung der versenkten Moskva als archäologisches Denkmal zeigt. Zu Beginn des Krieges gab es aber auch falsche Anschuldigungen Russlands der Zerstörung von Kulturgut - etwas, was der weitere Kriegsverlauf mit gezielten Angriffen auf zivile Einrichtungen aber längst überholt hat.

Das Thema Archäologie & Politik musste auch jenseits der Ukraine verschiedentlich aufgegriffen werden:
Dabei geht es wieder Mal um rechtes und populistisches Gedankengut und dessen oft unseriöse Geschichtsinterpretationen. Rassismus in politischer Verantwortung kann aber auch zur Vernichtung bedeutender Quellen führen, wie im Sommer ein Beispiel aus Australien gezeigt hat:
2022 hat sich aber auch der Umgang mit musealer Vermittlung als ein schwieriges Thema erwiesen, da Kommunen wie auch der Staat - meist in Form der Bundeländer - die Finanzierung gerne von sich weg schieben. Der Staat ist da vielleicht nicht in jedem Einzelfall in der Verantwortung, wohl aber, wenn Politiker sich zugleich mit deren Prestige und sozialen wie auch völkerverbindenden Leistungen rühmen. Das Thema beoachte ich auch deshalb, weil sich auch beim Geschichtspark Bayern-Böhmen und dem ArchaeoCentrum Bärnau-Tachau jährlich dasselbe Gezerre um die Finanzierung ergibt (obwohl in diesem Fall sogar ein Landtagsbeschluss die dauerhafte Finanzierung von der Bayerischen Staatsregierung einfordert). Andere Museen stehen vor dem Aus, so der Vogelherd-Park in Niederstotzingen, einst ein Aushängeschild des UNESCO-Welterbes, jetzt ein Symbol des Versagens der baden-württembergischen Kulturpolitik.
Weißes (am Kreisel) und braunes Mammut als Wegweiser
zum ehemaligen Archaeopark in Niederstotzingen
(Foto: M. Decoster, 31.10.2020)
 
Natürlich blieb auch das Thema Raubgrabungen erhalten:
 
Es gab 2022 nur eine einzige Rezension. Zu mehr bin ich einfach nicht gekommen...

Zahlen

94 Posts sind 2022 auf Archaeologik erschienen. Das ist nun wieder etwas mehr als 2021 mit nur 63 Posts.
Die Zahl der Gastbeiträge ist weiterhin sehr gering. Es gab nämlich nur zwei (Vorjahr 5; 2020: 15, 2019: 5), beide von Jutta Zerres (übrigens: nochmals Danke!). Das waren:
Wer einen interessanten (und natürlich wissenschaftlich-seriösen) Beitrag auf Archaeologik platzieren möchte, ist herzlich eingeladen, mich zu kontaktieren. Er sollte nur passen, denn Archaeologik zielt auf eine kritische Archäologie, die sich mit methodisch-theoretischen, wissenschaftspolitischen und gesellschaftlichen Aspekten der Archäologie auseinandersetzt und die alltägliche Forschungspraxis reflektiert. "Wissenschaftskritische" Posts, wie sie mir per facebook angetragen wurden, die aber nur die Opferrolle von Parawissenschaftlern propagieren oder Werbung für unseriöse Webseiten oder Fernsehserien machen, übernehme ich nicht - wenn da auch manch spannendes kritische Thema drin steckt, meist eher anders als von den Vorschlagenden gedacht.
 
Die zehn meist gelesenen Beiträge 2022 (mit Zahlen v. 29.12.2022):
  1. Messis? Die Notwendigkeit archäologischer Magazinierung. Archaeologik (12.6.2022). - 836 Seitenaufrufe
  2. „Russland, Ukraine, Weißrussland – das ist das heilige Russland“ - Die frühgeschichtliche Dimension der Ukrainekrise. Archaeologik (22.1.2022). - 630 Seitenaufrufe
  3. Zeichnerische Dokumentation von Keramikfunden. Archaeologik (26.2.2017). - 521 Seitenaufrufe
  4. Mammut-Blamage? Petition sucht Unterschriften für den Erhalt des Vogelherd-Parks. Archaeologik (8.10.2022). - 487 Seitenaufrufe
  5. Marienthaler Nonnen ohne Gewissen. Archaeologik (26.5.2022). - 450 Seitenaufrufe
  6. #PutinsWar - Die Geschichtsstunde des Herrn Putin. Archaeologik (25.2.2022). - 433 Seitenaufrufe
  7. Leicht mal zu viel erhofft und versprochen - das ehemalige Paläon in Schöningen. Archaeologik (14.10.2022). - 385 Seitenaufrufe
  8. Mittelalterliche Keramik aus Geislingen. Archaeologik (14.12.2011). - 357 Seitenaufrufe
  9. Vom schändlichen Ende eines Heimatmuseums. Archaeologik (17.11.2022). - 356 Seitenaufrufe
  10. Propagandakrieg im Kleinen: Die Zerstörung eines Archivs in Chernihiv in den Social Media. Archaeologik (7.3.2022)-. - 346 Seitenaufrufe
Anders als in den Vorjahren gab es 2022 keine total herausragenden Bloposts, was die Zugriffszahlen angeht. Platz 1 mit nur etwas über 800 Zugriffe ist sehr wenig. Insgesamt blieben die Zugriffszahlen mit nun 121.723 Seitenaufrufen weiterhin auf niedrigem Niveau.
    2022: 121.723 Seitenaufrufe
    2021: 139.726 Seitenaufrufe
    2020: 134.220 Seitenaufrufe
    2019: 102.204 Seitenaufrufe
    2018: 129.260 Seitenaufrufe
    2017: 193.417 Seitenaufrufe
    2016: 221.789 Seitenaufrufe
In der Graphik von Google sieht das so aus:

    Entwicklung der Zugriffe seit Beginn von Archaeologik auf der Plattform Blogger,
    (Quelle: Blogger Statistik via GoogleAnalytics)

     


    Nach wie vor kommen die meisten Zugriffe über Google, gefolgt von facebook.  2800 Zugriffen über facebook stehen nur 470 von Twitter gegenüber. Die wichtigste Einzelseite, die Besucher auf Archaeologik bringt, ist dieses Jahr Archivalia, das in der Anfangsphase für Archaeologik (damals noch unter der alten Adresse) über Jahre in der Statistik unter "ferner liefen" vertreten war. Leider kann ich die Zugriffe über den DGUF-Newsletter gar nicht erkennen, obwohl von dem es ja nur wenige gibt, die nicht mindestens einmal einen Beitrag von Archaeologik weiter verbreiten.

    Die begleitende facebook-Gruppe Archaeologik ist 2022 wieder ein ganz klein wenig gewachsen (2114 Mitgliedern, gegenüber 2020 2068 und 2021 2054 Mitgliedern). Trotz Twitter-Krise und einigen Abmeldungen dort ist Twitter weiterhin das wichtigste Tool, um Posts zu verbreiten - und auch für Reaktionen. Seit einigen Wochen gibt es auch einen Mastodon-Account, auf dem Blogposts automatisch ausgespielt werden - was ich allerdings bisher technisch nur über den Umweg twitter lösen konnte.

    Interne Links

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