Donnerstag, 1. Dezember 2022

Archäologie, Wissenschaft und politische Ideologie - aktuell

Ob wir wollen, oder nicht: Archäologie ist zwangsläufig immer politisch, da sie sich mit Menschen und Gesellschaften befasst und bestenfalls auch Gegenwartsbezüge der Vergangenheit darstellt.

Ich thematisiere hier auf Archaeologik des öfteren die politische Instrumentalisierung von Vergangenheit und Archäologie. Es geht um die ideologischen Einflüsse auf Forschungsergebnisse, bisweilen ganz unbewusst, immer wieder aber auch manipulativ. Geschichtsbilder sind auch heute noch mächtige Instrumente, um Menschen für eine politische Idee zu begeistern oder diese subtil zu verankern - im Guten wie im Schlechten. Sie sind geeignet, Menschen zu erniedrigen, Verfolgung, Mord oder gar zerstörerische Kriege vermeintlich zu rechtfertigen und überhaupt, Menschenrechte auszuhebeln.

Archäologie hat daher eine ethische Seite. Wir müssen einschreiten, wenn Wissenschaft missbraucht wird. Einerseits müssen wir dazu immer wieder selbstkritisch prüfen, ob und wie wir selbst Ideologien erliegen. Andererseits müssen wir beobachten, wie und wo möglicherweise eine politische Agenda Forschungsergebnisse (oder Forscher*innen) manipuliert. Das gilt - nicht nur aufgrund unserer deutschen Forschungsgeschichte - in ganz besonderem Maß in Bezug auf Rassismus, Nationalismus und diverse Rechtsideologien.

Das ist leider nicht allein eine forschungsgeschichtliche Thematik etwa zur Archäologie im Nationalsozialismus, sondern beispielsweise mit dem Russischen Angriff auf die Ukraine und Putins historischen Rechtfertigungsversuchen auch eine ganz aktuelle.

Es ist wichtig, klar anzusprechen, wenn es im Fach problematische Argumentationen gibt - und ebenso, wenn Archäolog*innen sich zu Ideologien bekennen, die Geschichte instrumentalisieren.

Aktuell hat die Plattform Anarchäologie auf den “Fall” Markus Sanke aufmerksam gemacht.

Der Fall betrifft mich persönlich, denn Sanke ist Privatdozent an 'meinem' Lehrstuhl für Archäologie des Mittelalters und der Neuzeit an der Universität Bamberg. Glücklicherweise besteht schon seit Jahren kein Kontakt mehr.
Ich gehe auf diesen Fall hier nicht weiter ein, da ich nicht dazu beitragen möchte, dass diesen rechten - unwissenschaftlichen - Ideen mehr Wert, Bedeutung und Aufmerksamkeit verliehen wird.
Nur so viel: Markus Sanke hat - mit einem von ihm verfassten Vorwort - das Hauptwerk des französischen rechtsextremen Publizisten Charles Maurras (1866-1953) übersetzt und mit dem laut Verfassungsschutz des Landes Sachsen-Anhalt gesichert rechtsextremen Institut für Staatspolitik herausgegeben - weil er "unbekannte oder vergessene mythologisch-historische Motive" "für unsere [= "das widerständige, patriotische Milieu im heutigen Deutschland"] Argumentation nutzbar macht" (Zitate aus dem Vorwort).

Der Lehrstuhl für Archäologie des Mittelalters und der Neuzeit in Bamberg distanziert sich von rechtsextremem Gedankengut ausdrücklich. Die Universität Bamberg bekennt sich explizit zu Chancengleichheit, zu Toleranz, Menschenrechten und Demokratie.

Anarchäologie fordert auf instagram nun “alle archäologischen Institutionen und Verlage auf, die Zusammenarbeit mit extrem rechten Archäolog:innen wie Markus Sanke einzustellen.” Ich stimme prinzipiell zu, dass “Rechte Ideologien in der Archäologie nichts zu suchen haben”.

Solche Fälle werfen generell Fragen auf, wie man mit ihnen als Fach umgeht. Aufgrund von Meinungsfreiheit ist es nicht illegitim, Standpunkte zu vertreten, die die Mehrheit der Gesellschaft nicht teilt oder verurteilt. Grenzen sind erreicht, wenn Menschenrechte in Frage gestellt werden und Hass geschürt wird. Hier geht es um Demokratie, für die wir uns als Bürger*innen einsetzen sollten. Hier geht es um Werte.

Die Grenzen der Wissenschaft liegen etwas anders. Hier zählt eine saubere Methode und Argumentationsweise, auch in den Geisteswissenschaften und der Archäologie. Hier geht es um Fakten bzw. darum, diese herauszuarbeiten. Wissenschaft - und gerade die Geisteswissenschaften - benötigen dazu eine Diversität der Positionen und Stimmen, weshalb es generell nicht unproblematisch ist, andere Wissenschaftler*innen aus dem Diskurs aus nicht-fachlichen Gründen auszuschließen. Ein tolerantes Weltbild, das Menschen gleiche Rechte zubilligt, Vorurteilen und Diskriminierung wo immer sie erkannt werden, entgegentritt, ist aber grundlegend für eine seriöse Wissenschaft.

Aktuell geht es im Fall von Markus Sanke nicht um den Missbrauch archäologischer Forschung. Uns sind keine Hinweise bekannt, dass seine persönliche politische Gesinnung Einfluß auf das archäologisch-wissenschaftliche Werk oder gar seine Lehre hatte. Daher gibt es aus fachwissenschaftlicher Sicht aktuell keinen Anlass, ihn deshalb, wie Anarchäologie fordert, aus dem Diskurs auszuschließen. Seine bisherigen archäologischen Publikationen scheinen mir weiterhin zitierfähig, wenn man nun wohl auch immer argwöhnig auf Subtexte achten wird.

Allerdings versucht Sankes Übersetzung von Charles Maurras, sich den Anschein von Wissenschaftlichkeit zu geben und so dessen Ideen für die Rechte zu promoten. Nicht die Archäologie, sondern die Wissenschaft im Allgemeinen wird hier agitatorisch eingesetzt, um die Seriosität eines Weltbilds voll Hass, Missgunst und Selbstbezug vorzuspiegeln.

Wissenschaftler*innen müssen deshalb noch mehr nach als alle Bürger*innen sensibel sein. In den letzten Jahren haben wir oft genug rechte Positionen hören müssen, die immer ganz bewusst an den moralischen wie wissenschaftlichen Leitplanken entlang schrammen.

Ob man als Person oder mehr noch als Bürger*in oder auch als öffentliche Institution es verantworten kann, durch Kooperationen seine rechten Positionen indirekt zu fördern und salonfähig zu machen, steht auf einem anderen Blatt. Ich schließe das persönlich aus.
 

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