Mittwoch, 28. Dezember 2022

Falsche Idole

Ein aktueller Artikel im International Journal of Cultural Property thematisiert die bekannten Kykladen-Idole, die sic in zahlreichen Museen finden. Mehrheitlich besitzen sie keinen Fundort, stammen sie doch überwiegend aus Raubgrabungen insbesondere aus den 1960er und 1970er Jahren in der Ägäis. Es ist schon lange bekannt, dass auch zahlreiche Fälschungen im Umlauf sind.

  • C. Tsirogiannis / D. W. Gill / C. Chippindale, The Forger’s tale: an insider’s account of corrupting the corpus of Cycladic figures. International Journal of Cultural Property 2022, 1–17. - doi:10.1017/S0940739122000352

Die Autoren haben 2009/10 einen Mann interviewt, der in den 1980er und 1990er Jahren selbst Idole gefälscht hat. Bevor er sich auf die Fälschungen eingelassen hat, betätigte er sich als Antikenhehler, wobei er den enormen Wert der Idole kennen lernte, aber auch Kontakte gewann, die ihm halfen, die nötige Expertise für die Herstellung der Idole zu entwickeln. Seine Aussage verrät nun zahlreiche Insider-Informationen über das Fälschergewerbe. Schritt für Schritt wird nachvollziehbar, wie die Fälscher gearbeitet haben, wie sie die Figuren behandelt haben, um sie alt erschienen zu lassen. 

Der Artikel gibt mit einigen Anonymisierungen den Bericht des Fälschers wörtlich wieder. Zahlreiche Details seiner Geschichte ließen sich verifizieren, so dass die Autoren prinzipiell von der Glaubwürdigkeit der Darstellung ausgehen. Viele Fragen bleiben offen, etwa die nach der Anzahl der gefälschten Objekte. 

Der Fälscher hat auf Fotografien von Figuren einige seiner eigenen Arbeiten identifiziert; Sie konnten in einer griechischen Privatsammlung identifiziert werden, deren Objekte wie gesetzlich vorgeschrieben, bei der Altertumsbehörde registriert sind. Der Fälscher war nicht der erste in diesem Metier, aber seine Darstellung gibt Kriterien an die Hand, um alte Diskussionen um gefälschte Kykladenidole neu aufzurollen. Der Artikel von Tsirogiannis, Gill und Chippindale greift als ein Beispiel das Idol eines sitzenden Harfenspielers aus dem Metropolitan Museum in New York auf. Solche Figuren standen bereits früher im Fälschungsverdacht und sie gehören auch zum Repertoire des interviewten Fälschers. Das New Yorker Stück wurde bereits 1947 erworben, doch scheint es identisch zu sein, mit einem Künstler namens Angelos Koutsoupis auf Ios gefertigt, der im Auftrag eines Athener Antikenhandlers gearbeitet und eine Skizze des Stücks hinterlassen hat.

sitzender Harfenspieler, angebl. 2800-2700 v.Chr.
(Foto: Metropolitan Museum [PD] via

Zu Beginn der Auseinandersetzung mit archäologischer Quellenkritik wurde diese oft auf die Frage echt oder falsch reduziert, was dazu geführt hat, dass die komplexen Formationsprozesse, die zu einer archäologischen Überlieferung und deren Quellenwert liefern, viel zu wenig reflektiert worden sind. Sie lassen sich nur mit den nötigen Grabungskontexten en detail rekonstruieren - und letztlich ist das heute schon eine wesentliche Voraussetzung, um ein Fundstück als echt einstufen zu können. 

Bei den derzeit in Deutschland im Hinblick auf einen Fälschungsverdacht heiß diskutierten Funden der Himmelsscheibe von Nebra einerseits wie auch bei den Funden von Bernstorf andererseits, ist es eben die Problematik, dass sie außerhalb regulärer Ausgrabungen gefunden wurden. Fälscher und Raubgräber diskreditieren möglicherweise auch echte Funde und produzieren enorme Folgekosten für Echtheitsprüfungen, die oft Interpretationsspielräume eröffnen und bestenfalls Indizien liefern können.


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