Mittwoch, 30. Dezember 2020

Petition gegen Antikenhehlerei

Eine Initiative "STOP Cultural genocide !" hat eine Petition auf change.org gestartet:

Die Initiative GEC ACT (Geneva Collective Against Cultural Trade)  wurde von Studierenden und Absolventen  der klassischen Altertumswissenschaften der Universität Genf ins Leben gerufen. Sie zielt darauf ab, ein Bewusstsein für das Problem des Antikenhandels in Europa und der Schweiz zu schaffen.  


Anlaß für die Petition war der Erste "International Day against Illicit Trafficking in Cultural Property", der von der UNESCO organisiert wurde, soweit ich sehe in Deutschland aber kaum Resonanz gefunden hat (bemerkenswerterweise ist auch die Begleitpublikation nicht auf deutsch erschienen, obwohl wir doch immer wieder Drehscheibe im Antikenhandel sind...). Dieser Tag bezieht sich auf das 50. Jubiläum des Übereinkommen über Maßnahmen zum Verbot und zur Verhütung der unzulässigen Einfuhr, Ausfuhr und Übereignung von Kulturgut der UNESCO. Dennoch haben die Anliegen des Kulturgüterschutzes in der Politik bis heute einen recht geringen Stellenwert (Brodie/ Yates 2019, 159) und zugleich war der Handel nie so umfangreich. 

Dieses fehlende Bewußtsein erlaubt es Kriminellen und Terroristen, ungestraft zu agieren - so die Ausführungen zur Petition. Extremistische Ideologie werden durchgesetzt, indem die Geschichte der "Feinde" ausgelöscht und gleichzeitig Geld durch den Verkauf von Antiken geplünderter Fundstellen eingenommen wird. Daesh/ IS  in Libyen, Syrien, im Irak und auch in Afrika ist noch immer ein Beispiel dafür. Gestohlene Gegenstände erscheinen mit falschen Papieren auf dem europäischen Markt, Transparenz und Rückverfolgbarkeit bleibenungenügend.. Die Anonymität der Transaktion begünstigt Antikenhehlerei, Geldwäsche und Steuerhinterziehung.
 

Die Petition richtet sich an die Europäische Kommission, von der sie fordert:

  1. Handeln Sie JETZT, um eine globale und umfassende Lösung für das Problem des Antikenhandels zu finden, um die großen Schlupflöcher in den europäischen Rechtsvorschriften zu schließen, die das Waschen von gestohlenem Eigentum geplünderter Länder ermöglichen.
  2. Regulieren Sie den Kunst- und Antiquitätenmarkt, auch im Internet, und zwingen Sie den Verkäufer, transparenter über die Herkunft von Objekten Rechenschaft zu geben. Jeder einzelne anerkannte Kunsthändler in Europa muss mindestens so transparent wie eine Bank sein und aktuelle Aufzeichnungen über Transaktionen führen.
  3. Finanzieren Sie Projekte für diejenigen, die helfen können, die gestohlenen Artefakte sicherzustellen - die Strafverfolgungsbehörden (Polizei, Zoll, Grenzschutz, Staatsanwaltschaft) mit Hilfe der wissenschaftlichen Gemeinschaft und der neuen verfügbaren digitalen Werkzeuge.
  4. Überwachen Sie aktiv die Freihafensysteme, die zur Steuerhinterziehung, Lagerung und internationalen Verbringung gestohlener Gegenstände eingesetzt werden.
  5. Sensibilisieren Sie Sammler für die Infiltration gefälschter und gestohlener Antiken in den Markt. Der Kauf von Fälschungen ist eine schlechte Investition, mit der kriminelle und terroristische Netzwerke finanziert werden können.
 
Letztlich fordert die Petition nur ein, was eine Studie, die von der Europäischen Kommission selbst in Auftrag gegeben wurde, auch an Empfehlungen gegeben hat.

Bitte unterschreiben!

Archäologische Fundstellen sind wichtige Ressourcen für moderne Gesellschaften und unverzichtbare Quellen für ein Verständnis der Vergangenheit, unserer Gegenwart und auch der Zukunft.
Das Problem der Antikenhehlerei und vor allem der dahinter stehenden Raubgrabungen ist zwar nur eines von vielen Problemen, aber eines, bei dem wichtige Handlungsmöglichkeiten bei der EU liegen.
 
 

Interne Links

Montag, 21. Dezember 2020

Wahl des Wissenschaftsblogs des Jahres 2020

Schon zum zehnten Mal ruft Reiner Korbmann (Wissenschaft kommuniziert) zur Wahl des Wissenschaftsblog des Jahres durch das Netz-Publikum auf. 


 
Er benennt dabei zwei Ziele:
  1. die besten und populärsten Blogs herausstellen,
  2. interessante Beispiele zeigen, wie jeder Forscher, jedes Institut, jeder Verantwortliche seine Informationen in die Öffentlichkeit des Internets bringen, seine Perspektive darstellen kann.
2020 ist ein besonderes Jahr, in dem digitale Medien und gerade Podcasts (wie Coronavirus-Update oder maiLab) auf YouTube), aber auch Wissenschaftsblogs enorm an Bedeutung gewonnen haben. Wissenschaftler haben hier rund um die SarsCov2-Epidemie Zusammenhänge erklärt und auch Wissenschaft gegen allerhand Leugner und Spinner verteidigt, sich aber auch mit ernster Kritik und Sorgen auseinander gesetzt. Dazu gibt es dieses Jahr gesondert die Wahl des Corona-Blogs.
Der regulären zweiten Kategorie der Wahl - der des  Blogteufelchens - kommt dieses Jahr auch besondere Bedeutung zu. Hier geht es nicht eigentlich um eine Auszeichnung bzw. einen Negativ-Preis, denn hier treten Parawissenschaften gegen echte kritische Wissenschaften an. Ziel ist es, auf die Problematik aufmerksam zu machen. 
"Die Verleugnung der Realität ist heute eines der großen gesellschaftlichen Probleme. Wir alle müssen Zeiten fürchten, da Fakten nicht mehr erwünscht sind. Wissenschaftskommunikation muss diese Strömungen ernst nehmen. Darauf soll die Wahl des „Blog-Teufelchens der Wissenschaftskritik“ aufmerksam machen. "

 


Archäologie hat immer spannende Geschichten zu erzählen, auch wenn das meist keine Sensationen sind. Gerade in Krisenzeiten kann Geschichte (und Archäologie) Orientierung liefern - nicht als Problemlösung, aber als Grundlage für einen fundiert kritische Auseinandersetzung mit Ereignissen und Strategien. Dabei geht es nicht um die klassische Identitätsstiftung oder Legitimierung, für die Geschichte gerne herangezogen wird, sondern um das exemplarische Verständnis von Zusammenhängen, den wissenschaftlichen und demokratischen Diskurs langfristiger Risiken oder auch die Erfahrung der Zeit (vgl. z.B. Label . hier auf Archaeologik)

2016 hat Archaeologik die Auszeichnung zum Blog des Jahres 2015 gewonnen und seitdem sind weitere Archäologie-Blogs in die Vorschlagsliste gekommen und haben auch Auszeichnungen gewonnen: „Miss Jones“  Geesche Wilts hat des Wissenschaftsblock in Silber 2019 gewonnen. 2017 hat der  Pfahlbauten-Blog Platz 3 belegt. Mit im Rennen ist aber auch der Stiegen-Blog. Und eigentlich gibt es noch viele mehr (vgl. Archäologische Blogs / Archaeological Blogs International).

Es wäre also nicht unangemessen, wenn es wieder ein Archäologie-Blog (oder ein anderer historischer) unter die Sieger schaffen würde - wenn auch die Konkurrenz dieses Jahr durch zahlreiche neue Corona-Blogs sicher sehr stark sein wird.

 
Also bitte: Wählen!
(Gerne für Archaeologik...)

Dieses Jahr geht die Wahl bis zum 10. Januar.

Samstag, 19. Dezember 2020

Gesetzesentwurf fördert Flächenfraß - Petition des NABU

In der zweiten Woche 2021 soll nun im Bundestag in erster Lesung über die Novelle des Baugesetzbuches (Baulandmobilisierungsgesetz) abgestimmt werden.

Das Gesetzgebungsverfahren hat sich verzögert, da es in der Koalition Streit um  die Regelungen gab, die gegen Spekulation und für den Erhalt von bezahlbarem Wohnraumsorgen sollten. Sie waren auf Druck der Immobilienlobby aus dem Gesetz gestrichen worden. 
 
Der NABU wendet sich vor allem gegen die Neufassung des §13, der - befristet bis Ende 2022 - eine Einbeziehung von Außenbereichsflächen in das beschleunigte Verfahren vorsieht, bei dem die üblichen Verfahren der Bürgerbeteiligung und der Beteiligung der Träger öffentlicher Belange ausgesetzt sind. Eine diesbezüglich bestehendee Ausnahmeregelung sollte am 31. Dezember 2019 auslaufen.  
Davon betroffen sind insbesondere die Ortsränder, bei denen so problemlos die Bebauung und der Flächenverbrauch vorangetrieben werden kann.
 
Der NABU argumentiert mit dem Flächen- und Bodenschutz, dass damit auch die Denkmalpflege ggf. unter verstärkten Druck kommen wird, spielt für ihn keine Rolle. Welche konkreten Auswirkungen diese neuen Regelungen auf die Genehmigungsverfahren in den Denkmalbehörden haben werden, kann ich aus meiner Erfahrung nicht beurteilen, aber ein steigender Flächenverbrauch gerade in den Ortsrandlagen wird mit Sicherheit zahlreiche archäologische Fundstellen betreffen.
 
Die Petition des NABU:

 

Freitag, 11. Dezember 2020

Krieg und Kulturgutzerstörung - Berg Karabach

Jahrelang haben wir die Kulturgutzerstörungen im Bürgerkrieg in Syrien und bei den Kriegen in Jemen und Mali gesehen. Jetzt fordert der Krieg in Berg-Karabach wiederum Kulturgüter als Opfer. Der Konflikt zwischen dem christliche geprägten Armenien und dem islamischen Aserbaidchan um die Region Berg-Karabach brach in den 1980er Jahren zwischen den damaligen Sowjetrepubliken aus. In den 1920er Jahren war Bergkarabch mit einer überwiegend armenischen Bevölkerung als autonomes Gebiet der SSR Aserbaidschan zugeteilt worden. Ein 1923 in Aussicht gestelltes Referendum hat nie stattgefunden. In der zerfallenden Sowjetunion brach der alten Konflikt neu aus. Dabei erklärte Bergkarabach 1991 seine Unabhängigkeit. Im Verlauf des folgenden Kriegse von 1993 bis 1994 konnten die Truppen von Bergkarabach mit Hilfe der armenischen Armee große Teile des von Bergkarabach beanspruchten Gebiets unter ihre Kontrolle bringen.
Bei der aktuellen Auseinandersetzung im Spätsommer und Herbst 2020 behielt Aserbaidschan militärisch die Oberhand und bekam unter russischer Vermittlung große Teile der bislang von Bergkarabach gehaltenen Gebiete zugesprochen. Dort flüchtet nun die Bevölkerung und zerstört selbst systematisch die verlassenen Häuser und Höfe. Wieder dienen Kulturgüter in der politischen Auseinandersetzung als Waffe. Ihre Zerstörung soll den Ansprüchen der Gegener ihre Zeugen nehmen, kulturelle Aneignung die eigenen Ansprüche stärken. Vorwürfe der Kulturgutzerstörung markern den Gegner als unzivilisiert und versuchen Sympathien für die eigene Seite zu gewinnen. Daher muss man die Meldungen wiederum mit Vorbehalt nehmen, denn oft schwingen hier nicht nur Empörung und Trauer, sondern auch politische Motive mit.

Berichtet wird einerseits von Zerstörungen, die die nachrückenden islamischen Aserbaidschaner an armenischen Klöstern anrichten, andererseits zeigt Aserbaidschan auf die zerstörten Kulturdenkmäler - insbesondere Moscheen - in den zurückgewonnenen Gebieten.

Der Krieg 1993/94 war auf beiden Seiten wenig zimperlich, wenn es um Menschenleben, Infrastruktur und Kulturgüter ging. Mehrere Städte wurden damals zu Geisterstädten. Agram ist nur ein Beispiel: Die Stadt mit ehedem etwa 50.000 Einwohnern war zuletzt von etwa 360 Armeniern bewohnt, die das Gebiet nun ebenso wie das armenische Militär die Stadt gemäß der Waffenstillstandsverinbarung räumen mussten. Die zentrale Moschee blieb zwar erhalten, aber andere Moscheen und Museen sind damals zerstört worden.


Die Geisterstadt Agram (Google Maps). 
 

Aserbaidschanische Perspektive

So reklamieren Aserbaidschaner Kulturgutzerstörungen in den von ihnen zurückgewonnenen Gebieten, die die Armenier hier seit dem Krieg 1994 angerichtet haben sollen. Eine Seite der aserbaidschanischen Regierung listet Kulturgüter, die von den Armeniern zerstört oder doch beschädigt worden sein sollen:

Das Kulturministerium spielt diese Meldungen unter dem Motto "Culture is back in Karabakh" auch über facebook aus: https://www.facebook.com/mincultaz/

Beklagt wird, dass viele Moscheen gezielt in Schweineställe umgewandelt worden seien, wie beispielsweise die Mosche von Ziglan. Armenische Vandalen hätten die Spuren jahrtausendealter aserbaidschanischer Existenz in Bergkarabach zerstört. Die sollte als "cultural terror and cleansing" benannt werden. Dies sei dieVollendung des von den Armeniern verübten Völkermords durch kulturelle Bereinigung ("cultural cleansing"). Armenien hätte sich Kulturgüter angeeignet und verfälscht um eigene Gebietsansprüche zu untermauern.


Die von Aserbaidschan immer wieder behauptete Zerstörung der Moscheen bewahrheitet sich in den präsentierten Bildern nur bedingt. Die Gebäude sind zwar beschädigt und vernachlässigt bzw. geschändet, aber nicht grundsätzlich gezielt ausgelöscht.

Aserbaidschan hat unter den ersten Maßnahmen in den zurückgewonnenen Gebieten auch eine provisorische Verwaltung aufgebaut, die auch das Kulturministerium einbindet. Eine Pressemeldung wertet dies ausdrücklich als Beleg für den hohen Stellenwert, den Präsident İlham Əliyev der Kultur zumisst. Der Kulturminsiter Anar Karimov selbst bezeichnet seine Aufgabe als "sacred mission". Für jeden Distrikt wurden Vertreter des Kulturministerium benannt, deren Aufgabe es unter anderem ist, den Zustand der Denkmäler zu prüfen.

Das Kulturministerium verweist auf 927 Bibliotheken, die zerstört worden seien mit einem bestand von 4,6 Millionen Büchern. Daneben seien 808 Kulturstätten wie Clubs und Kulturzentren zerstört worden, 85 Musik- und Kunstschulen, 22 Museen mit mehr als 100.000 Objekten, 4 Kunstgallerien, 4 Theater und 2 Konzerthallen. Mehr als 2000 historische Denkmäler sollen diesem Vandalismus zum Opfer gefallen sein. "Such barbaric treatment of cultural heritage, including unique monuments of special importance, should be seen as a threat to world heritage."

Schon 2015 hat eine Seite Zerstörungen von Monumenten unter der armenischen Besatzung in Bergkarabach dokumentiert:


Armenische Perspektive

Umgekehrt gibt es indes auch zahlreiche Berichte in den Social Media, wonach die Aserbaidschaner nun ihrerseits armenisches Kulturgut zerstören würden.


Zu nennen sind Berichte zu

 
Der Blick fällt hier auf die aserbaidschanische Provinz Nakhichevan, in der ebenfalls viele Denkmäler armenischer Geschichte zu finden sind - oder waren. Zwischen 1997 und 2006 soll es hier von aserbaidschanischer Seite zu gezielten Zerstörungen gekommen sein. Genannt werden der mittelalterliche Friedhof von Djulfa und 89 Kirchen sowie Hunderte von Bildsteinen ('khachkars'). Die armenische Regierung leugnet, dass in Djulfa jemals ein armenischer Friedhof exisiterit hätte und verweigerte dem amerikanischen Botschafter, der sich vom Zustand des Denkmals selbst ein Bild machen wollte, den Zugang. Fotografien und Luftbilder dokumentieren hier die gezielte und vollständige Zerstörung christlich-armenischer Denkmäler. Das Gelände des Friedhofs von Djulfa wurde nach der vollständigen Planierung offenbar als Schießstand genutzt. Hier liegen Bilder vor, weil das Gelände von der iranischen Seite der Grenze einzusehen ist und die Zertrümmerung der Grabsteine durch aserbaidschanische Soldaten 2006 direkt beobachtet und gefilmt wurde. Zwischen Juli 2018 und August 2020 wurde auf dem Höhenrücken neben zerstörten Gräberfeld eine Schrift angebracht, die im Luftbild zu lesen ist und die die Motive der Zerstörung erkennen lässt: "her sey vatan üçün" - Alles für die Heimat!
Das Gelände des zerstörten armenischen Friedhofs von Djulfa in GoogleMaps. Im Luftbild vom August 2020 von DigitalGlobe ist auf dem benachbarten Geländerippen eine Steinschrift "Her şey Vatan İçin" (Alles für die Heimat!) zu erkennen.  

 
Die Sorgen um das armenische Kulturerbe scheinen daher nicht unberechtigt. Aserbaidschan verweist auf die Restaurierung christlicher Kirchen in Aserbaidschan, sowie auf die finanzielle Beteiligungen der Heydar Aliyev-Stiftung an Restaurierungsprojekten im Vatikan und an Kirchen in Frankreich. Auch Papst Franziskus dient als Zeuge, der bei einem Besuch in Aserbaidschan 2016 das Land wegen seiner Toleranz gerühmt hat (Pressemeldung Kulturministerium von Aserbaidschan, 23.11.2020).

Kloster Khudavang/Dadivank
(Foto Valen1988 [CC BY SA 4.0] via WikimediaCommons)


Appelle

Wieder fehlt es auch nicht an den üblichen Appellen.

UNESCO

Reaktion aus Aserbaidschan

Aufruf des WMF

 

Andere

Smithsonian
Metropolitan Museum New York 

Mittwoch, 9. Dezember 2020

Pecunia non olet - Fragwürdige Bildungsförderung im Vereinigten Königreich

Jutta Zerres
 
Bildungsförderung ist ja eigentlich eine gute Sache. Die gemeinnützige britische Initiative „Classics for all“ hat sich auf die Fahne geschrieben mit verschiedenen Angeboten den altsprachlichen Unterricht sowie die Kenntnis antiker Kultur und Geschichte an allgemeinbildenden Schulen auf der Insel zu fördern. Die Angebote sind für Schüler*innen und Lehrer*innen kostenlos, die Finanzierung beruht vollständig auf Spenden. Viele der Schulen, in denen die Initiative tätig ist, liegen in Gebieten mit sozioökonomischer Benachteiligung, so dass sie auch einen Beitrag zur Bildungsgerechtigkeit leistet.

In diesem Jahr sollte nun eine „Christmas Charity Auction“ in dem Londoner Auktionshaus „Kallos Galery and Roseberys“ zugunsten von „Classics for all“ stattfinden mit Livestream-Übertragung im Internet am 10. Dezember. Prominente und hochrangige Akademiker stifteten attraktive Versteigerungsgüter. So gibt es u. a. handsignierte Bücher des Schriftstellers und Moderators Stephen Fry, eine exklusive Führung im British Museum mit Michael Scott, Professor für Alte Geschichte in Warwick oder einen Wochenendtrip nach Vindolanda für die ganze Familie mit Hotelaufenthalt und Museumsbesuch zu erwerben. Soweit - so gut.

Problematisch ist die ganze Aktion, weil neben all diesen „harmlosen“ Dingen, auch echte Antiken mit unklarer Herkunft zu erwerben sind, die offenbar vom Auktionshaus zur Verfügung gestellt wurden.


Die Papyrologin Roberta Mazza, Dozentin für alte Sprachen und alte Geschichte an der Universität Manchester machte ihrem Ärger in ihrem Blog „Faces & Voices“ Luft: 
„I would like to express my personal dismay for the many ethical issues surrounding the antiquities market and the troubling involvement of academia with it; not to mention the vague provenance provided for the pieces on sale. This initiative seems to me to go against the goal of making our disciplines more inclusive and ethical. The idea of auctioning ancient objects, which had been taken (legally or not) from subaltern countries, to foster Classics makes me cringe.
This auction goes against the work many (but clearly not all) of us are patiently doing in teaching and research: we try to build a field guided by equality, ethics and respect for the culture of minorities and other nations. Not in theory, in PRACTICE, our own everyday practice. This auction is not helping our job at all. We face forward, this auction faces backwards to a past that we are trying to address in a critical way in order to build a better, more inclusive and just, future.“
Erin L. Thompson Art Crime Professor an der City University of New York hat sich darauf hin mit den Provenienzen der Objekte näher befasst und kommt zu bestürzenden Ergebnissen, die sie in ihrem Twitteracount @artcrimeprof veröffentlichte unter der Überschrift „Classics for All… or Looting for All?: https://twitter.com/artcrimeprof/status/1335627447728009229 (Thread)

Die Proteste aus der akademischen Welt zeigten Wirkung: Am 6.12.2020 bliesen die Verantwortlichen der Initiative die Aktion ab und veröffentlichten ein Statement auf der Website. Darin erklären sie, man sei aus der Notwendigkeit heraus 600 000 Pfund pro Jahr an Spendengeldern aufbringen zu müssen, auf das Angebot einer Charity-Auktion eingegangen. Auf keine Fall habe man aber die Freunde und Förderer vor den Kopf stoßen wollen. Jetzt habe man die Sache noch einmal überdacht.
 
(Bild: Paweł Szymczuk [pixabay licence] auf Pixabay)


Nun ja ... Trotzdem bleibt ein übler Beigeschmack, verursacht durch die Tatsache, dass eine Antikenauktion von den Verantwortlichen bei „Classics for all“ überhaupt als gangbarer Weg des Fundraisings angesehen wurde. Erst aufgrund der Proteste von außen ruderte man zurück. Die Geschichte zeigt deutlich, dass das Bewusstsein für die mit dem Handel mit Antiken verbundenen ethischen und rechtlichen Problematiken wie Raubgrabungen, Schmuggel, Hehlerei und Kolonialismus noch nicht weitflächig in der Gesellschaft angekommen ist – auch nicht in wissenschaftlichen Feldern wie der Alten Geschichte und der Altphilologie, die ja mit der Archäologie eng verbunden sind.





 

 


Sonntag, 6. Dezember 2020

Alle Jahre wieder

Vielleicht hilft diese ungewöhnliche Weihnachtsgeschichte ja etwas in dieser ungewöhnlichen Weihnachtszeit - auch wenn sie treue Archaeologik-Fans bestimmt schon kennen. 



Text: Rainer Schreg/ Brigitte Schreg, Sprecher: Axel Weiss (Besten Dank!!)
Dezember 2015