- Zehn Jahre nach der Zerstörung Palmyras: Wiederaufbau einer Kulturstadt. swr Kultur 20.5.2025. - https://www.swr.de/swrkultur/leben-und-gesellschaft/palmyra-wiederaufbau-kulturstadt-zerstoerung-100.html
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Archaeologik ist ein Wissenschaftsblog zu Themen der Archäologie und des Kulturgutschutzes. Er zielt auf eine kritische Archäologie, die sich mit methodisch-theoretischen, wissenschaftspolitischen und gesellschaftlichen Aspekten der Archäologie auseinandersetzt und die alltägliche Forschungspraxis reflektiert.
Archaeologik is a science blog contributing to various aspects of critical archaeology and cultural heritage including methodology, theory and daily archaeological practice.
Im Krieg gegen IS/Daesh in Syrien und Irak wurden zahlreiche Kulturdenkmäler zerstört. Die Öffentlichkeit hat das längst wieder vergessen, gab es inzwischen doch schon einige weitere Krisen, die uns auch viel näher gekommen sind Für die Archäologie werden die Zerstörungen noch lange Thema sein, da Raubgrabungsgüter erst nach und nach auf dem Markt erscheinen werden und weil die Dokumentation und sichernde Notgrabungen viel Zeit beanspruchen. Ein Artikel in der taz bringt diesen Aspekt an die Medien:
Ein älterer Bericht:
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Ruinen der Jonas-Moschee nach Zerstörung durch den IS 2017 (Foto: Voice of America, gemeinfrei, via WikimediaCommons) |
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Anfang Januar 2018 durchsuchten Beamte der Bezirksstaatsanwaltschaft von New York die Geschäftsräume des Milliardärs Michael H. Steinhardt und stellten dabei mehrere Antiken sicher, die illegal aus Italien und Griechenland ausgeführt worden waren. Besonders genannt sind sechs Stücke:
Die Staatsanwaltschaft New York hat laut ihrer Pressemeldung Beweise dafür, dass 180 Objekte der Sammlung Steinhardt aus ihrem Herkunftsland gestohlen wurden. Entscheidend ist nicht allein das Fehlen von Provenienzangaben, sondern es gibt zahlreiche weitere Beweise für Plünderungen. 171 der 180 beschlagnahmten Antiquitäten befanden sich vor dem Erwerb durch Steinhardt im Besitz von Personen, die von den Strafverfolgungsbehörden später als Antikenhehler eingestuft wurden und von denen einige deswegen auch verurteilt wurden; 101 Objekte sind auf Fotos in schmutzigem, unrestaurierten Zustand zu erkennen, was ihre Herkunft aus einer Raubgrabung belegt. Viele der beschlagnahmten Funde stammen aus Regionen, die vor ihrem Auftauchen auf dem Kunstmarkt von Unruhenund Raubgrabungen betroffen waren - darunter auch das Herrschaftsgebiet des IS. Die Sammlung Steinhardt ist mit Sicherheit noch größer, doch ist es bei den weiteren Objekten wohl nicht möglich die Illegalität zweifelsfrei nachzuweisen.
Zahlreiche Objekte hat Steinhardt an das Metropolitan Museum of Art MET in New York gestiftet oder verkauft (z.B. welche von diesen), das seinerseits schon mehrfach in Skandale um Raubgrabungsfunde verwickelt war.
kykladische
Marmorschale im MET, gestiftet 2001 von Judy und Michael Steinhardt mit
einer längeren Provenienzgeschichte, die aber nicht zu einem Fundort
führt (Foto: MET [public domain] via MET) |
Nicht immer lassen sich
verdächtige Provenienzgeschichten - die ja auch nie zu einem bei
archäologischen Funden ja vorauszusetzenden Fundort führen - sicher als
falsch erweisen, wobei der Verdacht andererseits aber meist auch nicht
auszuräumen sein dürfte.
Steinhardt ist jedenfalls schon öfters mit Raubgrabungsfunden aufgefallen. Die aktuelle Untersuchung begann, als er eine Statue aus dem Libanon an das New Yorker Metropolitan Museum of Art ausgeliehen hat und die Staatsanwaltschaft feststellte, dass die Statue wie auch zahlreiche weitere Stücke seiner Sammlung unrechtmäßig ausgeführt worden waren.
2014 musste das Auktionshaus Christies ein von Steinhardt eingeliefertes marmornes Frauenidol aus Sardinien, dessen Wert auf bis zu 1,2 Mio $ angesetzt war aus einer Auktion zurückziehen. Die Auktion findet sich noch im Internet unter https://www.thecityreview.com/f14cant.html (Lot 85). Hier heisst es:
"Lot 85, Female idol, marble, Sardinian, Ozeri culture, circa 2500-2000 B.C., 13 3/4 inches high
A larger and considerably older female figure is Lot 85, Sardinian, Ozeri culture, circa 2500-2000 B.C. The marble figure is 13 3/4 inches high. It is propperty of the Michael and Judy Steinhardt Collection and once was with the Merrin Gallery in New York. Its face is featureless except for a long ridge for a nose. It has an estimate of $800,000 to $1,200,000. It failed to sell."
2011 beschlagnahmte der amerikanische Zoll ein Fresko, das in den 1950er Jahren aus einem Grab bei Paestum aus Italien gestohlen wurde. Es sollte an Steinhardt geliefert werden.
Schon 1995 wurde bei Steinhardt zuhause im Rahmen von Ermittlungen eine goldene Phiale sichergestellt, die 1992 illegal aus Italien ausgeführt wurde. Steinhardt hatte sie für 1 Mio $ gekauft.
Nun hat die New Yorker Staatsanwaltschaft mit Steinhardt einen Deal ausgehandelt, mit dem ein Prozess vermieden wird, Steinhardt allerdings auch einer Strafe entgeht. Die 2018 sichergestellten Objekte im Wert von etwa 70 Mio $ gehen an die Ursprungsstaaten zurück und Steinhardt musste sich verpflichten, nie mehr Antiken zu kaufen.
Cyrus Vance, der zuständige New Yorker Staatsanwalt, wird in seiner Pressemitteilung zitiert:
"Jahrzehntelang hat Michael Steinhardt einen räuberischen Appetit auf geplünderte Artefakte an den Tag gelegt, ohne sich um die Rechtmäßigkeit seiner Handlungen, die Legitimität der von ihm gekauften und verkauften Stücke oder den schweren kulturellen Schaden zu kümmern (For decades, Michael Steinhardt displayed a rapacious appetite for plundered artifacts without concern for the legality of his actions, the legitimacy of the pieces he bought and sold, or the grievous cultural damage he wrought across the globe)".
Staatsanwalt Cyrus Vance hat in den vergangenen Jahren zahlreiche Fälle der Antikenhehlerei aufgedeckt, so z.B. den Fall des persischen Kriegers (vgl. Archaeologik (2.11.2017)).
Obwohl Steinhardt für die Plünderung archäologischer Fundstellen mitverantwortlich ist, gibt er sich als Philanthrop und Kunstförderer. Aufgrund einer Spende von 10 Mio $ im Jahr 2001 ist an der Universität New York auch das NYU’s Steinhardt School for Culture, Education, and Human Development nach ihm benannt. Studierende fordern nun verstärkt die Umbenennung - eine Forderung die jedoch bereits 2019 erfolglos erhoben wurde, als bekannt wurde, dass gegen Steinhardt Vorwürfe der sexuellen Belästigung bestehen.
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1879 gefundene neoassyrische Stele des Adad-Nirari III aus Dur-Katlimmu/Tal Sheikh Hamad im British Museum. (Foto: British Museum [ CC BY NC SA 4.0 ] via British Museum) Der untere Teil tauchte 2000 im Kunsthandel auf. |
eine Glockenweihe in Mosul ist Anlass für einen Bericht von Thomas Baumann in br24, der sich rückblickend mit dem Kulturgutzerstörungen des IS in Mosul befasst:
Kirchenglocken für Mossul br24 (17.10.2021). - https://www.br.de/mediathek/podcast/religion-und-orientierung/alles-eine-frage-der-ethik-wie-entscheidungen-am-lebensende-getroffen-werden/1839346 ab min 08:05
vgl.
Es ist schwer einzuschätzen, wie es derzeit mit Raubgrabungen in Syrien aussteht. Noch immer sind viele Gebiete Krisengebiet, in denen man davon ausgehen kann, dass die Kontrolle von archäologischen Stätten keinen besonderen Stellenwert hat. Im Norden Syriens dauern die gegenseitigen Beschuldigung der Kulturgutzerstörungen zwischen Syrien und der Besatzungsmacht Türkei an:
Zu einzelnen Fundstellen:
Im April 2020 ging das https://syrian-heritage.org/de/ online, das mit Hilfe des DAI und der Gerda-Henkel-Stiftung aufgebaut wurde. Das Syrian Heritage Archive Project arbeitet an der Digitalisierung und
Archivierung von Fotosammlungen und Forschungsdaten zu Syrien und hatte seinen Ausgangspunkt in verschiedenen Projekten des Museums für Islamische Kunst/ Staatliche
Museen zu Berlin, die sich mit verschiedenen Themen des syrischen Erbes
befassen. 2013 wurde das Projekt mit dem DAI als Reaktion auf die Zerstörungen im Bürgerkrieg begonnen. Es enthält u.a. einen Zugang mittels einer Karte, über den sich zu einzelnen Orten " Beschreibungen, Fotos, Erinnerungen und andere verwandte Medien" finden lassen sollten. Bei mir funktioniert dies aktuell (3.1.2021) mit verschiedenen Browsern aber nicht. Ebenso wenig scheint die Bildergalerie zu funktionieren, die nur sonderbares Ladeverhalten zeigt. Sorry - aber so ist das Murks.
Wenn es auch vordergründig ruhig geworden ist in Syrien und dem Nordirak, so wird uns das Thema der Raubgrabungen und des Antikenhandels noch auf Jahre beschäftigen müssen, denn die geplünderten Funde brauchen einige Zeit, bis sie einigermaßen unauffällig in den Markt geschleust werden können. So sehr es der Antikenhandel auch dementieren mag, die Finanzierung des IS-Terrorismus u.a. durch Antikenhandel ist durch zahlreiche Beobachtungen gesichert.
Außerdem ist im Irak im Schatten von Covid19 schon die nächste Plünderungswelle zu beobachten:
bronzezeitliche Siedlung von Ebla/ Tel Mrdikh (Foto: Gianfranco Gazzetti [CC BY SA 4.0] via WikimediaCommons) |
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Iran, Isfahan, Irans Hauptstadt im 17. Jahrhundert (Foto: Arad Mojtahedi [CC BY SA 2.0] via WikimediaCommons) |