Donnerstag, 9. Dezember 2021

Sammeln verboten - wegen Antikenhehlerei: Der Fall Steinhardt

Anfang Januar 2018 durchsuchten Beamte der Bezirksstaatsanwaltschaft von New York die Geschäftsräume des Milliardärs Michael H. Steinhardt und stellten dabei mehrere Antiken sicher, die illegal aus Italien und Griechenland ausgeführt worden waren. Besonders genannt sind sechs Stücke:

  • ein zeremonielles Trankopfergefäß oder Rhyton in Form eines Hirschkopfs. Es wurde durch Steinhardt im November 1991 von der Merrin Gallery of Manhattan für 2,6 Mio $ gekauft. Das Objekt, das im Handel zunächst ohne Provenienzangabe auftauchte, stammt wohl aus einer Raubgrabung in Milas in der Türkei, an die es inzwischen zurückgegeben wurde.
  • eine Larnax, also eine kleine sarkophagartige Truhe für menschliche Überreste aus dem spätminoischen Kreta (ca. 1400 - 1200 v.Chr.). Der Gegenstand im Wert von 1 Mio $ gelangte über einen bekannten Antikenhändler auf den Seychellen an Steinhardt. Die Bezahlung wurde über eine für Geldwäsche bekannte Bank auf Malta abgewickelt.
  • das „Ercolano Fresco“, das Herakles mit der Schlange zeigt, wurde im November 1995 ohne Provenienz von Robert Hecht, einem ebenfalls berüchtigten Antikenhändler für 650.000 $ erworben.  Es wurde im selben Jahr aus einer römischen Villa in Herculaneum, einer der vom Vesuvausbruch 79 n.Chr. verschütteten Städte geplündert.
  • eine Goldschale aus Nimrud im Irak. Dieses Stück ist besonders brisant, da die Region seit 2015 unter der Herrschaft des IS/Daesh stand, der damit seinen Terror finanzierte. Das Stück fiel den US-Customs am Flughafen in New York auf, als es durch einem aus Hongkong kommenden Antikenhändler im Handgepäck eingeführt und dann an Steinhardt geliefert wurde. 
  • drei neolithische steinerne Gesichtsmasken. Steinhardt erwarb sie im Oktober 2007 von einem in Jerusalem ansässigen Antikenhändler für 400.000 $, wiederum ohne jede Provenienzangabe. Nach Ermittlungen der israelischen Altertumsbehörde datieren sie um 6000 v.Chr. und stammen aus den Ausläufern der Judäischen Berge in Israel, höchstwahrscheinlich aus der Schephelah. Sie sind auf Fotos, die von israelischen Strafverfolgungsbehörden gefunden wurden, noch mit Erde verkrustet und mit Schmutz bedeckt, zu erkennen. Derartige Masken sind in Sammlerkreisen sehr beliebt und werden mit bis zu 1 Mio $ gehandelt, zumal nur rund 15 Stück bisher bekannt sind. Nach einem Bericht in MiddleEastEye vom Mai diesen Jahres soll Steinhardt insgesamt 8 solcher Masken besitzen. Die meisten stammen aus Raubgrabungen, nur eine aus einer regulären Grabung, so dass Funktion und Bedeutung bis heute unbekannt sind.  Beispielsweise weiß man nicht, ob es sich um Totenmaskem handelt

Die Staatsanwaltschaft New York hat laut ihrer Pressemeldung Beweise dafür, dass 180 Objekte der Sammlung Steinhardt aus ihrem Herkunftsland gestohlen wurden. Entscheidend ist nicht allein das Fehlen von Provenienzangaben, sondern es gibt zahlreiche weitere Beweise für Plünderungen. 171 der 180 beschlagnahmten Antiquitäten befanden sich vor dem Erwerb durch Steinhardt im Besitz von Personen, die von den Strafverfolgungsbehörden später als Antikenhehler eingestuft wurden und von denen einige deswegen auch verurteilt wurden; 101 Objekte sind auf Fotos in schmutzigem, unrestaurierten Zustand zu erkennen, was ihre Herkunft aus einer Raubgrabung belegt. Viele der beschlagnahmten Funde stammen aus Regionen, die vor ihrem Auftauchen auf dem Kunstmarkt von Unruhenund Raubgrabungen betroffen waren - darunter auch das Herrschaftsgebiet des IS.  Die Sammlung Steinhardt ist mit Sicherheit noch größer, doch ist es bei den weiteren Objekten wohl nicht möglich die Illegalität zweifelsfrei nachzuweisen.

Zahlreiche Objekte hat Steinhardt an das Metropolitan Museum of Art MET in New York gestiftet oder verkauft (z.B. welche von diesen), das seinerseits schon mehrfach in Skandale um Raubgrabungsfunde verwickelt war.

kykladische Marmorschale im MET, gestiftet 2001 von Judy und Michael Steinhardt mit einer längeren Provenienzgeschichte, die aber nicht zu einem Fundort führt
(Foto: MET [public domain] via MET)

 

Nicht immer lassen sich verdächtige Provenienzgeschichten - die ja auch nie zu einem bei archäologischen Funden ja vorauszusetzenden Fundort führen - sicher als falsch erweisen, wobei der Verdacht andererseits aber meist auch nicht auszuräumen sein dürfte.

Steinhardt ist jedenfalls schon öfters mit Raubgrabungsfunden aufgefallen. Die aktuelle Untersuchung begann, als er eine Statue aus dem Libanon an das New Yorker Metropolitan Museum of Art ausgeliehen hat und die Staatsanwaltschaft feststellte, dass die Statue wie auch zahlreiche weitere Stücke seiner Sammlung unrechtmäßig ausgeführt worden waren.

2014 musste das Auktionshaus Christies ein von Steinhardt eingeliefertes marmornes Frauenidol aus Sardinien, dessen Wert auf bis zu 1,2 Mio $ angesetzt war aus einer Auktion zurückziehen. Die Auktion findet sich noch im Internet unter https://www.thecityreview.com/f14cant.html (Lot 85). Hier heisst es:

"Lot 85, Female idol, marble, Sardinian, Ozeri culture, circa 2500-2000 B.C., 13 3/4 inches high
A larger and considerably older female figure is Lot 85, Sardinian, Ozeri culture, circa 2500-2000 B.C. The marble figure is 13 3/4 inches high. It is propperty of the Michael and Judy Steinhardt Collection and once was with the Merrin Gallery in New York. Its face is featureless except for a long ridge for a nose. It has an estimate of $800,000 to $1,200,000. It failed to sell."
Christos Tsirogiannis identifizierte das Stück jedoch in den Geschäftsunterlagen des berüchtigten italienischen Kunsthändlers Giacomo Medici, der 2004 zu 10 Jahren Gefängnis und 10 Mio € Strafe verurteilt worden war. Anhand seiner Dokumente ließ sich die Plünderung einer bis dato unbekannten römischen Villa im Umfeld des Vesuvs belegen, vor allem aber wurden im September 1995 in einem Genfer Freihandelslager hunderte archäologischer Objekte aus Italien und Griechenland gefunden.  Christies Provenienzgeschichte musste falsch sein, da hier Medici als Vorbesitzer nicht verzeichnet ist.

2011 beschlagnahmte der amerikanische Zoll ein Fresko, das in den 1950er Jahren aus einem Grab bei Paestum aus Italien gestohlen wurde. Es sollte an Steinhardt geliefert werden.

Schon 1995 wurde bei Steinhardt zuhause im Rahmen von Ermittlungen eine goldene Phiale sichergestellt, die 1992 illegal aus Italien ausgeführt wurde. Steinhardt hatte sie für 1 Mio $ gekauft.


 

Rückgabe und Sammelbann

Nun hat die New Yorker Staatsanwaltschaft mit Steinhardt einen Deal ausgehandelt, mit dem ein Prozess vermieden wird, Steinhardt allerdings auch einer Strafe entgeht. Die 2018 sichergestellten Objekte im Wert von etwa 70 Mio $ gehen an die Ursprungsstaaten zurück und Steinhardt musste sich verpflichten, nie mehr Antiken zu kaufen.

Cyrus Vance, der zuständige New Yorker Staatsanwalt, wird in seiner Pressemitteilung zitiert: 

"Jahrzehntelang hat Michael Steinhardt einen räuberischen Appetit auf geplünderte Artefakte an den Tag gelegt, ohne sich um die Rechtmäßigkeit seiner Handlungen, die Legitimität der von ihm gekauften und verkauften Stücke oder den schweren kulturellen Schaden zu kümmern (For decades, Michael Steinhardt displayed a rapacious appetite for plundered artifacts without concern for the legality of his actions, the legitimacy of the pieces he bought and sold, or the grievous cultural damage he wrought across the globe)". 

Staatsanwalt Cyrus Vance hat in den vergangenen Jahren zahlreiche Fälle der Antikenhehlerei aufgedeckt, so z.B. den Fall des persischen Kriegers (vgl. Archaeologik (2.11.2017)).  


Obwohl Steinhardt für die Plünderung archäologischer Fundstellen mitverantwortlich ist, gibt er sich als Philanthrop und Kunstförderer. Aufgrund einer Spende von 10 Mio $ im Jahr 2001 ist an der Universität New York auch das NYU’s Steinhardt School for Culture, Education, and Human Development nach ihm benannt. Studierende fordern nun verstärkt die Umbenennung - eine Forderung die jedoch bereits 2019 erfolglos erhoben wurde, als bekannt wurde, dass gegen Steinhardt Vorwürfe der sexuellen Belästigung bestehen.


Literatur

  • Watson/Todeschini 2006: P. Watson/C. Todeschini, The Medici conspiracy. The illicit journey of looted antiquities, from Italy's tomb raiders to the world's greatest museums (New York 2006).

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