Das Thema Stadt und Land ist ein altes Thema, allerdings mit einer ungebrochenen Aktualität. Derzeit ist verstärkt vom Stadt-Land-Gefälle die Rede, in Deutschland gar vom geteilten Land, was darauf aufmerksam macht, dass rund 3ß Jahre nach der Wedervereinigung die Unterschiede zwischen Ost- und West durch andere regionale Differenzierungen abgelöst werden. Dabei Spielen die Unterschiede zwischen Stadt und Land zzunehmend eine wichtige Rolle. Den dynamischen, optimistischen, elitären Städten steht ein ländlicher Raum gegenüber, der teils überaltert, infrastrukturell vernachlässigt und abgehängt erscheint. Es scheint mit der Industrialisierung und der Entstehung einer Dienstleistungsgesellschaft in Vergessenheit geraten, dass der ländliche Raum das Rückgrat auch der Städte darstellt. Ohne die Lebensmittelproduktion auf dem Land kann keine Stadt existieren. Auch das ist heute bei globalen Warenströmen und einem Energiesystem, das nicht mehr wie vor der Erschließung der Kohle auf Wasser- und Windkraft, vor allem aber auf nachwachsende pflanzliche Energieträger angewiesen ist, kaum noch im Bewußtsein. Vielleicht hängt das auch damit zusammen, dass die modernen Bauern dieser Aufgabe der Produktion gar nicht mehr nachkommen, denn die moderne Agrarwirtschaft benötigt mit Kunstdünger und Maschineneinsatz mehr Energie als sie erzeugt.
Daraus ergibt sich eine umwelthistorische Perspektive, aber die These einer gespaltenen Gesellschaft zwischen Stadt und Land verweist auch auf unterschiedliche demographische Strukturen, auf Landflucht, eine rückständige bzw. vielfach eher absinkende Infrastruktur etwa in der medizinischen Versorgung, oder in der Nahversorgung mit schließenden Läden des Einzelhandels, dem Abbau von Bankfilialen und Dienstleistungs angeboten. Meist sind die ländlichen Gemeinden heute auch nicht mehr autonom, sondern wurden in Gemeindereformen entweder von ihren städtischen Nachbarn eingemeindet oder zu oft augedehnten Verwaltungsgemeinschaften zusammengefasst. Der Ausbau des ÖPNV und die Breitbandersorgung rentieren sich für Investoren kaum und kommt ncht voran. Tatsächlich scheint die Unzufriedenheit die Landbevölkerung afälliger zu machen für populistische Parolen. Das zeigt zumindest, dass die Stadt-Landbeziehungen auch eine wirtschaftliche, soziale und politische Dimension haben.
Das ist erst mal meine Einschätzung zur Relevanz der Thematik. Die kommene Ruralia-Tagung 2025 greift das Thema aus der Sicht einer Archäologie des ländlichen Raumes auf.
Die Organisatoren der Tagung charakterisieren das Verhältnis zwischen ländlichem Umland und Städten als Dialog und verweisen darauf, dass die Stadt von ihrem Umland abhängig war und es gleichzeitig auch prägte. "Die Metapher, dass die ländlichen Siedlungen und ihr Hinterland sowie die Städte einen funktionierenden Organismus bildeten, mag banal klingen; Ein Blick auf die Forschung zeigt jedoch, wie oft sie Land und Stadt isoliert betrachtet und Zusammenhänge vernachlässigt hat."
Die Ruralia-Tagung will eine Plattform bieten, um die Auswirkungen ländlicher Landschaften auf die städtische Umgebung zu untersuchen und die Zusammenhänge und Kontraste in verschiedenen räumlichen und historischen Kontexten in den Mittelpunkt zu stellen.
Der Call for Paper sucht vor allem beiträge, die folgende Themen und Fragen behandeltn:
- methodisch-theoretischer Rahmen und archäologische Konzepte zum städtischen Hinterland bzw. Land-Stadt-Beziehungen.
- räumliche Strukturierung des städtischen Hinterlands. Gibt es verschiedene Zonen? Gibt es charakteristische archäologische Befunde? Iwiefern spiegeln diese die soziale Praxis?
- Chancen und Probleme landschafts- und umweltarchäologischer Befunde
- Sozioökonomische Strukturen und Prozesse. Wie beeinflüssen ländliche Sielungen und Landnutzung die sozioöonomischen Strukturen der benachbarten Städte? Wie tragen archäologische Befunde zum Vrständnis der Argrargeschichte, des Wandels der Siedlungsgefüge der Sozialstrukturen und zur Schwächung bäuerlicher Gemeinden, zur Kommerzialisierung und Monetarisierung der Agrarwirtschaft bei?
- Der Einfluß städtischer Grundeigentümer und Investoren auf das LandBeziehungen zwischen städtischem und ländlichem Handwerk
Es soll der Transfer von Wissen, Innovationen, Gütern, Produkten, Institutionen und Menschen ebenso untersucht werden, wie die Infrastruktur, die durch unterschiedliche Ebenen territorialer Kontrolle und Machtstrukturen geprägt ist und ländliche Regionen unterschiedlich beeinflusst hat. Die Perspektive dieser Konferenz ist der Blick von der ländlichen Landschaft auf die Stadt und nicht umgekehrt.
Ich fände es gut, wenn die oben skizzierten verschiedenen Perspektiven aus Umwelt-, Sozial-, und Wirtschaftsarchäologie vertreten wären.
In den vergangenen Jahren waren bei Ruralia Deutschland und die Schweiz (für die es aktuell keinen Landesvertreter im Ruralisa-Kommitee gibt) unterrepräsentiert. Vorschläge für Präsentationen auf der Tagung, insbesondere auch von Nachwuchswissenschafter*innen dürften dem Auswahlkommitee also hoch willkommen sein!
Ruralia XVI in Kłodzko / Polen
historische Ansicht von Kłodzko/ GlatzTagungsbeiträge gesucht!Das Organisationsteam hat nun einen Call for Papers gestartet. Gesucht werden Vorträge von voraussichtlich 20 min Dauer, in begrenztem Ausmaß auch Posterbeiträge. Sie sollen später im Konferenzband nach einem Review auch publiziert werden. OrganisatorischesDie Konferenzsprache ist Englisch. Die Tagungsgebühren mit Unterkunft und Verpflegung liegen bei 550€, dazu kommen die Reisekosten sowie die Teilnahme an der Exkursion (ca. 280€). Ruralia möchte aber auch Nachwuchswissenschaftler:innen zur Teilnahme gewinnen und bietet ggf. finanzielle Unterstützung an. Das Organisationsteam ist zu erreichen unter ruralia2025@gmail.com Frist für die Anmeldung mit Abstracts ist der 31.1.2025. RURALIA - European Association for Medieval and Post-Medieval Rural ArchaeologyRURALIA ist eine internationale Vereinigung für die Archäologie mittelalterlicher (und neuzeitlicher) Siedlungslandschaften und des
ländlichen Lebens. Es bietet eine europaweite Plattform für den wissenschaftlichen Austausch über aktuelle Probleme der ländlichen Archäologie, um vergleichende und interdisziplinäre Studien zu stärken. Die Konferenz umfasst die Zeit vom frühen Mittelalter bis zur frühen Neuzeit. Die Konferenzsprache ist Englisch.
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