Posts mit dem Label Restitution werden angezeigt. Alle Posts anzeigen
Posts mit dem Label Restitution werden angezeigt. Alle Posts anzeigen

Freitag, 28. Juni 2024

3 Mio DM für Raubgut

Am 13.Juni 2024  unterschrieben der italienische Kultusminister Genaro Sanguliano und Kulturstaatsministerin Claudia Roth die Übergabevereinbarung für 25 archäologische Objekte. 1984 hat die Berliner Antikensammlung - heute Teil der Stiftung Preußischer Kulturbesitz 21 rotfigurige Vasen aus Unteritalien für die stolze Summe von drei Millionen D-Mark im Schweizer Kunsthandel erworben. Wie so häufig war die Angabe "aus Genfer Familienbesitz" falsch und diente der Verschleierung der Provenienz aus Raubgrabungen der 1970er Jahre.

Rhesos-Krater, ehemals Antikensammlung Berlin
(Foto: Staatliche Museen zu Berlin, Antikensammlung /CC BY-SA 4.0
via
https://id.smb.museum/object/677302/apulischer-volutenkrater)

Tatsächlich sind viele der Funde in den Unterlagen des verurteilten Antikenhehlers Giacomo Medici auf Fotos noch grabungsfrisch  zu erkennen.

Leider gar nicht ungewöhnlich die Geschichte.

G
M
T
Y
Die Sound-Funktion ist auf 200 Zeichen begrenzt

Samstag, 31. Dezember 2022

2022 - Zeitenwende für archäologisches Raubgut?

2022 hat eine sehr durchwachsene Bilanz - mit verschiedenen Ereignissen und Beschlüssen, die als Zeitenwende deklariert wurden. Die Zukunft wird weißen müssen, ob Politik und Gesellschaft die erforderliche Konsequenz dafür aufbringt. Dringend nötig  ist das.

Eine Zeitenwende, von der die Zukunft noch zeigen muss, ob sie tatsächlich eine sein wird, oder ob Gier und Sammlerleidenschaft die guten Vorsätze wieder wird scheitern lassen, ist der Umgang mit geklauten Kunstobjekten und geraubten Geschichtszeugnissen.

2022 hat einige Entwicklungen gebracht, die hoffen lassen.

 

Die Rückgabe der Beninbronzen

Doe seit langem diskutierte Rückgabe der Beninbronzen, die mehrheitlich bei britischen Plünderungen 1897 geraubt und dann global in Sammlungen und Museen verteilt wurden, kommt insofern voran, als auch Deutschland nun nachzieht. Viele Museen haben Rückgabebereinbarungen mit Nigeria unterzeichnet und Außenministerin Annalena Baerbock hat bei ihrer Nigeriareise im Dezember viele Objekte publikumswirksam zurück gegeben.

Benin, 18.2.1897
(Foto: British Museum Af,A79.13 [PD] via WikimediaCommons)


Im Kontext der Rückgabe entstanden digitale Datenbanken, die den Objektbestand für einzelne Museen, aber auch international erschließen.

Elgin-Marbles

eingerüsteter Parthenon 1991
Parthenon 1991
(Foto: R. Schreg)

Bemerkenswert ist auch die Bereitschaft Großbritanniens, über die Rückgabe der Elgin-Marbles, der Skulpturen vom Parthenon in Athen zu reden.

Auch der Vatikan will seine Fragmente vom Parthenon zurück geben, wobei Papst Franziskus von einem "Geschenk" spricht:

Eine Vielzahl an Restitutionen

2022 gab es eine Vielzahl von Restitutionen von Raubkunst in die Herkunftsländer. In vielen Fällen sind es kriminalistische Ermittlungen, die verlogene Provenienzen aufdecken und eine Rückgabe an die Herkunftsländer in die Wege leiten. Die Schäden an den archäologischen Fundstellen sind damit aber nicht wieder gut zu machen. 

Über zahlreiche Rückgaben berichtet der Blog Looting Matters. 
Bemerkenswerterweise stehen diesen internationalen Restitutionen kaum solche aus Deutschland gegenüber. Trotz der veränderten Rechtslage und der vergrößerten Aufmerksamkeit durch die Beninbronzen wird illegaler Antikenhandel in Deutschland nicht stärker thematisiert. Dabei spielt Deutschland eine wichtige Rolle als Drehscheibe im internationalen Antikenhandel. 

Darüber hinaus sind einige Schmuggler 2022 vor Gericht gestellt worden:

Ein Museum mit zurück gegebenen Raubgrabungsfunden ist in Rom eingerichtet worden:

[Änderungsvermerk 5.1.2023: Rechtschreib- und Typokorrekturen, Satzfragment entfernt]

Montag, 31. Oktober 2022

Es geht nicht nur um Objekte - es geht um Menschen. zum Beispiel um Sussy Dakaro

Die Restitutionsdebatte ist in vollem Gang. Es geht um Objekte in Museen und menschliche Skelettreste in anthropologischen Sammlungen. 

Aber es geht auch um Menschen. Am 23. Juni 1885 ist in Eberfeld bei Wuppertal ein junges Mädchen verstorben. Sie war eine indigene Australierin und wurde mit 14 zusammen mit einer ganzen Gruppe weiterer Aboriginees von der australischen Inselgruppe Palm Island verschleppt und als »exotische Wilde« in den USA und dann in europäischen Zoos vorgeführt. Täter war Robert A. Cunningham, ein Menschenhändler und -jäger, der auch den berühmten Zirkus Barnum in den USA belieferte. Bei dessen Völkerschau ("Grand Ethnological Congress") ging es aber nicht um die Vermittlung fremder Kulturen, sondern um Schauereffekte und die Erhöhung der eigenen weißen Identität. 

Das Mädchen vom Wuppertaler Friedhof ist ein Opfer dieser rassistischen Haltung. Sie hieß Sussy Dakaro, doch ist ihr eigentlicher Name, den sie von ihrer Famile erhalten hatte, unbekannt, 

Den Männern, die 1882 mit Sussy Dakaro verschleppt wurden, wurden Knochen ins Gesicht gebohrt, damit sie besser als "letzte Kannibalen" vermarktet werden konnten. Schon in den USA war Sussy's Partner Kukamunburra, genannt Tambo verstorben. Sein Leichnam wurde mummifiziert, um ihn an ein Kuriositätenkabinett verkaufen zu können.  1993 wurde er in einem Bestattungsinstitut in Cleveland/Ohio wieder entdeckt. Die mediale Aufmerksamkeit regte eine wissenschaftliche Aufarbeitung (Poignant 2004) an, die auch die Toten in Deutschland ins Bewusstsein rief. 2017 wurde Sussy Dakaro an ihrem Grab ein Gedenkstein gesetzt. Recherchen des Spiegels führten 2021 zu einer Einladung an ihre Verwandten und zur erneuten Diskussion um eine mögliche Rückführung ihres Leichnams nach Palm Island. Den Journalisten war es gelungen, im Museum für Völkerkunde in Dresden sieben lebensgroßen Büsten zu finden, die von Mitgliedern der Aboriginee-Gruppen gefertigt wurden, mit denen  Zirkusunternehmer und Entführer Cunningham tourte. Bereits vor Sussy waren andere Mitglieder der Gruppe in Chemnitz und Darmstadt verstorben. Ihre Gräber scheinen unbekannt.


Gedenkstein an der Grabstelle von 'Sussy Dakaro'
im Alten Evangelischen Friedhof in Wuppertal-Sonnborn, gegenüber des Zoos
(Foto: Atamari [CC BY SA 4.0] via WikimediaCommons)

 
Die Restitutionsdebatte, die neben ethnologischen auch archäologische Objekte betrifft, fokussiert stark auf die Objekte in Museen, die durch Ausstellungen in unserer Gegenwart sichtbar sind. Sie betrifft auch menschliche Präparate in Sammlungen, jedoch kaum die verschleppten, versklavten und oft genug mishandelten Menschen, die in der Ferne begraben liegen. Im Falle der australischen Aboriginees ist die Bestattung in der Heimaterde ein wichtiges Gut, nicht nur für die Verstorbenen, sondern auch für die Nachfahren. 
Hier ergibt sich auch ein Berührungspunkt mit der Archäologie der Moderne, deren Aufgabe nicht die Exhumierung sein kann, die aber doch in besonderem Maße ein Potential hat, sich mit diesen Menschen ohne Stimme und ohne Rechte auseinanderzusetzen. Sie wird daher immer wieder in die Situation kommen, in der menschliche Reste als archäologische Funde auftauchen - und in der es wichtig ist, sich bewusst zu sein, dass es nicht um Objekte, sondern um Menschen geht.

 Links

 

Literaturhinweis

  • Poignant 2004: R. Poignant, Professional Savages. Captive Lives and Western Spectacle (New Haven 2004) -  ISBN 978-0-300-10247-5

 interner Link