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Samstag, 16. August 2025

Waldbrände in Europa ein Risiko fürs Kulturerbe: Las Médulas

Ein Blick auf Copernicus, den Emergency Management Service und dort insbesondere in EFFIS, das European Forest Fire Information System zeigt allein in den letzten 7 Tagen Brände in Spanien, Portugal, Südfrankreich, Süditalien, Wales und Griechenland, aber auch in Sachsen und Brandenburg. Desweiteren sticht auch das Kriegsgebiet in der Ost-Ukraine heraus. Hier brennen wohl nicht nur die Vegetation, sondern ganze Dörfer. EFFIS nutzt Infrarot-Satellitenbilder von Systemen wie MODIS und VIIRS, um Hotspots zu erkennen, also Bereiche mit erhöhter Temperatur, die auf mögliche Brände hindeuten könnten. 

aktuelle Brände in Europa
(Screenshot von EFFIS https://forest-fire.emergency.copernicus.eu/apps/effis_current_situation/
Copyright © European Union, 1995-2025, CC BY SA 4.0)


 

Diesmal sind es bemerkenswert wenige Berichte, die versuchen, ein Gesamtbild zu geben und die Schäden aufzuzeigen. Auch die üblichen Berichte zu den Folgen des Klimawandels sind erstaunlich spärlich.

Gewöhnen wir uns schon an diese Brände oder ist es mit den aktuellen Regierungen (und anderen Krisen) nicht mehr in, darüber zu reden und zu berichten?

Das Global Wildfire Information System (GWIS) und EFFIS bieten auf Copernicus basierend ein Statistikportal, zeigt dass europaweit die Zahl der Feuer wie die abgebrannte Fläche massiv angestiegen ist, weit über den 10-Jahres-Durchschnitt. 

wöchentlich abgebrannte Flächen in kumulativer Darstellung in Europa (EU)
rot: 2025
blau: 10-jähriger Durchschnitt,
grau hinterlegt: Bisheriges Minimum-Maximum
(Download von EFFIS https://forest-fire.emergency.copernicus.eu/apps/effis.statistics/seasonaltrend
Copyright © European Union, 1995-2025, CC BY SA 4.0)

 

Derartige frei verfügbare Zahlen nutzt nur ein Bericht zu Spanien (AL24news 11.8.2025). Hier war noch die Rede davon, dass gegenüber dem Vergleichszeitraum des Vorjahres die verbrannte Fläche "nur" um etwa 9% gestiegen sei und deutlich unter dem 10-Jahresdurchschnitt liege. Nur die Zahl von bislang 14 Großfeuern läge mit Flächen von über 500 ha weit über dem 10-Jahresmittel. In einer Woche hat sich das Bild radikal verändert. Mit den Bränden der vergangenen Woche ist die 2025 bislang abgebrannte Fläche dreimal so groß wie im 10jährigen Durschschnitt. 

wöchentlich abgebrannte Flächen in kumulativer Darstellung in Spanien
rot: 2025
blau: 10-jähriger Durchschnitt,
grau hinterlegt: Bisheriges Minimum-Maximum
(Download von EFFIS https://forest-fire.emergency.copernicus.eu/apps/effis.statistics/seasonaltrend
Copyright © European Union, 1995-2025, CC BY SA 4.0)

Um das Bild abzurunden, gebe ich auch noch die Graphik zu Deutschland. Hier ist die 2025 bislang abgebrannte Fläche neun mal so groß wie im 10jährigen Durschschnitt und deutlich über dem bisherigen Maximum. 

wöchentlich abgebrannte Flächen in kumulativer Darstellung in Deutschland
rot: 2025
blau: 10-jähriger Durchschnitt,
grau hinterlegt: Bisheriges Minimum-Maximum
(Download von EFFIS https://forest-fire.emergency.copernicus.eu/apps/effis.statistics/seasonaltrend
Copyright © European Union, 1995-2025, CC BY SA 4.0)

 


Auswirkungen auf Kulturdenkmale

Auf Archaeologik geht es im Kern jedoch weder um den Klimawandel noch um Medienkritik, sondern darum, wie die Wildfeuer/Waldbrände Kulturlandschaften und archäologische Stätten betreffen. Wie immer, findet das nur Aufmerksamkeit, wenn es um prominente Stätten, etwa UNESCO-Welterbe geht. Allerdings brennt (bzw. brannte) es in den vergangenen Tagen in vielen alten Kulturlandschaften, so in Nord-Portugal östlich von Viseu, in Südfrankreich zwischen Narbonne und Carcassonne, in Apulien, in Sizilien bei Agrigent, In Albanien und in Griechenland. Die Nachrichten geben  bislang wenig Informationen darüber, ob bzw. eher wie Kulturdenkmale von den Bränden betroffen sind. Das will im Augenblick nicht viel heißen, denn natürlich haben die Menschen dort gerade andere Probleme, als sich um Bodendenkmäler zu kümmern. 

Römische Minen von Las Médulas in Nordspanien 

So fokussieren die Berichte auf das UNESCO-Welterbe von Las Médulas in Nordspanien, eine römische Goldmine und ein ungewöhnliches Zeugnis vormoderner Umweltzerstörung. 

Die ruinierten Berge von Las Médulas: durch römischen hydromechanischen Bergbau abgetragene Hügelkette mit Reststümpfen.
(Foto: 80kmh - CC BY SA 4.0 via WikimediaCommons)

 

Auf BR24 und beim Deutschlandfunk habe ich im Radio Berichte  über das UNESCO-Welterbe Las Médulas gehört, online konnte ich das aber nicht finden.  Es sind vor allem arabische Medien, die über das bedrohte Kulturerbe berichten (AL24news, The Peninsula aus Qatar, SEE sowie AlJazeera) und die die Google-News ausspucken (Suchbegriffe Las Médulas UNESCO bzw. heritage fire, Region & Sprache English (UK)). The Newzealand Herald greift auf eine Meldung von AFP zurück, die bei den deutschen Medien offenbar wenig Interesse gefunden hat. Hier greift vor allem ein Reise-Magazine das Thema auf.

 

Las Médulas ist ein römisches Goldbergwerk des 1. und 2. Jahrhunderts n.Chr., das mit sog. hydromechanischem Bergbau betrieben wurde, d.h. mit hoher Wasserkraft wurde der Boden abgeschwemmt. In Las Médulas musste man das Wasser über 100 km in mindestens sieben Wasserleitungen herleiten: Das Wasser wurde dann in großen Becken gespeichert und dann durch Schächte und Stollen in den Berg geleitet, wo es die aus Lehm bestehenden Berge geradezu sprengte und abschwemmte. Die goldführenden Schichten wurden damit zugänglich und das Gold konnte ausgewaschen werden. Zurück blieben spektakuläre Bergruinen, die heute romantisch erscheinen, aber das Zeugnis früherer Umweltzerstörung sind.  Plinius der Ältere beschreibt das Verfahren der Goldgewinnung in ruinierten Bergen, berichtet aber nur von der Anlage von Stollen und Schächten, jedoch nicht vom Wassereinsatz (Plin., nat. hist. 33,70). Seit Jahren gelten archäologische Forschungen daher der Verifikation des Abbauverfahrens (z.B. Alejano et al. 2023). Für die römische Wirtschaft  waren diese Minen jedenfalls von großer Bedeutung. Im Vorland war im heutigen Léon seit 68 n.Chr. eine Legion stationiert. 

Wasserleitung zum Bergwerk von Las Médulas
(Foto: Karkeixa, CC BY 3.0 via Wikimedia Commons)

 
Bergwerk von Las Médulas
(Foto: 
David Perez, CC BY 3.0 via Wikimedia Commons)

EFFIS zeigt, wie das Feuer sich aktuell nach Osten weg vom Minengebiet verlagert, wo es sich vielleicht auslaufen wird, da hier bereits eine zweite Feuerfront das brennbare Material verbraucht hat. Aktuell breitet sich diese zweite Front nach Nordosten aus. Das Kernareal des Begbaugebietes wird in EFFIS als bereits abgebrannt markiert, obwohl hier nur wenige Brände lokalisiert sind.

aktuelle Brände in Las Médulas, 
Die blaue Beschriftung gibt Hinweise auf die archäologischen Spuren des Bergbaus.
(Screenshot von EFFIS https://forest-fire.emergency.copernicus.eu/apps/effis_current_situation/
Copyright © European Union, 1995-2025, CC BY SA 4.0, Ergänzungen ´[dunkel blau] durch R. Schreg)
 

Eine Bestandsaufnahme soll in Las Médulas auch erst vorgenommen werden, wenn das Feuer vollständig unter Kontrolle ist. Es verwundert akso nicht, dass aus den Medien keine genauen Angaben über Schäden zu gewinnen sind. Der Abgleich von Branddaten aus EFFIS mit dem Schutzgebiet von Las Médulas  zeigt indes, dass der südliche Teil des Denkmals  ein Schwerpunkt der Brände war. Hier sind die Relikte der römischen Bergbau-Infrastrktur, insbesondere von Kanälen und Staubecken zu finden, die weniger spektakulär sind als die ruinierten Berge, aber wichtig für das Verständnis des ganzen Betriebs. 


Das Feuer bedroht nicht nur die touristische Infrastruktur des Parkes sondern auch das Geländedenkmal. Die Hitzeinwirkung kann das Gestein mürbe machen und originale Oberflächen beispielsweise mit Bearbeitungsspuren zerstören. Auch freigelegtes Mauerwerk kann hier Schaden nehmen. Immerhin hat das Feuer bislang einen Bogen um eine Siedlung nordöstlich der ruinierten Berge gemacht. Im letzten Bericht an die UNESCO 2024 (Periodic Reporting Cycle 3, Section II) war das Risiko durch Wildfeuer noch als irrelevant eingestuft worden.

Das wirft die Frage auf, wie gut wir auf das Risiko der Wildfeuer und Waldbrände für Gelände- und Bodendenkmäler vorbereitet sind. 


Literaturhinweis

  • Alejno et al 2023: Leandro R. Alejano/ Elena Martín/ Ignacio Pérez-Rey/ Brais X. Currás/ Fco.-Javier Sánchez-Palencia, Roman gold exploitation at the archeological site of Las Médulas (NW-Spain) by means of Ruina Montium: a rock and fluid mechanics perspective. 15th ISRM Congress 2023 & 72 nd Geomechanics Colloquium  -  https://www.researchgate.net/publication/374752860
  • Sánchez-Palencia 2000 : F.-Javier Sánchez-Palencia (Hrsg.), Las Médulas (León). Un paisaje cultural en la Asturia Augustana (León 2000). 
     


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Donnerstag, 10. Juli 2025

"Russen plündern über 100 Schätze auf der Krim" - auch aus UNESCO-Welterbe

Ein Bericht im Fokus lenkt die Aufmerksamkeit auf archäologische Funde der Krim.

Der Bericht bietet leider wenig konkrete Informationen, verweist aber auf die ukrainische Seite von RBC-Ukraine,  von wo aus man die interessante ukrainische Seite War-sanctions - Stolen Heritage erreicht. Sie listet archäologische Funde aus den russisch besetzten Gebieten in der Ost-Ukraine und auf der Krim. 

Zwei Fundstellen, die hier gelistet werden, möchte ich herausgreifen. 

 

Almalyk-Dere

Diese Fundstelle kenne ich aus der Zeit eines deutschen Krim-Projektes, das am RGZM in Mainz mit Mitteln der Leibniz-Gemeinschaft 2006-2009 durchgeführt wurde. In dem Gräberfeld waren damals bereits mehrere Kampagnen an Grabungen durchgeführt worden, die im Rahmen des Projektes publiziert wurden.
  • A. Gercen / M. Maczyńska / S. Černyš / A. Urbaniak / J. Bemmann / K. Schneider / I. Jakubczyk, Das frühmittelalterliche Gräberfeld von Almalyk-dere am Fuß des Mangup-Plateaus. In: S. Albrecht / F. Daim / M. Herdick (Hrsg.), Die Höhensiedlungen im Bergland der Krim. Umwelt, Kulturaustausch und Transformation am Nordrand des Byzantinischen Reiches. Monogr. RGZM 113 (Mainz 2013) 125–145. 
  • J. Bemmann / K. Schneider / A. Gercen / S. Černyš / M. Maczyńska / A. Urbaniak / U. von Freeden, Die frühmittelalterlichen Gräberfelder von Adym-Čokrak, Južnyj I und Južnyj II am Fuße des Mangup. Monogr. RGZM 108 (Mainz 2013). 

Es handelt sich um ein völkerwanderungszeitliches Grberfeld am Fuß der Höhensiedlung Mangup, die von byzantinischer Zeit bis in das 18. Jahrhundert hinein (kontinuierlich?) besiedelt war. Ausgehend von Simferopol fanden hier schon lange Ausgrabungen statt, die bis zur Unabhängigkeit der Ukraine in der Sovjetunion mit Unterstützung und Expertise aus Leningrad durchgeführt worden sind, Ein Ziel des deutschen  Engagements auf der Krim war es, diesen Forschungen wieder Zugang zu Ressourcen wie Analyse-Möglichkeiten zu bieten. Dabei waren wir uns bewusst, dass der Platz aus deutscher Sicht ein sensibler Forschungsplatz ist, wurde die Region um den Mangup und die benachbarte Festung Eski-Kermen doch während der deutschen Besatzung der Krim im Zweiten Weltkrieg zu einem wichtigen Hotspot der deutschen Propaganda. Ich selbst habe mich deshalb etwas intensiver mit der Aufarbeitung dieser forschungsgeschichtlichen Aspekte befasst.

  • R. Schreg, Zentren in der Peripherie: Landschaftsarchäologische Forschungen zu den Höhensiedlungen der südwestlichen Krim und ihrem Umland. In: F. Daim / J. Drauschke (Hrsg.), Byzanz – Das Römerreich im Mittelalter. Teil 3 Peripherie und Nachbarschaft. Monogr. RGZM 84/3 (Mainz 2010) 95–109. 
  • R. Schreg, Forschungen zum Umland der frühmittelalterlichen Höhlenstädte Mangup und Eski Kermen – eine umwelthistorische Perspektive. In: S. Albrecht / F. Daim / M. Herdick (Hrsg.), Die Höhensiedlungen im Bergland der Krim. Umwelt, Kulturaustausch und Transformation am Nordrand des Byzantinischen Reiches. Monogr. RGZM 113 (Mainz 2013) 403–445. 
  • R. Schreg, Zwischen Nazis und Sowjets. Archaeologik 28.6.2020. - https://archaeologik.blogspot.com/2020/06/zwischen-nazis-und-sowjets-die.html

Wir arbeiteten damals auch mit dem heutigen Grabungsleiter Valerij Naumenko, den die Seiten als illegalen Ausgräber brandmarken, zusammen, der als junger Nachwuchswissenschaftler als Assistent des damaligen Grabungsleiter Prof. Aleksandar Gercen von der taurischen Universität in Simferopol fungierte. Andere der damaligen Kollegen haben nach der russischen Okkupation 2014  die Krim verlassen und mit dem nach Kiew ausgewichenen Institut  gearbeitet.

Grabkammer in Almalyk dere
(Foto: R. Schreg, RGZM, 2007)

 

Bei der Kampagne 2024 wurden weitere Gräber geöffnet, mit offenbar reichen Funden aus Gold und Silber, die trotz Plünderungen auf diesem Gräberfeld durchaus häufig auftreten. Das Bild, mit dem das  Portal War-sanctions - Almalyk dere die Grabungen illustriert, gehört m.E. nicht zu den Grabungen im Gräberfeld Almalyk, das weitgehend im bewaldeten Hangbereich des Mangup liegt.

Völkerrechtlich sind diese Grabungen in besetztem Gebiet illegal. Es handelt sich am Almalyk und auf dem Mangup zunächst nicht um Notgrabungen, die sich ja noch irgendwie rechtfertige liesen, wenn auch das Gebiet zumindest früher massiv von Raubgräbern heimgesucht wurde. Über die aktuelle Situation ist nichts bekannt., da die ukrainische Seite keinen Unterschied zwischen Raubgrabungen und völkerrechtlich illegalen, aber fachlich wahrscheinlich akzektablen Notgrabungen differenzieren. Die früheren Grabungen  um 2006 waren in Bezug auf die Grabungstechnik nicht unproblematisch, da gezielt Gräber angegangen wurden, die von Raubgräbern aufgspürt wurden, d.h., man wurde damit auf die Grabkammern gelenkt, konnte aber so nicht feststellen, ob ggf. kleinere, ärmere Gräber dazwischen lagen oder ob jüngere beigbenlose irgendwo im Anschluß an das Gräberfeld lagen. Die aktuell vorliegenden Informationen über die nun russischen Grabungen lassen kein Urteil darüber zu, ob nun besser oder schlechter gegraben wird, als dies unter ukrainischer Aufsicht geschah.

Die Seite  https://ciss.org.ua/en/map.html  des Crimean Institute for Strategic Studie präsentiert ebenfalls eine Liste der Kulturgutzerstörungen inklusive aller Grabungen, die auf der Krim nach 2014 ohne Genehmigung der ukrainischen Behörden durchgeführt wurden. Die Beschreibungen wurden offenbar von Archäologen vorgenommen, bieten aber leider keine Quellen zu den Aussagen über die russischen Grabungen und sind wohl auch nicht mehr aktuell. Die neuen Seiten der War-Sanctions bieten zu den Fundstellen zahlreiche Links zu Internetquellen, in denen über die illegalen Grabungen berichtet wird.

Chersonessos

Die zweite Fundstelle, die es zu thematisieren gilt betrifft den Skandal, der in den westlichen Medien trotz seiner Brisanz verhältnismäßig wenig registriert wurde: Da lässt Putin ins Weltkulturerbe eine Propagandastätte bauen, wobei in der Pufferzone des UNESCO-Welterbe nur Alibi-Grabungen durchgeführt werden. War-Sanctions charakterisiert den Vorfall wie folgt:
"In der Nähe von Chersonesos Tavriya befand sich eine antike Nekropole mit frühchristlichen Bestattungen sowie eine Vorstadt. Hier ließen sich Veränderungen im Bestattungsritus sowie die Entstehung des Klosters der Jungfrau Maria auf dem Jungfrauenhügel beobachten, das nach dem Tod von Chersonesos weitergeführt wurde. Dieses Kloster wird in türkischen Quellen des 16. Jahrhunderts erwähnt. Im Rahmen des Projekts des sogenannten „Neuen Historischen und Archäologischen Parks Chersonesos“ führten die Besatzer illegale archäologische Ausgrabungen und Bauarbeiten auf dem Gelände von Militäreinheiten an der Drevniy- und der Jeroshenko-Straße durch, das Teil des zukünftigen Schutzgebiets und der Pufferzone des Schutzgebiets der Taurischen Siedlung Chersonesos ist. Bei diesen Ausgrabungen wurde die Kulturschicht der Antike, des Mittelalters, der Neuzeit und der Gegenwart auf einer Fläche von 85.797 Quadratmetern zerstört. Zerstört wurden eine antike Nekropole mit Bestattungen nach Erd- und Einäscherungsritualen, Krypten mit vielfältiger und reicher Grabbeigabe sowie rituelle Architekturstrukturen; eine frühchristliche Nekropole mit in den Fels gehauenen Grabkrypten mit komplexer Architektur; hydraulische Strukturen zur Wasserrückgewinnung (Zisternen und Brunnen), Nymphen, Taufbecken; Wirtschafts- und Industriegebäude, Straßen, Stütz- und Verteidigungsmauern; französische Schane aus dem Krimkrieg von 1854–1855, jurtenartige Strukturen aus dem 19. Jahrhundert; Wirtschaftsgebäude aus dem frühen 20. Jahrhundert; Spuren der Verteidigung Sewastopols im Zweiten Weltkrieg. Insgesamt wurden 6.495.877 Gegenstände sichergestellt, davon 351.780 Gegenstände mit Museumswert, die gestohlen und der Rest zerstört wurden. Mehr als 900.000 Knochenreste osteologischen und anthropologischen Materials wurden sichergestellt. " (übersetzt mit Google Translator)

War-Sanctions bildet Tafeln aus wissenschaftlichen Publikationen ab, zitiert diese aber nicht. Bislang ist es mir nicht gelungen, diese zu identifizieren. Wahrscheinlich wäre damit besser zu beurteilen, wie zerstörerisch die Ausgrabungen tatsächich waren. Nebenbei bemerkt befindet sich unter den Funden auch die Formschüssel für Reliefkeramik, möglicherweise Terra Sigillata (https://war-sanctions.gur.gov.ua/en/stolen/objects/3683).

Die UNESCO scheint diese  massiven Eingriffe in das Welterbe zu ignorieren. Auf dem aktuellen 47.  UNESCO-Treffen wurde das Thema offenbar umgangen.

Anders als es die Medienberichte und die War-Sanctions vermitteln, geht es nur zweitrangig um geklaute Funde oder "Schätze", sondern um völkerrechtlich illegale Grabungen. Inhaltlich muss man hier differenzieren. Während die Grabungen am Mangup und Almalyk-dere, die früher mit ukrainischer Lizenz durchgeführt wurden, wohl den gewohnten Standards entsprechen, wurden am UNESCO-Welterbe Cherson mutwillig archäologische Quellen für ein Propaganda-Projekt Putins zerstört. Hier wäre eigentlich zu erwarten, dass die UNESCO sich dazu zumindest einmal äußert. Bislang jedenfalls blieb dieser ungeheuerliche und sehr sprechende Vorgang auffallend unbeachtet.


interne Links

  • Beiträge auf Archaeologik zur Krim

Änderungsvermerk 17.8.2025: 
einige Typos korrigiert 
Im Originaltext stand an einer Stelle "Forschungsgrabungen", wo Notgrabungen gemeint waren

Montag, 7. April 2025

Niedrigwasser am Bodensee: Klimawandel betrifft auch Pfahlbauten

Aktuell werden insbesondere vom Untersee des Bodensees extrem nedrige Waserstände gemeldet. Der Hafen von Mannenbach gegenüber der Insel Reichenau auf der Schweizer Seite ist trocken gefallen.  Auch am Pegelstand Konstanz ist der Niedrigstand zu beobachten, doch ist insbesondere der Untersee betroffen. Der Durchfluss durch den Seerhein schafft  derzeit nicht genügend Wasser ausgleicht. Betroffen vom Niedrigwasser sind auch weitere Seen in der Schweiz, die bisher unkritisch gesehen werden,  

Ursache der neidrigen Wasserstände ist die aktuelle Trockenheit mit ausbeleibenden Regenfällen wie auch die geringe Menge an Schmelzwasser nach einem schneearmen Winterhalbjahr.  Seit 1974  war der Wasserstand nicht mehr so niedrig wie derzeit.

Wollmatinger Ried, März 2025. Nach der Aufnahme ist der Wasserstand weiter gesunken
(Foto: R. Schreg)

 

Die Uferzone des Untersee ist ein Kernberich des UNESCO-Welterbes "Prähistorischen Pfahlbauten um die Alpen". Hier liegen die Stationen auf der Insel Werd, Wangen-Hinterhorn, Hornstaad-Hörnle, Allensbach-Strandbad und Wollmatingen-Langenrain,. Inzwischen ist bekannt, dass sich in der Uferzone der Insel Reichenau auch mittelalterliche Palisadenanlagen unter Wasser erhalten haben. Daneben liegen in den Sedimenten der Uferzone aber auch Funde und Befunde der historischen Fischerei und Schiffahrt.

Unter Sauerstoffabschluß unter dem Wasserspiegel haben sich hier organische Reste erhalten, die anderswo längst verrottet sind. Schon vor Jahren wurde der Klimawandel als Risiko für den Erhalt der Pfahlbaustationen am Bodensee erkannt.  Problematisch ist nicht nur, dass Fundstellen trocken fallen und dadurch organische Reste dem Sauerstoff und der Verrottung ausgesetzt werden, sondern dass veränderter Wellengang bislang stabile Sedimente angreift und aberodiert. "Durch den Abtrag der schützenden Sedimentschichten treten die Kulturschichten oder Pfahlreste zutage, werden mikrobiell zersetzt oder durch Wellengang und Abrieb mit Sedimentpartikeln mechanisch zerstört. Bei winterlich niedrigem Wasserstand am Bodensee kommt es zusätzlich zum Ausfrieren der wassergesättigten Keramik und Bauhölzer, die daraufhin in ihre Bestandteile zerfallen (Frostsprengung,)" (Ostendorp u.a. 2007, 233).

Niedrige Wasserstände sind zwar ein wesentlicher Trigger der Forschung, haben überhaupt erst zur Entdeckung der Pfahlbauten überhaupt geführt. Immer wieder wurden Funde bei Niedrigwasser gemacht, so beispielsweise 2005/06 an der Insel Werd (EschenzTG), wo neben den Pfahlbauten auch Reste einer römischen Rheinbrücke sowie mittelalterliche Befunde  (https://archeobase.ch/ark:/17447/x34022). Zugleich aber sind die Niedrigstände eine Periode erhöhter Gefährdung durch Wellenschalg, Austrocknung, ggf. aber auch unkontrolliertes Absammeln.

Die genaue Situation ist bei jeder Fundstelle etwas anders, da teilweise noch schützende Schlickpakete vorhanden sind, die das aktuelle Risiko etwas abmildern. Die Fundstelle Wangen-Hinterhorn ist bereits im Sinne einer konservatorischen Überdeckung mit Geotextil und Kies abgedeckt und es erfolgt ein Monitoring durch das Landesamt für Denkmalpflege (Hagmann u.a. 2011, ). 

 

Aktuelle Medienberichte

weitere Links

Literaturhinweis

  • „Was haben wir aus dem See gemacht?“. Kulturlandschaft Bodensee Teil II – Untersee. Zweite Tagung der Projektgemeinschaft des Arbeitskreises Denkmalpflege am Bodensee, 12. Oktober 2001. Arbeitshefte Landesamt für Denkmalpflege 12  (Stuttgart 2001). -  ISBN 978-3-8062-1792-6 
  • S. Hagmann/ H. Schlichtherle/ U. Schlitzer, UNESCO-Welterbe. Prähistorische Pfahlbauten um die Alpen. Denkmalschutz in Baden-Württemberg und Bayern (Stuttgart 2011) - https://www.unesco-pfahlbauten.org/fileadmin/media/pfahlbauten/PDF/Broschuere_Weltkulturerbe_Pfahlbauten.pdf
  • W. Ostendorp / H. Brem / M. Dienst / K. D. Jöhnk / M. Mainberger / M. Peintinger / P. Rey / H. Rossknecht / H. Schlichtherle / D. Straile, Auswirkungen des globalen Klimawandels auf den Bodensee. Schriften des Vereins für Geschichte des Bodensees und seiner Umgebung 125, 2007, 199–244. - http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:352-opus-38282

 

 

 

Donnerstag, 21. November 2024

Palmyra wird erneut Kriegsschauplatz

Bei einem israelischen Angriff auf die syrische Stadt Palmyra sind nach syrischen Angaben 36 Menschen getötet worden, nach anderen Quellen gar 41 Menschen. Die staatliche Nachrichtenagentur Sana berichtete zudem, dass bei dem Angriff mehr als 50 Menschen verletzt worden seien. Unter den Toten seien laut SANA Kämpfer proiranischer Milizen gewesen, meldeten die Aktivisten der Beobachtungsstelle. Die israelische Luftwaffe habe drei Ziele im Industriegebiet in der Oasenstadt angegriffen. Die getroffenen Gebäude seien stark beschädigt worden. 

Zuvor hatte die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte mit Sitz in Großbritannien hingegen berichtet, dass die Schläge Ziele in der Nähe des historischen Teils der Stadt getroffen hätten.




Palmyra 1993
(Foto M. Scholz)

Palmyra in der zentralsyrischen Wüste zählt zum Weltkulturerbe der Unesco und war bereits im syrischen Bürgerkrieg  Schauplatz schwerer Kampfhandlungen. . 2015 nahm die r Terrororganisation Islamischer Staat (Daesh) den Ort ein und zerstörte dort  gezielt Kulturdenkmäler der antiken Stadt, bevor sie 2017 aus Palmyra vertrieben wurde. Zerstörung und Schutz des Kulturerbe wurden wichtige Propagandabotschaften von Seiten des IS wie von Seiten Russlands.

Seit kurzem führt die israelische Luftwaffe auch Angriffe auf Baalbek im Libanon, ebenfalls UNESCO Weltkulturerbe, durch Seit dem letzten Blog hierzu auf Archaeologik kam es zu weiteren Angriffen. Bislang ist nichts von Schäden in den Ruinengelände selbst bekannt geworden.



Links


Samstag, 9. November 2024

Die Ruinen von Baalbek - Welterbe im palästinensisch-israelischen Krieg

Am 28.10.2023 forderte Israel die Bewohner von Baalbek im Nordosten des Libanon auf, die Stadt wegen bevorstehender Angriffe gegen die Hisbollah zu verlassen.

Baalbek ist bekannt wegen der gut erhaltenen römischen Tempel, die zum UNESCO-Weltkulturerbe rechnen: https://whc.unesco.org/en/list/294/

Bacchus-Tempel in Baalbek
(Foto: Lodo, CC BY SA 2.0 via WikimediaCommons)


Viel wurde in den deutschen Medien Ende Oktober über die bevorstehenden israelischen Angriffspläne berichtet. U.a.:

Und die Perspektive von Aljazeera, die der Stadtgeschichte relativ weiten Raum gibt:

Bereits fast zwei Wochen zuvor veröffentlichte ICOMOS ein Statement:

Wenig ist in den deutschen Medien nun über Opfer und Schäden der tatsächlich erfolgten Luftangriffe zu lesen.  Im September wurden bereits einige Ziele wenige Kilometer nördlich der Stadt angegriffen.

Bildmaterial verschiedener Agenturen (AFP,  ZUMAPress) zeigt nun massive Zerstörungen nur wenig von den Ruinen der römischen Thermen am Südwestrand des Denkmälerkomplexes entfernt. Die Zerstörungen betreffen den Bereich des berühmten, 1874 errichteten  Hotels Palmyra, eines der ältesten Hotels des Libanon, in dem neben dem deutschen Kaiser auch Nina Simone übernachtete (Spiegel 2016).  Seine Geschichte gilt als ein Abbild der Geschichte des modernen Libanon mit direktem Bezug zu dessen älterem Erbe.



In einem Artikel von 2012  hatten die Autoren die Risiken für das UNESCO- Kulturerbe in Baalbek diskutiert und neben dem Erdbebenrisiko und dem - teils durch Altrestaurierungen begünstigten - Zerfall der Ruinen auch bewaffnete Konflikte und den Toursimus als Risikofaktoren benannt (Smars u.a. 2012). Damals wurde als dringende Maßnahme eine genauer Dokumentation der Ruinen gefordert. Ob das inzwischen in Angriff genommen oder gar erledigt werden konnte, entzieht sich meiner Kenntnis. Immerhin kann hier auf ein schon seit 2001 laufendes Projekt des Deutschen Archäologischen Instituts verwiesen werden. Dabei ist auch eine 3D-Rekonstruktion des Tempelkomplexes entstanden. Zwischen 2016 und 2018 wurde ein vom Auswärtigen Amt finanziertes und vom DAI und dessen libanesischen Partner durchgeführtes Konservierungs- und Präsentationsprojekt durchgeführt, das größere Teile der archäologischen Stätten abdeckte (van Ess/ Abdul Massih 2021).

Die Prominenz von Baalbek führt den drohenden Kulturgutverlust auch im aktuellen palästinenisch-israelischen Krieg vor Augen. Dabei wurden im südlichen Libanon aber auch im Gazastreifen nach einigen Angaben  in den Social Media zahlreiche Moscheen, Schreine, Kirchen und historische Burgen zerstört, ohne dass dies im Augenblick genauer dokumentiert oder verifizierbar erscheint. Genannt werden u.a. die Kreuzfahrerburg Toron/Qalʿat Tibnīn.
 
 

 Literaturhinweise

  • Margarete van Ess/ Jeanine Abdul Massih, The Challenges Facing the World Heritage Site of Baalbek and the Importance of the Involvement of the German Archaeological Institute – German Expedition.  ICOMOS – Hefte des Deutschen Nationalkomitees 79, 2021, 69-77. DOI: https://doi.org/10.11588/ih.2021.1.87251
  • S.E. Paturel, Baalbek-Heliopolis, the Bekaa, and Berytus from 100 BCE to 400 CE, (Leiden 2019)  194-246. - https://doi.org/10.1163/9789004400733_010  
  • P.I. Smars. A. Seif, M. Santana, Defining the structural risk at the archaeological site of Baalbek. Tangible Risks, Intangible Opportunities: Long-term Risk Preparedness and Responses for Threats to Cultural Heritage (2012) 115-124. - https://smars.yuntech.edu.tw/papers/beijing2012.pdf

 weitere Links

 
 

Sonntag, 4. August 2024

Russische Geschichtsfantasy in Chersonesos: UNESCO-Welterbetitel muss aberkannt werden

Dass die russische Besetzung der Krim nichts Gutes für die archäologischen Befunde in Chersonesos zu bedeuten hat, war abzusehen. Bereits kurz nach der Besetzung der Krim brachte Putin die Fundstelle unter direkte Kontrolle des Kulturministeriums in Moskau. Bei einem Besuch 2015 ergriff er die Initiative für "den größten Museumskomplex in Russland als ein spirituelles und pädagogisches Zentrum in der Nähe des antiken Chersones, das der Geschichte der russischen Orthodoxie und des Weltchristentums gewidmet ist.„ 2017 sprach Vladimir Putin von „der Notwendigkeit, Chersones zu einem gesamtrussischen historischen Zentrum zu entwickeln, das mit der Bildung der russischen Nation und eines einheitlichen russischen Staates verbunden ist“ (http://фондмояистория.рф/o-fonde/). “Eine breite öffentliche Darstellung von Chersones als nationalem, sakralem Zentrum Russlands wird es ermöglichen, im internationalen Informationsbereich ein klares und eindeutiges Verständnis für die grundlegende Bedeutung der Krim als historische Taufstätte und unveräußerlichem Teil des russischen Staates zu schaffen”.

   Vladimir-Kathedrale inmitten der antiken Fundstelle
von Chersonessos 
(Foto: R.Schreg/RGZM, 2007)
Im Juli 2024 vermeldet die Stiftung, dass der 2022 begonnene Bau der Anlagen in New Resos abgeschlossen werde. Auf 24 ha befinden sich nun Gebäude und Bauwerke mit einer Gesamtfläche von 40.000 m², die ein einzigartiges Garten- und Parkensemble bilden, so sei neben dem antiken Chersonesos eine echte byzantinische Stadt entstanden, die Besucher mit ihrer Größe und Schönheit beeindrucke. Zu der Anlage gehören drei Museen, nämlich das Museum des Christentums, das Museum für Antike und Byzanz sowie das Museum der Krim und Neurussland. Zum Komplex gehören weiterhin ein “Tempelpark”, ein modernes Amphitheater mit 1200 Plätzen für historische Aufführungen, Rekonstruktionen von Schlachten und Gladiatorenkämpfen sowie Aufführungen von Werken antiker und moderner Autoren. Geplant sind "Massenveranstaltungen mit theatralischen Prozessionen und Karneval”. Der Schwerpunkt der Darstellung soll hier auf den letzten Jahrhunderten liegen, weil sich herausgestellt habe, "dass die Geschichte der Halbinsel untrennbar mit unserem Land verbunden war." Im Mittelpunkt soll hier ein Markt stehen, dessen Beschreibung auf den Seiten von my history, stark nach einem historischen Trödelmarkt klingt (http://фондмояистория.рф/novosti/muzejno-xramovyij-kompleks-%C2%ABnovyij-xersones%C2%BB.html)..

Ein Post der russischen Botschaft in Südafrika auf TwiX zeigt einige Bilder der Anlage.



Eine russische Nachrichtensendung von HTC Sevastopol auf youtube vermittelt weitere Eindrücke:
Auf youtube steht auch erste Touristen-Video:s
Im April 2024 kündigte Putin zudem die Eröffnung eines Jugendbildungszentrums in Chersonesos an. Es soll noch dieses Jahr in Betrieb gehen. Der Bau wird von "Spezialisten des militärisch-industriellen Komplexes des russischen Verteidigungsministeriums errichtet” (http://фондмояистория.рф/novosti/kopiya-v-obrazovatelnom-czentre-mashuk-rasskazali-o-proektax-fonda.html).

Zur Umsetzung des Projektes wurde eine Stiftung "My History", mit Sitz in Moskau gegründet, die Wissenschaftler des Instituts für Archäologie und des Instituts für russische Geschichte der russischen Akademie der Wissenschaften sowie die Universität Moskau und andere akademische Institute einbindet.

Der neuen Stiftung my History wurden inzwischen viele weitere Geschichtsparks in Russland unterstellt in vier Regionen und insgesamt 24 Städten darunter auch Novgorod (http://фондмояистория.рф/proekty/rossiya-moya-istoriya/)

Aus Anlaß der Eröffnung des Parks im Probebetrieb am 30.7.2024 wurde der Park als Thema in den Medien aufgegriffen.
Die Bezeichnung des Putin'schen Geschichtsparks als Disneyland zieht sich durch fast alle Berichte. Disneyland ist zwar auch nicht Ideologie-frei, dient aber vorrangig der Unterhaltung und ist klar ein Ort der Phantasie. Neu-Cherson versucht jedoch, sein Publikum zu betrügen, indem es vorspiegelt, reales historisches Wissen zu vermitteln. Ein Blick auf die Fotos und Videos der Neubauten macht auf den ersten Blick klar, dass es hier nicht um archäologische Rekonstruktionen geht. Die gebauten Komplexe haben nichts mit den sehr viel kleineren ergrabenen Bauten der antiken Stadt und erst recht nicht mit der mittelalterlichen Stadt zu tun. So prunkvoll und edel war die Antike nicht - und sicher nicht zu Zeiten Vladimirs. Es geht hier nicht um Geschichtsvermittlung, sondern um Geschichtskonstruktion, die einen russischen Machtanspruch darstellen und legitimieren soll. Die Bauten erinnern mehr an neuzeitliche Herrschaftsarchitektur und Putins Prunkpalast als an byzantinische Bauten.

Die aktuellen Berichte suggerieren, dass das Gelände des Ruinengeländes der antiken Stadt durch den neuen Park überbaut und zerstört wurde. Das Zentrum des neuen Putinparks liegt jedoch südlich des antiken Stadtareals. Vor einigen Jahren befanden sich hier Militär-, Industrie- und Gewerbeflächen. In der Kartierung des UNESCO-Weltkulturerbes liegt das Areal außerhalb des eigentlichen Schutzgebietes, wohl aber in der Buffer-Zone, in die auch weit abseits gelegene Reste der antiken Flureinteilung der Halbinsel eingestuft worden sind.

 

Die antike Stadt Chersonesos westlich von Sevastopol
mit Eintrag der Flächen, die nach GoogleEarth seit 2014 umgestaltet wurden (Graphik R. Schreg)
 

 
Die Darstellung, eine “Überbauung in Chersones und dem archäologischen Park würde Präsident Putin richtige Geschichte durch Fake-Geschichte ersetzen.” (SRF) ist also nicht völlig zutreffend. Gleichwohl war das nun überbaute Gelände nicht frei von archäologischen Befunden. In der Antike lag hier vor der Befestigung die südliche Vorstadt. Ende des 19. und zu Beginn des 20. Jahrhunderts wurden hier eine große Nekropole entdeckt sowie ein Handerwerkerviertel der hellenistischen Zeit mit Töpfereibetrieben. Im Vorfeld der Park-Neubauten wurden 2020/21 in kürzester Zeit Notgrabungen durchgeführt, bei denen unter anderem ein Anten-Tempel des 4. Jh. v.Chr. ausgegraben wurde, dessen Fundamente nun in dem neuen Gelände konserviert sind (Erläuterungstafel erkennbar in Touristen-Video). 
Das Umfeld der antiken Stadt ist durch Militäranlagen im 19. und 20. Jahrhundert schon lange tief gestört; wie viele Befunde in dem betreffenden Areal vor den Baumaßnahmen erhalten waren, lässt sich nicht mit Sicherheit bestimmen. Allerdings sind die Ausgrabungen in Luftbildern bei Google Earth zu erkennen. Deutlich wird, dass sehr schnell und großflächig, aber in 4 x 4 m großen Grabungschnitten ausgegraben wurde, obwohl schon auf den Luftbildern zahlreiche Befunde der Vorstadtbebauung zu erkennen sind.
Angesichts der Zerstörung der Grabungsbefunde lässt sich hier durchaus von einer Ausradierung der realen Geschichte zugunsten einer Fake-Geschichte reden. Man kann gespannt sein, wie die Ausgrabungen publiziert werden. Angeblich liegen mehrere Millionen an Funden vor.  Eine seriöse Publikation wird ganz sicher und eindeutig belegen, dass Putins Rekonstruktionen völlige Fantasie sind. Ob die Publikation zensiert werden wird (oder sich die Kolleg*innen in Selbstzensur üben [müssen]), wird sich zeigen.

Grabungsflächen in der südlichen Vorstadt von Chersonesos
von Juni 2021 bis Juni 2022 nach Google Earth. 
Der Ausschnitt zeigt nur einen kleinen Teil der Grabungen
nahe des alten Zugangs zum Ruinengelände.



Nach ukrainischer Einschätzung handelt es sich jedenfalls um die “weltweit zerstörerischsten Aktivitäten an einer Stätte der antiken Archäologie. In den Jahren 2021–2023 wurden 85.000 Quadratmeter der Kulturschicht zerstört, etwa 4 Millionen Objekte und mehr als 1.500 archäologische Komplexe entfernt (nach Angaben der Besatzungsverwaltung).”
  • vgl. https://ciss.org.ua/en/map.html mit Zoom auf Chersonesos - Die Seite des Crimean Institute for Strategic Studie präsentiert eine Liste der Kulturgutzerstörungen inklusive aller Grabungen, die auf der Krim nach 2014 ohne Genehmigung der ukrainischen Behörden durchgeführt wurden. Die Beschreibungen wurden offenbar von Archäologen vorgenommen, bieten aber leider keine Quellen zu den Aussagen über die russischen Grabungen. Im Falle einiger Aussagen über die Höhensiedlung Mangup wurden offenbar die Publikationen in der Zeitschrift MAYET ausgewertet.

Zweifellos ist der Putinpark eine nicht zu rechtfertigende Zerstörung archäologischer Quellen. Wissenschaftliche Seriosität gebietet es, dem dort ptäsentierten Geschichtsbild (da ist auch mit Führungen oder seriösen Ausstellungen vor Ort nichts mehr zu retetn) vehement zu widersprechen - aber auch, dass auch ukrainische Propaganda nicht unbesehen wiederholt und verbreitet wird. Die Medienberichte blieben hier allesamt sehr unkritisch und folgen den Darstellungen der Interviewpartner, die überwiegend nicht als Wissenschaftler, sondern als Kriegsbeobachter und -kommentatoren agieren.

Anzumerken ist deshalb auch, dass bei der berechtigten Empörung auf ukrainischer Seite fragwürdige Eingriffe in die archäologische Stätte bereits vor der russischen Okkupation eingesetzt haben. Ein Vergleich der historischen Luftbilder auf Google Earth zeigt, dass bereits 2008 im Umfeld der modernen Vladimir-Kathedrale einige Gebäude in das Ruinengelände gebaut worden sind. Auch die Anlage eines Gartens und der Ausbau des Theaters ist bereits auf einem Luftbild des Jahres 2012 zu erkennen. Die Installationen im Theater scheinen nun indes größer und schwerer geworden zu sein.

GoogleEarth zeigt kein beruhigendes Bild, aber ein anderes als es in aktuellen Medienberichten wiederholt wird. Neu-Chersonesos ist ein Propagandaprojekt, das abermals die Bedeutung der Geschichtspolitik in Putins Herrschaftsdenken belegt. 

Putin als Plünderer der Antike im August 2011
(Foto: Kreml, CC BY 4.0 via WikimediaCommons)


 

Fazit: UNESCO-Welterbetitel muß aberkannt werden

Der Status als UNESCO-Welterbe muss Chersonesos aberkannt werden! Angesichts der Tatsache, dass die UNESCO dies schon bei geringeren Eingriffen getan hat, ist es zwingend geboten, dass die UNESCO in Moskau protestiert und den Welterbetitel auch entzieht. Putins-Propaganda-Geschichte darf nicht durch ein Welterbelabel aufgewertet werden.

 


weitere Links

interne Links

  • Beiträge auf Archaeologik zur Krim

 

Literaturhinweise

  • J.C. Carter (Hrsg.), Crimean Chersonesos: City, Chora, Museum, and Environs (Austin 2003)
 

Änderungsvermerk 17.8.2025: 
einige Typos korrigiert