Ein Bericht im Fokus lenkt die Aufmerksamkeit auf archäologische Funde der Krim.
- Illegale Ausgrabungen: Russland plündert auf der Krim über 100 Schätze. Focus 9.7.2025. - https://www.focus.de/politik/ausland/ueber-100-schaetze-gepluendert-russlands-archaeologen-im-visier-des-geheimdienstes_d047bd0b-a959-450c-a3d8-a33354543e5a.html
Der Bericht bietet leider wenig konkrete Informationen, verweist aber auf die ukrainische Seite von RBC-Ukraine, von wo aus man die interessante urkainische Seite War-sanctions - Stolen Heritage erreicht. Sie listet archäologische Funde aus den russisch besetzten Gebieten in der Ost-Ukraine und auf der Krim.
Zwei Fundstellen, die hier gelistet werden, möchte ich herausgreifen.
Almalyk-Dere
- A. Gercen / M. Maczyńska / S. Černyš / A. Urbaniak / J. Bemmann / K. Schneider / I. Jakubczyk, Das frühmittelalterliche Gräberfeld von Almalyk-dere am Fuß des Mangup-Plateaus. In: S. Albrecht / F. Daim / M. Herdick (Hrsg.), Die Höhensiedlungen im Bergland der Krim. Umwelt, Kulturaustausch und Transformation am Nordrand des Byzantinischen Reiches. Monogr. RGZM 113 (Mainz 2013) 125–145.
- J. Bemmann / K. Schneider / A. Gercen / S. Černyš / M. Maczyńska / A. Urbaniak / U. von Freeden, Die frühmittelalterlichen Gräberfelder von Adym-Čokrak, Južnyj I und Južnyj II am Fuße des Mangup. Monogr. RGZM 108 (Mainz 2013).
Es handelt sich um ein völkerwanderungszeitliches Grberfeld am Fuß der Höhensiedlung Mangup, die von byzantinischer Zeit bis in das 18. Jahrhundert hinein (kontinuierlich?) besiedelt war. Ausgehend von Simferopol fanden hier schon lange Ausgrabungen statt, die bis zur Unabhängigkeit der Ukraine in der Sovjetunion mit Unterstütung und Expertise aus Leningrad durchgeführt worden sind, Ein Ziel des deutschen Engagements auf der Krim war es, diesen Forschungen wieder Zugang zu Ressourcen wie Analyse-Möglichkeiten zu bieten. Dabei waren wir uns bewusst, dass der Platz aus deutscher Sicht ein sensibler Forschungsplatz ist, wurde die Region um den Mangup und die benachbarte Festung Eski-Kermen doch während der deutschen Besatzung der Krim im Zweiten Weltkrieg zu einem wichtigen Hotspot der deutschen Propaganda. Ich selbst habe michdeshalb etwas intensiver mit der Aufarbeitung dieser forschungsgeschichtlichen Aspekte befasst.
- R. Schreg, Zentren in der Peripherie: Landschaftsarchäologische Forschungen zu den Höhensiedlungen der südwestlichen Krim und ihrem Umland. In: F. Daim / J. Drauschke (Hrsg.), Byzanz – Das Römerreich im Mittelalter. Teil 3 Peripherie und Nachbarschaft. Monogr. RGZM 84/3 (Mainz 2010) 95–109.
- R. Schreg, Forschungen zum Umland der frühmittelalterlichen Höhlenstädte Mangup und Eski Kermen – eine umwelthistorische Perspektive. In: S. Albrecht / F. Daim / M. Herdick (Hrsg.), Die Höhensiedlungen im Bergland der Krim. Umwelt, Kulturaustausch und Transformation am Nordrand des Byzantinischen Reiches. Monogr. RGZM 113 (Mainz 2013) 403–445.
- R. Schreg, Zwischen Nazis und Sowjets. Archaeologik 28.6.2020. - https://archaeologik.blogspot.com/2020/06/zwischen-nazis-und-sowjets-die.html
Wir arbeiteten damals auch mit dem heutigen Grabungsleiter Valerij Naumenko, den die Seiten als illegalen Ausgräber brandmarken zusammen, der als junger Nachwuchswissenschaftler als Assistent des damaligen Grabungsleiter Prof. Aleksandar Gercen von der aurischen Universität in Simferopol fungierte. Andere der damaligen Kollegen haben nach der russischen Okkupation 2014 die Krim verlasen und mit dem nach Kiew ausgewichenen Institut gearbeitet.
Grabkammer in Almalyk dere (Foto: R. Schreg, RGZM, 2007) |
Bei der Kampagne 2024 wurden weitere Gräber geöffnet, mit offenbar reichen Funden aus Gold und Silber, die trotz Plünderungen auf diesem Gräberfeld durchaus häufig auftreten. Das Bild, mit dem das Portal War-sanctions - Almalyk dere die Grabungen illustriert gehört m.E. nicht zu den Grabungen im Gräberfeld Almalyk, das weitgehend im bewaldeten Hangbereich des Mangup liegt.
Völkerrechtlich sind diese Grabungen in besetztem Gebiet illegal. Es handelt sich am Almalyk und auf dem Mangu zunächst nicht um Notgrabungen, die sich ja noch irgendwie rechtfertige liesen, wenn auch das Gebiet zumindest früher massiv von Raubgräbern heimgesucht wurde. Über die aktuelle Situation ist nichts bekannt., da die ukrainische Seite keinen Unterschied zwischen Raubgrabungen und völkerrechtlich illegalen, aber fachlich wahrscheinlich akzektablen Forschungsgrabungen differenzieren. Die früheren Grabungen um 2006 waren in Bezug auf die Grabungstechnik nicht unproblematisch, da gezielt Gräber angegangen wurden, die von Raubgräbern aufgspürt wurden, d.h., man wurde damit auf die Grabkammern gelenkt, konnte aber so nicht feststellen, ob ggf. kleinere, ärmere Gräber dazwischen lagen oder ob jüngere beigbenlosen irgendwo im Anschluß an das Gräberfeld lagen. Die aktuell vorliegenden Informationen über die nun russischen Grabungen lassen kein Urteil darüber zu, ob nun besser oder schlechter gegraben wird, als dies unter ukrainischer Aufsicht geschah.
Die Seite https://ciss.org.ua/en/map.html des Crimean Institute for Strategic Studie präsentiert ebenfalls eine Liste der Kulturgutzerstörungen inklusive aller Grabungen, die auf der Krim nach 2014 ohne Genehmigung der ukrainischen Behörden durchgeführt wurden. Die Beschreibungen wurden offenbar von Archäologen vorgenommen, bieten aber leider keine Quellen zu den Aussagen über die russischen Grabungen und sind wohl auch nicht mehr aktuell. Die neuen Seiten der War-Sanctions bieten zu den Fundstellen zahlrecihe Links zu Internetquellen, in denen über die illegalen Grabungen berichtet wird.
- https://ukrainaincognita.com/ru/rosiyski-hrobokopachi-vcherhove-pryvlasnyly-skarby-krymu-foto
- https://archive.ph/GYiCM
Chersonessos
"In der Nähe von Chersonesos Tavriya befand sich eine antike Nekropole mit frühchristlichen Bestattungen sowie eine Vorstadt. Hier ließen sich Veränderungen im Bestattungsritus sowie die Entstehung des Klosters der Jungfrau Maria auf dem Jungfrauenhügel beobachten, das nach dem Tod von Chersonesos weitergeführt wurde. Dieses Kloster wird in türkischen Quellen des 16. Jahrhunderts erwähnt. Im Rahmen des Projekts des sogenannten „Neuen Historischen und Archäologischen Parks Chersonesos“ führten die Besatzer illegale archäologische Ausgrabungen und Bauarbeiten auf dem Gelände von Militäreinheiten an der Drevniy- und der Jeroshenko-Straße durch, das Teil des zukünftigen Schutzgebiets und der Pufferzone des Schutzgebiets der Taurischen Siedlung Chersonesos ist. Bei diesen Ausgrabungen wurde die Kulturschicht der Antike, des Mittelalters, der Neuzeit und der Gegenwart auf einer Fläche von 85.797 Quadratmetern zerstört. Zerstört wurden eine antike Nekropole mit Bestattungen nach Erd- und Einäscherungsritualen, Krypten mit vielfältiger und reicher Grabbeigabe sowie rituelle Architekturstrukturen; eine frühchristliche Nekropole mit in den Fels gehauenen Grabkrypten mit komplexer Architektur; hydraulische Strukturen zur Wasserrückgewinnung (Zisternen und Brunnen), Nymphen, Taufbecken; Wirtschafts- und Industriegebäude, Straßen, Stütz- und Verteidigungsmauern; französische Schane aus dem Krimkrieg von 1854–1855, jurtenartige Strukturen aus dem 19. Jahrhundert; Wirtschaftsgebäude aus dem frühen 20. Jahrhundert; Spuren der Verteidigung Sewastopols im Zweiten Weltkrieg. Insgesamt wurden 6.495.877 Gegenstände sichergestellt, davon 351.780 Gegenstände mit Museumswert, die gestohlen und der Rest zerstört wurden. Mehr als 900.000 Knochenreste osteologischen und anthropologischen Materials wurden sichergestellt. " (übersetzt mit Google Translator)
War-Sanctions bildet Tafeln aus wissenschaftlichen Publikationen ab, zitiert diese aber nicht. Bislang ist es mir nicht gelungen, diese zu identifizieren. Wahrscheinlich wäre damit besser zu beurteilen, wie zerstörerisch die Ausgrabungen tatsächich waren. Nebenbei bemerkt befindet sich unter den Funden auch die Formschüsselfür Reliefkeramik, möglicherweise Terra Sigillate (https://war-sanctions.gur.gov.ua/en/stolen/objects/3683).
Die UNESCO scheint diese massiven Eingriffe in das Welterbe zu ignorieren. Auf dem aktuellen 47. UNESCO-Treffen wurde das Thema offenbar umgangen.
- Russische Geschichtsfantasy in Chersonesos: UNESCO-Welterbetitel muss aberkannt werden. Archaeologik 4.8.2024
- https://24tv.ua/krimu-znishhili-hersones-tavriyskiy-rosiyani-zbuduvali-mistsi_n2584263
- https://web.archive.org/web/20231201154033/https://tvspb.ru/news/2023/07/10/na-raskopkah-hersonesa-nashli-okolo-4-mln-artefaktov
- https://suspilne.media/culture/522571-rosiani-nezakonno-rozkopuut-hersones-ta-planuut-vivezti-cinni-artefakti/
- https://zaxid.net/yak_rosiyani_znishhuyut_hersones_tavriyskiy_n1568258
Anders als es die Medienberichte und die War-Sanctions vermitteln, geht es nur zweitrangig um geklaute Funde oder "Schätze", sondern um völkerrechtlich illegale Grabungen. Inhaltlich muss man hier differenzieren. Während die Grabungen am Mangu und Almalyk-dere früher mit ukrainischer Lizenz durchgeführt wurden und wohl den gewohnten Standards entsprechen, wurden am UNESCO-Welterbe Cherson mutwillig archäologische Quellen für ein Propaganda-Projekt Putins zerstört. Hier wäre eigentlich zu erwarten, dass die UNESCO sich dazu zumindest einmal äußert. Bislang jedenfalls blieb dieser ungeheuerliche und sehr sprechende Vorgang auffallend unbeachtet.
interne Links
- Moskau übernimmt Kontrolle in 'Nationalheiligtum' auf der Krim. Archaeologik 6.8.2015
- Archäologie auf der Krim. Archaeologik 22.7.2017
- Bewusste Zerstörung durch Restaurierung? Archaeologik 30.12.2017
- Die historische Dimension der Ukraine-Krise. Archaeologik (9.2.2022) . - https://archaeologik.blogspot.com/2022/02/die-historische-dimension-der-ukraine.html
- „Russland,
Ukraine, Weißrussland – das ist das heilige Russland“ - Die
frühgeschichtliche Dimension der Ukrainekrise. Archaeologik (22.1.2022).
-
https://archaeologik.blogspot.com/2022/01/russland-ukraine-weirussland-das-ist.html
- Russische Historiker- und Archäologendelegation in den annektierten Gebieten der Ukraine. Archaeologik 6.10.2022
- Russische Geschichte in Personalunion mit dem Geheimdienst. Archaeologik (9.10.2022). - https://archaeologik.blogspot.com/2022/10/russische-geschichte-in-personalunion.html
- Russische Geschichtsfantasy in Chersonesos: UNESCO-Welterbetitel muss aberkannt werden. Archaeologik 4.8.2024
- Blogposts auf Archaeologik zu Putins Krieg gegen die Ukraine
- Beiträge auf Archaeologik zur Krim
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