Jutta Zerres
Am 15.06.2025 eröffnete erneut eine große Sonderausstellung des Landes Rheinland-Pfalz ihre Pforten. Nach „Konstantin der Große“ (2007), „Nero – Kaiser, Künstler und Tyrann“ (2016), „Der Untergang des Römischen Reiches“ (2022) (und der großen Ausstellung anlässlich des runden Geburtstages von Karl Marx 2018) steht nun wieder eine römische Herrscherpersönlichkeit im Zentrum der Betrachtung.
Marc Aurel – Kaiser, Feldherr, Philosoph im Landesmuseum
Das Konzept der zweiteiligen Schau folgt dem bewährten Schema: Das Landesmuseum beleuchtet brav chronologisch geordnet die Biographie (und sollte deshalb zuerst besucht werden) und das Stadtmuseum Simeonstift befasst sich mit Rezeptionsgeschichte. Anders als bei vergangenen Landesschauen ist das Dommuseum dieses Mal nicht beteiligt (warum eigentlich?). Das Verhältnis von Stoischer Philosophie und Christentum, geprägt von Gegensätzen und wenigen Berührungspunkten, hätte m. E. ein interessantes Thema für eine Beteiligung des Hauses an der Landesausstellung bilden können. Dafür steuert die Stadtbibliothek einen kleinen Beitrag hinzu.
Die Trierer selbst haben die Messlatte hoch angesetzt, denn schließlich waren die früheren Schauen Publikumsmagneten, die nicht nur Museumskassen klingeln ließen, sondern auch die der gesamten regionalen Tourismusbranche.
Man wird nicht enttäuscht: 400 Objekte, darunter zahlreiche Leihgaben aus 117 internationalen Museen, beispielsweise dem Louvre, dem British Museum London oder den Vatikanischen Museen werden präsentiert. Eingebettet in eine kulissenhaft inszenierte Ausstellungslandschaft erzählen sie von Marc Aurels Herkunft, seiner Jugend- und Thronfolgerzeit, seinen philosophischen Neigungen, seinem Umfeld und seinen Herrscherjahren. Digitale Stationen illustrieren und vertiefen das jeweilige Thema.
Das Ganze spielte sich ab in einer Zeit, die als die Blüte des Römischen Reiches gilt. Die Ausdehung des Machtraumes ist auf dem Höhepunkt, mehrere Jahrzehnte währt Frieden, die Wirtschaft floriert.
Einzig das Auftreten der „Antoninischen Pest“ bereitet mancherorts Sorgen. Um welche Krankheit es sich konkret handelte, ist unbekannt. Erst in der späten Regierungszeit Marc Aurels kommt es zu einer Kette militärischer Auseinandersetzungen mit Barbarenstämmen an den Rändern des Reiches, gewissermaßen als leise Vorboten für den Niedergang im folgenden Jahrhundert.
Gegensätze sind das Salz in der Suppe
Da ist der feinsinnige Philosophenkaiser, der seine von der Stoa geprägten Ansichten über eine gute Lebensführung in griechische Sätze zu gießen weiß, darunter Aussagen wie diese: „Bleibe ein einfacher, guter Mensch, integer, ernsthaft, schlicht, ein Freund der Gerechtigkeit, gottesfürchtig, wohlwollend, liebevoll und standhaft in der Erfüllung deiner Pflichten.“ Sein Schreibtisch steht währenddessen in Militärcamps an der Donau, in deren Umfeld sich die gesamte Grausamkeit des Krieges entfaltet. Prägnant wird dieses durch vergrößerte Ausschnitte von Reliefs der Marcus-Säule, prominente Bildquelle zu den Markomannenkriege, illustriert: Barbarische Krieger in römischen Diensten enthaupten gefangene Barbaren, eine Germanin mit Kind wird an den Haaren fortgezerrt.
Eines wird klar: In der Wahrnehmung der Zeitgenossen galt Marc Aurel als tatkräftiger und pflichtbewusster Staatsmann und erfolgreicher Feldherr. Militärische Führungsstärke gehörte zur Stellenbeschreibung eines römischen Kaisers, Philosophie hingegen nicht. Diese mag so mancher Mann und so manche Frau des einfachen Volkes eher als nerdige Freizeitbeschäftigung der upper class angesehen haben.
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Selbstbestrachtungen des Marc Aurel (Ausgabe des Artemis Verlags 1951, Foto: R. Schreg) |
Was ist gute Herrschaft? Die Ausstellung im Stadtmuseum Simeonstift
Das Werk, das unsere moderne Sicht auf Marc Aurel prägt, die „Selbstbetrachtungen“, bildet den Konnex zu dem zweiten Teil der Ausstellung im Stadtmuseum Simeonstift. Der Autor hatte es wohl zu privaten Zwecken geschrieben und nie eine Veröffentlichung intendiert - die Schrift dürfte also bestenfalls nur einem sehr kleinen Kreis im Umfeld des Kaisers bekannt gewesen sein. Dieses einzigartige Selbstzeugnis eines antiken Menschen enthält den Entwurf des idealen Mindsets eines Herrschers. Die Karriere der Schrift in der Geistesgeschichte begann erst mit der Wiederentdeckung im 16. Jahrhundert. Denker und Politiker von Machiavelli bis Helmut Schmidt outen sich als Fans. In Zitate verhackstückt findet es heute Eingang in die Popkultur und begegnet uns etwa in Form von Kalendersprüchen oder Merksätzen für Führungskräfteseminare, quasi als westliches Pendant zu fernöstlichen Gelassenheitsweisheiten.
Die Ausstellung verlässt dann allerdings Marc Aurel und weitet die Perspektive auf die zeitlose Frage, was ein guter Herrscher bzw. eine gute Herrschaft sei. Kunstwerke illustrieren die unterschiedlichen Antworten, die seit der Antike gegeben wurden. Somit schlägt der letzte Teil der Ausstellung im Simeonstift die Brücke zurück in die Gegenwart.
Fazit
Der Fall Marc Aurel ist ein Lehrstück für die zeitbedingte Geschichtsdeutung und dieser Aspekt hätte im Rahmen der Ausstellung m. E. eine etwas weitergehende Betrachtung verdient. Trotz dieses kleinen Verbessungsvorschlags möchte ich einen Besuch der Ausstellung dringend empfehlen, noch bis zum 23.11.2025 ist Zeit dafür.
Links:
- Offizielle Homepage: marc-aurel-trier.de
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