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Sonntag, 29. Januar 2017

Panama Papers: Zeugen der Globalisierung im 17. Jahrhundert

Schriftliche Dokumente aus Panama zeigen: Auch ohne Briefkästen kommt Panama in den internationalen Handelsbeziehungen eine Schlüsselrolle zu. Die "Panama Papers", um die es dabei geht, sind aber nicht neu, sie wurden nicht geleakt, sondern sind Gegenstand eines internationalen Forschungsprojektes "Artery of Empire", das die komplexen Verflechtungen der frühen Globalisierung aufzudecken versucht.

Der Isthmus von Panama trennt und verbindet zugleich Atlantik und Pazifik und war daher eine strategische Drehscheibe im spanischen Kolonialreich. Panama la Vieja liegt an der Pazifikküste dieser Passage, am Rand der modernen Großstadt und UNESCO-Weltkulturerbe. Hier liefen Einflüße aus Europa, den Amerikas, Afrika und Asien zusammen. Die Interessen von Spaniern, Italienern, Portugiesen, Briten, Niederländern und Franzosen trafen hier zusammen; afrikanische Sklaven und Handelsgüter aus Asien haben deutliche materielle Spuren hinterlassen. Panama spiegelt die frühe Globalisierung, die durch ungleiche kulturelle und wirtschaftliche Beziehungen gekennzeichnet wurde.

Die kathedrale von Panama la Vieja
(Foto: R. Schreg)
2001-2006 hatte ich die Gelegenheit dort archäologisch zu arbeiten. In einem DFG-finanzierten, an der Universität Tübingen angesiedelten Projekt hatten wir Gelegenheit der Frage nachzugehen, wie sich die Conquistadoren und überhaupt die Einwohner der Stadt Panama la Vieja an die neuen Gegebenheiten angepasst haben. Die inzwischen publizierten Forschungsergebnisse unseres Projektes wurden nun in dem neuen Projekt der ARTery of Empire aufgegriffen und mit neuen Forschungen fortgeführt. Im Rahmen des Tübinger Projektes hatte Corina Knipper erste Proben für Isotopenuntersuchungen genommen, die nun zu größeren Serien ausgebaut werden können. Sie leitet die Arbeitsgruppe am Curt-Engelhorn Zentrum für Archäometrie (CEZA)  in Mannheim, das als deutscher Projektpartner die Isotopenuntersuchungen durchführt. Aufgrund der alten Tübinger Projekterfahrungen wurde ich eingeladen, dem neuen Projekt als Mitglied des "Beratergremums" zur Seite zu stehen.


Leiterin des neuen Projektes ist Bethany Aram, Historkerin an der Universität Sevilla. Sie hat mit Hilfe eines ERC-Grants ein Team zusammengestellt, das Historiker, Archäologen, Anthropologen und Genetiker umfasst. Mit den unterschiedlichen Methoden dieser Disziplinen geht es darum die komplexen Strukturen der frühen Globalisierung aufzudecken und die kulturellen und biologischen Auswirkungen der frühen Globalisierung  im 16. und 17. Jahrhundert zu erfassen. Wie agierten die verschiedenen Gruppen in dieser Situation - eingeborene Stämme, verschleppte afrikanische Sklaven, europäische Conquistadoren? Welche Rolle spielten entlaufene Sklaven, euopäische Korsaren, asiatische Händler? Wie passte man sich an die veränderten Lebensbedingungen an? Welche Rolle spielte lokale Produktion, welche Bedeutung kam Importen zu?


Blick über Panama la Vieja
(Foto: R. Schreg)


Der interdisziplinäre Blick hilft die Euro- bzw. Spanien-zentrische Perspektive zu überwinden, die die Forschung bislang dominiert. Der Blick auf die sozialen Unterschichten und die einheimische Bevölkerung spielte bislang eine eher untergeordnete Rolle. Das 17. Jahrhundert wurde als eine Krisenzeit betrachtet, die sich aber nur aus der Sicht Spaniens so ergibt, das immer weniger Profit aus ihren Besitzungen in der Neuen Welt schlagen konnte. Für viele Menschen in Panama ergaben sich hingegen neue Chancen.

handgemachte Keramik aus Panama
(Patronato Panama Viejo, Foto: R. Schreg)
Testamente von Spaniern, die in Panama verstorben sind, haben sich in verschiedenen Archiven weltweit erhalten und liefern Biographien von Angehörigen der spanischen Oberschicht. Detaillierten Auflistungen ihrer Nachlässe geben Einblicke in ihre Haushaltsausstattung und Lebensbedingungen. Die Unterschichten sind eher mit archäologischen und archäometrischen Methoden zu erfassen. Die Untersuchung von Gräbern von verschiedenen Bestattungsplätzen in der Stadt liefert mit DNA- und Isotopenuntersuchungen ebenfalls Rückschlüsse auf Biographien und Lebensbedingungen.  Die Informationen, die man aus diesen Daten gewinnen kann, sind weniger detailliert, liefern aber ein wichtiges Korrektiv zu den schriftlichen Quellen, da sie prinzipiell auch die Menschen zeigen können, die nichts zu vererben hatten oder bei denen die Erbschaftsangelegenheiten vor Ort geregelt wurden.

Knochen, Zähne und archäologische Funde aus Panama ermöglichen neue Einblicke in die kulturellen und biologischen Auswirkungen der frühen Globalisierung. Sie zeigen in der interdisziplinären Erforschung die verschiedenen Überlebensstrategien, wie möglicherweise einer Anpassung der Ernährungsgewohneiten und der Verdienstmöglichkeiten. Im Lauf der Zeit gewannen lokale Produkte, wie auch die Handelsverbindungen nach Asien gegenüber den Kontakten nach Spanien an Bedeutung. Diese Verschiebungen lassen sich theoretisch anhand von Isotopenstudien nachvollziehen. Systematische Probenserien können so Aufschluß über die Dynamik der Globalisierung liefern.

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Literaturhinweis

  • B. Scholkmann/ R. Schreg/ A. Zeischka (Hrsg.): A step to a global world. Historical Archaeology in Panamá – German Research on the first Spanish city at the Pacific Ocean. British Archaeological Reports. International Series 2742 (Oxford: Archaeopress 2015 )

Samstag, 19. Dezember 2015

2 mal San José - Zeugnisse früher Globalisierung und Opfer der Kommerzialisierung


Gleich zwei Wracks namens San José gehen derzeit durch die Presse. Beide werden kommerziell ausgebeutet: Einmal in der Karibik in kolumbianischen Gewässern und einmal im Pazifik vor Panama. Beide wären sie eine wichtige Quelle zur frühen Globalisierung. Sie haben eine wissenschaftliche Untersuchung und eine vollständige Präsentation ihrer Funde verdient.

Kolumbien

In einer Seeschlacht vor Cartagena wurde am 8. Mai 1708 die spanische Galeone San José von britischen Kriegsschiffen versenkt. Nachdem das Schiff in Brand geraten war, explodierte seine Pulverkammer. 578 Menschen kamen dabei ums Leben.
Seeschlacht vor Cartagena 8. Mai 1708: Die San José wird von britischen Kriegsschiffen versenkt.
Gemälde von Samuel Scott vor 1772
(National Maritime Museum in Greenwich, Public Domain via Wikimedia Commons)
Da das Schiff mit 344 Tonnen Gold- und Silbermünzen sowie 116 Kisten mit Smaragden aus Peru beladen war, interessieren sich schon lange Schatzjäger dafür. Nachdem ein Gericht bereits vor Jahren Ansprüche einer Schatzbergefirma verneint hatte, die die Lage des Wracks bereits in den 1980er Jahren grob eingegrenzt hatte, hat vor wenigen Wochen die kolumbianische Regierung die Entdeckung des Schiffs bekannt gegeben.
Nun erheben die Schatzjägerfirma, wie auch die spanische Regierung Anspruch auf die Ladung. Die kolumbianische Regierung, die erst vor kurzem die kommerzielle Ausbeutung der Wracks vor seinen Küsten mehr oder weniger frei gegeben hat, will 50% der archäologischen Funde der nun beauftragten Bergefirma überlassen.

Protest der Kollegen gegen den Verkauf der Funde

San José in Panama

Die San José in den Pazifikgewässern vor Panama wurde bereits 2002 entdeckt. Diese San José ist bereits 1631 gesunken. Sie hatte angeblich 700 t Gold und Silber im Schätzwert von 50 Millionen $ geladen. Entgegen internationaler Vereinbarungen, die Panama im Gegensatz zu Kolumbien unterzeichnet hat, sollen nun 65% der Funde an eine private Bergefirma gehen. Die UNESCO hat bereits im Frühjahr Protest eingelegt.
Die laufenden Bergungen werden nicht regelmäßig fachmännisch begleitet. Ein Expertengutachten zu den inzwischen vorliegenden Funden stellte fest, dass sich darunter auch jüngere Objekte befinden, so dass sich abzeichnet, dass es mangels Dokumentatione nicht einmal möglich sein wird, die genaue Fracht des Schiffes festzustellen.


In beiden Fällen besteht zu befürchten, dass keine wissenschaftliche Dokumentation der Wracks erfolgt und die Ladung ohne zureichende Untersuchung verkauft wird.

Die Globalisierung der frühen Neuzeit

Die beiden Wracks sind Zeugnisse des großen Kapitalflusses aus dem spanischen Kolonialreich nach Europa. Aus dem ehemaligen Inka-Reich wurden Unmengen Gold und Silber nach Panama transportiert. Die San José aus Panama gehört in diesen Teil des Handels. Von Panama aus wurde die Fracht auf dem Landweg über den Isthmus von Panama nach Portobelo gebracht und von dort nach Spanien verschifft. Die in kolumbianischen Gewässern versenkte San José repräsentiert die Atlantikpassage. 
Was dies alles war, wie die Ladung sich genau zusammensetzt, in welcher Form das Gold und Silber transportiert wurde, wie homogen die Ladungen waren, wären wichtige Informationen, um den Transatlantikhandel der Zeit und die Ausplünderung der Kolonien besser kennen zu lernen. Eine genaue Dokumentation der Wracks wäre auch Voraussetzung, um mehr über den Alltag der Seeleute zu erfahren. 

Die Geschichte des 17. Jahrhunderts in Panama ist ein wesentlicher Teil der modernen Geschichte der Globalisierung. Bisher wurde sie immer aus spanischem Blickwinkel betrachtet, aus dem das 17. Jahrhundert als Krisenzeit erscheint. Immer mehr verlor Spanien die Kontrolle über sein Kolonialreich, nicht zuletzt durch steigendes Interesse anderer europäischer Mächte. Der Wrackfund der San José von 1708 dokumentiert das einträglich.
Die Fragen, die mit diesem Abschnitt der Globalisierung zusammen hängen, werden ab 2016 in einem neuen EU-Projekt untersucht, das an der Universität Sevilla in Spanien angesiedelt ist ("An ARTery of EMPIRE. Conquest, Commerce, Crisis, Culture and the Panamanian Junction (1513-1671)".  Hier fließen auch Erfahrungen und Vorarbeiten des Tübinger Panama-Projektes ein, das 2003-2009 mit überwiegender Finanzierung durch die DFG durchgeführt wurde (vergl. Archaeologik). Eine der Hypothesen des Projektes ist es, dass die Krise des spanischen Kolonialreiches vor Ort eher eine Phase des regionalen Aufblühens war, das der kolonialen Gesellschaft neue Möglichkeiten eröffnet hat. Archäologisch gibt es da verschiedene Zugriffe über die Analyse der Baukonjunktur in der Stadt, aber auch über eine Analyse der Importfunde aus China, die damals zunahmen. Die vergleichende Analyse von Schiffsladungen - aus schriftlichen Quellen, aber vor allem auch aus archäologischem Kontext mit den Möglichkeiten der archäometrischen Herkunftsbestimmung der Ladung - ist ein wichtiger Baustein für das Verständnis der wirtschaftlichen Veränderungen im Lauf der Zeit.


Es íst falsch, solche Wracks als Schätze zu sehen, sie sind in erster Linie historische Dokumente, von denen wir alle über unsere Welt lernen können.

Mittwoch, 1. April 2015

Wrackfunde zu verkaufen! - UN protestiert!

Das Finanzministerium von Panama hat bereits 2003 die Bergungsrechte an einem Wrack vor der Küste der kommerziellen Firma Investigaciones Marinas del Istmo (IMDI) verkauft, die Verbindungen zu Odyssey Marine Exploration unterhält (vergl. Archaeologik [7.8.2012]).

Es handelt sich um die 1631 gesunkene San José, die 700 t Gold und Silber im Schätzwert von 50 Millionen $ geladen haben soll. 2001 war ihr Wrack durch den Schatzjäger Rob McClung entdeckt worden.
Der Vertrag sieht vor, dass 65% der Funde an die Firma IMDI gehen, die sie verkaufen darf. Mit dem Erlös soll ein Museum gebaut werden in dem der 35%-Anteil der Funde ausgestellt werden soll, der an den Staat Panama geht. Eine Kontrolle der Grabungen vor Ort findet nicht statt, ihre Wissenschaftlichkeit scheint zumindest fragwürdig.
2013 hat das Kulturinstitut INAC den 10 Jahre alten Vertrag abgesegnet.

Panama hat jedoch internationale Verträge unterzeichnet, die solche Aktionen eigentlich unterbinden sollen (UNESCO-Convention on the protection of the underwater cultural heritage von 2001: pdf). Auch hat ein Gericht in Panama in zwei Fällen entschieden, dass Kulturgut nicht in Privatbesitz veräußert werden darf.