Mittwoch, 11. September 2024

"Migranten fressen Hunde" - Trumps Rassismus im Spiegel von Hundefunden

Im TV-Duell im US-Wahlkampf Kamela Harris vs. Donald Trump am 10.9.2024 behauptete Möchtegern-POTUS Donald Trump, in einer Kleinstadt in Ohio würden Einwanderer Hunde und Katzen fressen.

Donald Trump und die
geschlachteten Hunde und Katzen:
KI-generiertes Symbolbild
(Craiyon)

Die örtlichen Behörden wissen davon nichts. Zahlreiche Videos, die vor allem auf TwiX geteilt werden,  erscheinen sehr dubios und behaupten auf Gerüchtebasis ("die Mutter des Freundes der Tochter vom Nachbarn") und mit aus dem Kontext gerissenen Fotos und Videos, es gäbe handfeste Belege, dass Haitianer Hunde und Katzen schachten und essen - und Vodoo damit betreiben.

Das ganze klingt sehr nach dem Muster der üblichen Kindsmordgerüchte, die für Hexenverfolgungen und Judenpogrome herhalten mussten - und nach übelstem Rassismus.

Aber natürlich gibt es Kulturen, in denen Hunde und Katzen geschlachtet und gegessen werden. - "unsere".

Zwei archäologische Beispiele mögen hier genügen:

Jamestown/Virginia

Erst im Mai ist in der Zeitschrift American Antiquity eine Studie über die Hunde aus Jamestown erschienen (Thomas et al. 2024).

Jamestown in Virginia/USA ist eine archäologische Stätte, die nicht nur für die Geschichte Nordamerikas von Bedeutung ist. Jamestown ist die erste, 1607 gegründete permanente englische Siedlung in Nordamerika. Da sie archäologisch recht gut erforscht ist, steht sie auch exemplarisch für eine Geschichte der Globalisierung, was deren wirtschaftliche, soziale und ökologische Aspekte angeht.

Die aktuelle Studie interessiert sich in erster Linie für die DNA der Hunde.und zielt darauf ab, die deren Abstammung zu klären. Dazu wurde die mitochondriale DNA von sechs Hunden aus der Zeit von 1609–1617 sequenziert. Einige DNA-Studien an modernen Hunden in den USA hatten schon früher gezeigt, dass alle mitochondrialen Abstammungslinien nordamerikanischer Hunde, wie sie in präcolumbischer Zeit verbreitet waren, heute ausgestorben und durch die DNA europäischer Hunde ersetzt sind. Schriftliche Quellen belegen, dass die Kolonisten bereits im 17. Jahrhundert Hunde aus Europa nach Nordamerika brachten, wo sie auch in Handel und Austausch mit der indigenen Bevölkerung einbezogen wurden. Mindestens sechs der aus Jamestown genetisch untersuchten Hunde zeigten indes noch die heimische nordamerikanische Abstammungslinie. Diese Hunde hatten eine mitochondriale DNA die Hunden aus dem Kontext der präkolumbischen Hopewell-, Mississippi- und Late Woodland Kulturen ähnelt. Die in den Mitochondrien, einem Zellorgan, enthaltene DNA wird ausschließlich über die Mütter vererbt. Die Abstammungslinien indigener Hunde aus einer europäischen Kolonialstätte zeigen, dass  diese während der frühen Kolonialzeit an der Schnittstelle zwischen indigener Bevölkerung und europäischen Immigranten natürlich in das soziale Geschehen involviert waren.

Die Studie hat einen in unserem Kontext wichtigen Nebenaspekt: Die untersuchten Hunde zeigten mehrheitlich Schlacht- und Schnittspuren. Das ist indes keine ganz neue Erkenntnis, denn dies überliefern auch schriftliche Quellen, denen man indes oft nicht glauben wollte (Hermann 2011; Winchcombe 2023). Ein weiterer Aufsatz (Hill et al. 2024) vertieft die Frage nach dem Verhältnis von Hund und Mensch in der Frühzeit von Jamestown und insbesondere im Winter 1609-10, der den Siedlern eine schwere Hungersnot brachte. Hier zeigt sich auch, dass Hunde in den frühen Jahren der Siedlung als Nahrungsmittel dienten.
 
Jamestown; Schnittspuren an Hundeskeletten
(Thomas et al. 2024, fig. 2),


Weiße Immigranten fressen die Hunde der Einheimischen. Im Unterschied zu Trumps Aussage, ist dies einigermaßen sicher belegbar...

Nur nebenbei: Archäologisch lässt sich für Jamestown auch Kannibalismus belegen. In der Verfüllung eines Kellers wurden die Skelettreste eines 14jährigen Mädchens gefunden, an deren Schädel eindeutige Schnittmarken zu erkennen sind.


Geislingen an der Steige, Hauptstraße 23

Das zweite Beispiel geht auf die Auswertung der Tierknochenfunde aus einer spätmittelalterlichen Latrine aus Geislingen an der Steige zurück, die die Kreisarchäologie Göppinge bereits 1994 ausgegraben hat und die 1999 publiziert wurden (Krönneck/Dollhopf 1999).

Geislingen an der Steige, Hauptstraße 23:
Schnittspuren an einem spätmittelaltzerlichen Hundeskelett
(Krönneck/Dollhopf 1999)

An 25 der insgesamt 46 Knochen vom Haushund wurden Schnitt- oder Hackspuren entdeckt, die belegen, dass hier Schlachttechniken ganz ähnlich wie bei Rind und Schwein angewandt wurden.

Bei den Katzen war das Bild ein etwas anderes, denn hier fehlen diese typischen Schlachtspuren. Wohl aber gab es Knochen nämlich 2 Schädel und 3 Unterkiefern, An denen sich Schnittspuren fassen lassen die am ehesten damit zusammenhängen, dass man den Katzen das Fell abgezogen hat. Ähnliche Beobachtungen liegen beispielsweise vom Konstanzer Fischmarkt vor, während Grabungsfunde aus der Konstanzer Katzgasse und aus dem Kloster Hirsau auch an Katzen klassische Schlachtspuren zeigen (Priloff 2000, 131).

Ich kenne auf Anhieb keine Studie, die das Phänomen der Schnittspuren an Hunden und Katzen auf breiterer Basis betrachtet hätte - außergewöhnlich ist es jedenfalls nicht. Befunde gibt es auch aus dem "keltischen" Manching (Winger 2017).  Ob hier Hunde und Katzen in einer Krisensituation gegessen wurden, bleibt ebenso unklar wie die Frage, ob es spezifische Bevölkerungsgruppen waren, die vermehrt auf diese Nahrungsmittel angewiesen waren.


Trump als Katzenretter

Hund und Katzen zu essen, halte ich nicht für angemessen, aber weit unangemessener ist es, mit dem Finger auf Migranten zu zeigen und primitivst Haß zu schüren - mit höchstwahrscheinlich erfundenen, sicher aber aufgebauschten und passend gedengelten "Informationen".  - Die Funde aus Jamestown und der alten Welt zeigen, dass gerade diese Story nicht dazu geeignet ist, eine vermeintlich weiße Überlegenheit zu demonstrieren und andere herabzuwürdigen. 

Es wäre interessant, nachzuverfolgen, ob es ein Zufall ist, dass die Geschichte der Hunde fressenden Immigranten gerade dann aufkam, als aim August die Geschichte der Hunde von Jamestown durch die US-medien ging - schließlich ist es kein ungewohntes Bild rechter NarrativeTäter und Opfer auszutauschen.

In der Bundesrepublik Deutschland wurde das Schlachten von Hunden erst 1986 verboten, In den USA war es tatsächlich die Trump-Administration, die 2018 ein Gesetz, den Dog and Cat Meat Trade Prohibition Act of 2018 durchbrachte, das den Verzehr von Hunden und Katzen verboten hat. Davor gab es - auch erst seit den 1980er Jahren - entsprechende Gesetze in den einzelnen Staaten. Dass Trump sich nun als der große Retter von Hunde- und Katzen inszeniert, ist aber schon schaurig...



 

Literaturhinweise

  • Herrmann 2011: R. B. Herrmann, The “tragicall historie”: Cannibalism and Abundance in Colonial Jamestown. The William and Mary Quarterly 68,1, 2011, 47. - https://doi.org/10.5309/willmaryquar.68.1.0047
  • Hill et al. 2024: M. E. Hill Jr/ A.E. Thomas, Human-Dog Relationships at Jamestown Colony, Virginia, from Zooarchaeological Analyses. International Journal of Historical Archaeology 2024, 1-28. - https://doi.org/10.1007/s10761-024-00747-5
  • Krönneck/Dollhopf 1999: P. Krönneck/ K.-D. Dollhopf, Die Tierknochen aus der Hauptstraße 23 in Geislingen an der Steige. Hohenstaufen/Helfenstein 9,  1999, 79- 8
  • Prilloff 2000: R.-J. Prilloff, Tierknochen aus dem mittelalterlichen Konstanz. Eine archäozoologische Studie zur Ernährungswirtschaft und zum Handwerk im Hoch- und Spätmittelalter. Materialh. Arch. Bad.-Württ. 50 (Stuttgart 2000).
  • Thomas et al. 2024: Ariane E.Thomas/ Matthew E. Hill,/Leah Stricker,/Michael Lavin,/David Givens/ Alida de Flamingh et al. ‘The Dogs of Tsenacomoco: Ancient DNA Reveals the Presence of Local Dogs at Jamestown Colony in the Early Seventeenth Century’, American Antiquity, 2024, 1–19 -  http://dx.doi.org/10.1017/aaq.2024.25
  • Winchcombe 2023: R. Winchcombe, The Limits of Disgust: Eating the Inedible During Jamestown’s Starving Time. Bestattungen aus dem Mittelneolithikum, der Bronze- und Eisenzeit - Militärlager und zivile Besiedlung in römischer Zeit - die Königspfalz. Global Food History 5, 2023, 1–23.  - http://dx.doi.org/10.1080/20549547.2023.2234252
  • Winger 2017: K. Winger, Der appetitlichste Freund des Menschen? Überlegungen zu den Schnittspuren an Hunde- und Menschenknochen aus dem Oppidum von Manching. In: J. Kysela / A. Danielisová / J. Militký (Hrsg.), Stories that made the Iron Age. Studies in Iron Age archaeology dedicated to Natalie Venclová (Praha 2017) 365–373. 

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