Donnerstag, 5. September 2024

Kinder finden beim Spiel mit Metalldetektor römische Münze …

ein Beitrag von Miriam Steinborn


Dieser Beitrag soll nicht von illegalen „Schatzsuchern“ handeln, die in ihrer Gier wie jüngst in Schlierschied/Rhein-Hunsrück-Kreis (Geplünderte Totenstätte: Grabräuber im Hunsrück unterwegs - SWR Aktuell) Fundkontexte zerstören und Kulturgüter rauben. Hier wird nicht auf fragwürdige Werbung für Metalldetektoren eingegangen, die sich beispielsweise bei National Geographic Kids gezielt an Kinder richtet, sondern auf das, was dabei passieren kann.

Ein wissenschaftsinteressiertes Mädchen wünscht sich eine Metallsonde. Die neun- und zehnjährigen Freunde ziehen mit dem neuen Gerät los, spielen damit auf einem Spielplatz in Remagen (Kreis Ahrweiler), graben ein Loch - und finden neben Metallschrott auch gleich eine antike Münze. 

Das Kastell Rigomagus in ihrem Wohnort ist seit 2022 als Teil des Niedergermanischen Limes UNESCO-Weltkulturerbe. Die Münze vom Spielplatz ist zwar augusteisch, gehört aber wohl erst in die zweite  Phase der römischen Siedlung in tiberisch-claudischer Zeit. 

Es könnte bei der Schlagzeile bleiben: Kinder finden beim Spielen römische Münze… und den Absatz der Kindersonden weiter fördern.

Oder: die Kinder lernen dabei etwas. Dieser Beitrag berichtet über betriebene Schadensbegrenzung und einen wissenschaftskommunikativen Wert, der aus einer solchen Situation generiert werden kann.

Euphorisiert baten die Nachbarskinder mich als Archäologin um eine Einschätzung der „Echtheit“ ihrer gerade gefundenen Bronzemünze. In den Händen hielt ich ein erdfrisches augusteisches As und steckte in einem Dilemma: Auf der einen Seite feuerte dieser Fund das Interesse der Kinder an der Vergangenheit und ihren materiellen Überresten an. Auf der anderen Seite kann die Begeisterung in ein Schatzfieber umschlagen, dem im schlimmsten Fall eine Karriere als Raubgräber folgt. Nach einer Aufklärung über die Meldepflicht an die Denkmalbehörde entschloss ich, Eltern und Kinder für die Problematik zu sensibilisieren. 

 

Gemeinsames Dokumentieren der Münze
(Foto: © B. Surek, mit Einwilligiung der Eltern)


Das Angebot eines gemeinsamen Workshops zur Erforschung der Münze und ihrer Geschichte wurde begeistert aufgenommen. Am letzten Augustwochenende erschienen die Kinder mit einigen Geschwistern und interessierten Eltern. Dem praktischen Teil wurde der Hinweis auf die Rechtslage hinsichtlich des Einsatzes von Metallsonden vorangestellt – auch im Spiel. Etwas enttäuscht waren die Kinder und versicherten sich: „Dann dürfen wir also nicht einfach losziehen und suchen?“ Der Kastellbereich, die Ausfallstraßen mit den Gräberfeldern und damit einem Großteil der Remagener Kernstadt sind seit 2020 Grabungsschutzgebiet. Eltern und Kindern wurde die Relevanz unberührter Fundkontexte für die Wissenschaft erklärt, indem gemeinsam die Fundstelle genauer hinterfragt wurde. Im Fall ihres Fundes ist der Archäologie glücklicherweise kein Schaden entstanden: Das Fundgebiet liegt außerhalb des Schutzgebietes und das Erdreich wurde bei der Anlage des Spielplatzes in den frühen 1990er Jahren aufgeschüttet. Aufgrund dieser Verlagerung ist der ursprüngliche Kontext nur näherungsweise zu bestimmen.

Der zweite Teil des Workshops nahm das Forschungsinteresse der Kinder ernst. Das Landesamt  (GDKE in Koblenz) hatte nach einer ersten Prüfung dem Verbleib der Münze in den Händen der Familie zugestimmt, aber noch einige Informationen angefordert. Daher wurde der Fund vermessen, gewogen und fotografiert. Beim Zeichnen erfassten die Kinder die Details der Münze. Ihre Beobachtungen wurden nach und nach mit Kontextwissen ergänzt, sodass sie schließlich eine Vorstellung des ursprünglichen Gegenwerts „ihres“ Fundes besaßen. „Die Münze war ja nur so viel Wert wie ein Döner!“ 


Die Doku der jüngsten Teilnehmerin (fast 6 Jahre)
(Foto:  B. Surek)

Die Objektgeschichte wurde im Zusammenspiel mit der Entwicklung des Remagener Auxiliarlagers erzählt, das die Teilnehmenden bei einem anschließenden Besuch im Römischen Museum und den wenigen offen zugänglichen Überresten für sich erschlossen. Die Strecke führte entlang der Kastellhauptstraßen, die noch heute den Straßenverlauf in der Innenstadt prägt und die als Denkmalzone ausgewiesen sind, hinunter zum Rhein. Hier warteten ein Eis und der Blick in das enge Flusstal, der die Position des Sperrkastells an der Wasserstraße verdeutlichte. Auf dem steilen Weg zurück ins Kastellareal erfuhr die Gruppe seine hochwassersichere Topografie am eigenen Leibe. 


Auf den Spuren der Fundstelle im Römischen Museum Remagen
(Foto: @ Surek, mit Einwilligiung der Eltern)

Während die Kinder am Ende etwas erschöpft zusammenpackten, zogen die erwachsenen Begleiter ihr Fazit: „Das hat Spaß gemacht und obwohl ich mich dafür sonst nicht interessiere, hab ich noch was gelernt. Und das will schon was heißen!“ Die Münze öffnete an diesem Nachmittag den Blick der Kinder und ihrer Eltern für die archäologischen Grundlagen, mit denen eine vergangene Welt erforscht werden kann.

Das Wort „Schatz“ fiel übrigens nur einmal. Im Zusammenhang mit dem Wort „Schatzregal“. 

Mit dem Kids-Workshop wurde innerhalb weniger Tage auf den Fund reagiert, um das Interesse der Kinder zu befriedigen, aber auch, weil der üblichen Entdeckergeschichte so die Botschaft beigegeben werden kann, dass es um sensible archäologische Funde geht. Sie erzählen uns vieles über unsere Geschichte, aber genau deshalb sollten sie eben nicht einfach aus dem Boden gerissen werden..

 

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