Freitag, 14. Oktober 2022

Leicht mal zu viel erhofft und versprochen - das ehemalige Paläon in Schöningen

2020 war für viele Museen ein Problemjahr: Besucher blieben aus, Einnahmen weggebrochen. 2021 war wenig besser, 2022 drohen zumindest Winterschließungen.

Manche archäologische Museen kämpfen aber schon seit langem mit strukturellen Problemen. Sie liegen oft abseits der heutigen Zentren und sind mit ihren Themen doch sehr speziell und schaffen es selten, Besucher wiederholt anzuziehen. Hinzu kommen wacklige Finanzierungsmodelle, die oft überzogene Erwartungen haben.

Aktuell geht es dem Archäopark Vogelherd in Niederstotzingen an den Kragen.

Die Schöninger Speere

Solche strukturellen Probleme hatte seit Jahren auch das Paläon, jetzt Forschungsmuseum Schöningen. Im Mittelpunkt des Museums stehen die 1994 im Braunkohletagebau entdeckten Schöninger Speere des Altpaläolithikums, die tatsächlich mal zu Recht als Sensationsfunde gelten können, wenn sie selbst auch eher unscheinbar sind. Die Rechnung auf Grundlage einer rein ökonomischen Bewertung ging aber leider nicht auf.
 
Fundstelle der Schöninger Speere
Blick vom Westrand des Tagebaus nach Osten auf die archäologische Fundstelle (2012)
(Foto: TangeInfoto [CC BY 3.0] via Wikimedia Commons)

Bald nach der Entdeckung der Speere 1994 war vor Ort die Idee entstanden, diese in einem Museum zu präsentieren. Erst 2008 gelang es, in der Landesregierung dafür Unterstützung zu gewinnen.  Mit Mitteln aus dem Konjunkturpaket II wurde ab 2011 der moderne Neubau des Museums errichtet und im Juni 2013 eröffnet. Als Träger fungierte die Paläon GmbH, die regionale Akteure wie den Landkreis Helmstedt, die Stadt Schöningen sowie Stiftungen und den Förderverein Schöninger Speere – Erbe der Menschheit e. V.  zusammenschloss.

Das Paläon in Schöningen
(Foto: PtrQs [CC BY 4.0] via WikimediaCommons)

 
Von Anbeginn gab es skeptische Stimmen, die das Vorhaben als Steuergrab brandmarkten. Der Bund der Steuerzahler verlieh dem Paläon 2018 den Negativ-Preis "Faß ohne Boden". 2016 war die finanzielle Schieflage mit einem Defizit von 300.000€ bekannt geworden. Das Museumskonzept ging von 100.000 Besuchern pro Jahr aus, tatsächlich kamen nur etwa 20.000.  Außer den 15 Mio € aus dem Konjunkturpaket zum Bau des Museums sollten keine weiteren Steuergelder in das Projekt fließen, das als finanzieller "Selbstläufer" kommuniziert wurde.

Ein Erfolgsbild zeichnet die Image-Broschüre von 2019: Im selben Jahr wurde die Paläon GmbH jedoch aufgelöst und das Museum vom Land übermommen und dem Niedersächsischen Landesamt für Denkmalpflege als Forschungsmuseum Schöningen angegliedert. Seitdem ist es gelungen, Drittmittel für ein Forschungsprojekt über die DFG und für eine energetische Optimierung aus EU-Fördermitteln einzuwerben.

Die Übernahme durch das Land gilt indes nur als eine Zwischenlösung. Nun versucht man als Forschungsmuseum via Senckenberg Anschluß an die Leibniz-Gemeinschaft. Außerdem arbeitet man an einem Antrag auf UNESCO-Weltkulturerbe.

2 Kommentare:

L. Steguweit hat gesagt…

Anlässlich der Jahrestagung der Hugo-Obermaier-Gesellschaft 2014 in Schöningen gab einer der Initiatoren dieses Museumsbau zum Besten, dass er MP Christian Wulff in einem persönlichen Gespräch dazu brachte, die 15 Millionen für den Bau locker zu machen. Deises Gespräch brachte den Stein ins Rollen. Ein interessanter Einblick, wie politische Entscheidungsprozesse in Deutschland funktionieren, und wahrscheinlich heute so wie damals. Das Pikante: Der Mann war damals der Chef der IHK Niedersachsen und kam ... was für ein Zufall ... aus Schöningen.

Assoc. Prof. Dr. Rainer Atzbach hat gesagt…

Naja, Museumsbauten sind natürlich immer ein Politikum und brauchen das Wohlwollen sowohl der lokalen Matadore als auch das Interesse des Publikums. Letzteres war offensichtlich das Problem des Paläons - etwa gleichzeitig eröffnet mit dem Moesgaard Museum in Aarhus
https://www.moesgaardmuseum.dk/de/
aber pädagogisch gefühlt 30 Jahre älter. Es reicht halt nicht, eine schicke Architektur hinzustellen, sondern eine Ausstellung muss auch eine Erzählung haben. Die war im Paläon nur zu erahnen - und die vielleicht nicht nur für Kinder sehr grausame Pferdetötungszene war eigentlich schon immer deplatziert.
Wer neugierig ist, wie Museum geht, ist in Moesgaard herzlich willkommen, ich gebe auch gerne nen Kaffee aus :-).