Montag, 10. Oktober 2022

"Rückbau" nur zur Kelleroberkante - Petition für Archäologen trotzdem interessant!

Schon 2015 hat der Stadtrat von Frankenberg in Sachsen beschlossen, die in kommunalem Eigentum befindliche  Kommandantenvilla des KZ Sachsenburg abzureißen. 

Eine Rechtfertigung wurde erst 2019 mit statischem Gutachten nachgereicht. Jetzt steht der Abbruch unmittelbar bevor, Viele Fachleute hatten sich damals schon gegen den Abbruch ausgesprochen - leider nicht die zuständige Denkmalschutzbehörde (wobei in der Diskussion auf die nicht vorhandenen spezifischen fachlichen Kompetenzen im Denkmalamt hingewiesen wird) und auch nicht das Bundesministerium für Kultur und Medien (BKM). Geplant wurde nun mit staatlicher Förderung eine Gedenkstätte, die gleichwohl den Abriß bis auf Kelleroberkante vorsieht. Das archäologicshe Denkmal im engeren Sinne bliebe also erhalten.

Wiederum gibt es eine Petition:

Sie kommt sehr spät. Der Abbruch ist beauftragt und soll zum 31.12.2022 abgeschlossen sein.

Zur hsitorischen Einordnung führt die Petition aus:

"Das im Mai 1933 eingerichtete KZ Sachsenburg war ab 1934 das einzige KZ in Sachsen und zwischen Ende 1934 und Mitte 1936 eines von nur wenigen KZs in ganz Deutschland. Es war Ausbildungsstätte für die SS-Wachtruppe der KZ, aus denen später die SS-Totenkopfverbände hervorgingen, die ihrerseits eine der Keimzellen der späteren Waffen-SS waren. Damit stellt das KZ Sachsenburg eine „Brücke“ zu den nach 1936 errichteten Großlagern wie Buchenwald und Sachsenhausen dar. 

Die Kommandantenvilla war der zentrale Täterort in Sachsenburg. SS-Männer wie Karl Otto Koch, der spätere Kommandant des KZ Buchenwald und des KZ Majdanek, oder Arthur Rödl, später Kommandant des KZ Groß-Rosen, begannen hier ihre „Karrieren“. Die Kommandantenvilla stellt dabei einen der wenigen noch erhaltenen Täterorte in einem frühen KZ in Deutschland dar."

 

Kommandantenvilla des KZ Sachsenburg
(Foto: Selbstauslöser [CC BY SA 4.0] via WikimediaCommons)


Sehr viel fachliche Einwände gegen einen Abbruch gab es seit 2019:

Zu den Plänen

 

Nach den Plänen bleiben die archäologischen Befunde unter dem Boden unberührt. Gerade bei der Archäologie der Moderne wird jedoch deutlich, dass wir hier nicht disziplinär denken dürfen. Ohne das Aufgehende hat auch die Archäologie viel zu verlieren. Gerade aktuell zeigen viele Untersuchungen die Bedeutung einer Auseinandersetzung mit den materfiellen Relikten der NS-Zeit, die vielfach eher in der Erinnerungsarbeit als in neuen - unbestreitbar möglichen und gar erwartbaren - Erkenntnissen liegt. Ein Bodendenkmal hat selbst bei der Errichtung von Silhouettenrahmen nicht denselben Erinnerungswert wie ein Gebäude. Die historische Archäologie zeigt auch, wie widersinniog es ist, ein Gebäude abzureissen, um es später vielleicht mal ausgraben zu können... Darum ist die Petition auch für alle Archäologie-Interessierten durchaus relevant.


Weitere Links

Literaturhinweis

  •  C. Theue, Archäologie an Tatorten des 20. Jahrhunderts (Darmstadt 2016). - ISBN 978-3-8062-3379-7

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