Samstag, 29. Oktober 2022

Bauernhofbüro online

 Heute benötigt das Management in der Landwirtschaft ein eigenes Büro - so könnte man "Bauerhofbüro" verstehen. Aber darum geht es nicht. 

Das Bauerhofbüro war eine 1934 gegründete Einrichtung der Fachgruppe Bauwesen im NS-Bund Deutscher Technik. Das deutsche Bauertum und das klassische Dorf waren ein wichtiger Bestandteil der NS-Ideologie. "Blut und Boden", "Erbbauernhöfe" aber auch der "Generalplan Ost" verweisen auf ein idealisiertes Bild bodenständigen deutschen Bauerntums, das weit in "germanische" Zeit zurückreichen sollte.

Aufbauend auf älteren Arbeiten nahm die Bauernhausforschung in der NS-Zeit einen großen Aufschwung. Neben dem Bauernhofbüro gab es auch eine "Mittelstelle
deutscher Bauernhof in der Arbeitsgemeinschaft für deutsche Volkskunde" beim Amt Rosenberg. In Bayern beispielsweise wurde 1935 unter dem Dach des "Bayerischen Heimatbunds" ein "Ausschuss für Bauernhausforschung", ab 1937 eine "Landesstelle für Bauernhofforschung" eingerichtet, Es war die Aufgabe dieser Einrichtung, die Fragen der Hofgestaltung und des Hausbaues zu untersuchen, die »für die Erkenntnis einer rassengeschichtlichen und rassenbedingten Volkskunde von Wert sind« (Selheim 2015, 263). Dabei sollte die Entwicklungsgeschichte des germanischen Bauernhofes vom Nordischen, nicht vom römisch=südländischen Standpunkt aus, aufgezeigt werden. Vorausgesetzt wurde dabei eine weitgehend durchgehende Tradition von der Vorzeit bis in die Gegenwart, was beispielsweise auch Einfluss auf die archäologischen Hausrekonstruktionen hatte (vgl. Schreg 2006, vgl. Behn ).

Das Bauernhofbüro verfolgte ein groß angelegtes Projekt. E sollte im gesamten damaligen Deutschen Reich typische Bauernhöfe dokumentieren. Dazu wurden Lagepläne, Ansichten, Grundrisse, Schnitte und unterschiedlichste Detailzeichnungen angefertigt, die allerdings nicht wie die moderne Bauforschung als verformungsgetreue Aufmessungen, sondern als Idealpläne angefertigt sind. Die Materialsammlung erfolgte 1934-1944, wobei ein erster Band des geplanten Werkes durch den Leiter des Bauernhofbüros Gustav Wolf 1940 zu den Höfen in Schleswig-Holstein publiziert wurde (Wolf 1940). In der Nachkriegszeit erschienen auf dieser Grundlage noch weitere Publikationen (Folkers 1961; Schepers 1961).

Das Bauernhofbüro hat in der Forschung verschiedentlich Aufmerksamkeit gefunden, einerseits wegen der Fortführung mancher alter, zum Teil problematischer  Traditionen der Hausforschung, andererseits weil sich alte Hausdokumentationen angesichts eines masiven Verlustes historischer Bausubstanz mittlerweile als eine wichtige Quelle der Forschung erwiesen haben.

Die Unterlagen des Bauernhofbüros  (>5000 Pläne) befunden sich heute im Archiv LWL in Münster. Die Pläne sind heute vollständig erschlossen und digitalisiert, wenn aus Urheberrechtsgründen auch nicht alle online zur Verfügung stehen:

Das Bauernhausbüro hat Süddeutschland nicht so intensiv bearbeitet wie den Norden, zu dem dann ja auch Publikationen vorgelegt wurden. Dennoch finden sich auch hier einige Gebäudedokumentationen. Exemplarisch genannt sei die Obere Roggenmühle im Eybtal, heute regional vor allem als Ausflugslokal bekannt. 1939 wurden hier verschiedene Ansichten und Schnitte der Mühle und ihrer Nebengebäude aufgenommen, aber auch Teile der Inneneinrichtung dokumentiert. Die Bauzeichnungen sind als technische Zeichnungen angelegt, d.h. mit dem Lineal gezeichnet. Umbaumahmen sind hier nicht zuverlässig zu erkennen.

Aufnahme der Oberen Roggenmühle im Eybtal 1939
(Archiv des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe 846 / Kartensammlung, Nr. 846/3988
via DFG-Viewer:)

Literatur

  • Folkers 1961: U. Folkers, Haus und Hof deutscher Bauern, Bd. 3: Mecklenburg (Münster 1961)

  • Freckmann 1982: Klaus Freckmann, Hausforschung im Dritten Reich. In: Zeitschrift für Volkskunde 1982/II, 169-186

  • Freckmann 1985: Klaus Freckmann, Zur Foto- und Plandokumentation in der Hausforschung der 30er und 40er Jahre. Das Beispiel des ehemaligen "Bauernhofbüros" Berlin/Münster. Zeitschrift für Volkskunde 1985/I, 40-50

  • Freckmann 2000: K. Freckmann, 50 Jahre Arbeitskreis für Hausforschung. AHF. - http://www.arbeitskreisfuerhausforschung.de/files/Freckmann_50Jahre_AHF.pdf

  • Grossmann 2008: G.U. Großmann, Völkisch und national- Der "Beitrag" der Hausforschung zum Wiederaufleben der Runenkunde des SS-Ahnenerbes. In: U. Puschner / G. U. Großmann (Hrsg.), Völkisch und national. Zur Aktualität alter Denkmuster im 21. Jahrhundert. (Darmstadt 2009,) 31-64. - https://d-nb.info/1210742500/34

  • Hoppe 2015: Elisa Hoppe, Das westfälische Bauernhaus als Kulturgut. Zur Bauernhausforschung in nationalsozialistischer Zeit am Beispiel des „Bauernhofbüros“ in Münster. Denkmalpflege in Westfalen-Lippe 2015/1, 18-23

  • Hohmann/ Höötmann 2009: Jessica Ann Hohmann/ Hans-Jürgen Höötmann, Die Überlieferung und Digitalisierung von Aufmaßen im Archiv des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe. Archivpflege in Westfalen-Lippe 71,| 2009, 51-54. - https://www.lwl.org/waa-download/archivpflege/heft71/51-54_hohmann-hoeoetmann.pdf

  • Schepers 1960: J. Schepers, Haus und Hof deutscher Bauern, Bd. 2: Westfalen-Lippe (Münster 1960)

  • Schreg 2006: R. Schreg: Die Archäologie des mittelalterlichen Dorfes in Süddeutschland. Probleme – Paradigmen – Desiderate. Siedlungsforschung 23, 2006, 141-162. - https://www.academia.edu/242745 bzw. https://www.uni-bamberg.de/fileadmin/histgeo/Arkum_Zeitschrift_Siedlungsforschung/sf24-2006.pdf

  • Selheim 2015: Claudia Selheim, Erich Kulke (1908–1997): Wandervogel, Volkskundler, Siedlungsplaner und VJL-Vorsitzender. In: E. Conze/ S. Rappe-Weber (Hrsgg.), Ludwigstein: Annäherungen an die Geschichte der Burg. Jahrb. Jugendbewegung und Jugendkulturen. 11 (Göttingen 2015) 253–272. - https://archiv.ub.uni-heidelberg.de/artdok/6859/1/Selheim_Erich_Kulke_2015.pdf

  • Wolf 1940: G. Wolf, Haus und Hof deutscher Bauern, Bd. 1: Schleswig-Holstein (Berlin 1940.)

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