Montag, 6. Juni 2022

Ukrainisches Nationaldenkmal in Flammen - Kloster Sviatohirsk

Das Kloster Sviatohirsk im Gebiet Donesk ist ein Kulturdenkmal von nationaler Bedeutung für die Ukraine 2005 wurde das Kloster auf einer 10-Hriwna-Gedenkmünze dargestellt. Damit gewinnt es jetzt im Kriegsgebiet symbolische Bedeutung,


Ukrainische 10 Hriwna-Münze von 2005 mit Darstellung des Klosters Sviatohirsk
(Public Domain viaWikimediaCommons)


Der Komplex des Klosters Sviatohirsk am Fluß Seversky Donets
(Foto: Megamegalex 2010  [CC BY SA 3.0] via WikimediaCommons)



Der russische Angriff auf die Ukraine hat mehrfach auch das Kloster betroffen. Es diente Flüchtlingen aus der Donesk-Region als Unterkunft. Am 12. März 2022 griff das russische Militär die Stadt Swjatohirsk nördlich des Flusses aus der Luft an. Eines der Ziele war wohl die Brücke beim Kloster.  Eine der Fliegerbomben explodierte 50 Meter vom Kloster entfernt und zerstörte alle Scheiben sowie einige der Türen. Da in dem Kloster hunderte Menschen Zuflucht gesucht hatte, kam es zu Verletzen. Zudem gab es weitere Schäden an den kirchlichen Einrichtungen. An den folgenden Tagen wurde das Kloster und seine Umgebung erneut beshossen. Am 15. März wurde dabei die Fassade der Kathedrale beschädigt.

Der Komplex des Klosters Sviatohirsk. südlich der Brücke am Fluß und der angrenzenden Anhöhe. Die abgebrannte Kirche Allerheiligen liegt auf der Hochfläche weiter südlich
(Karte: OpenTopoMap - Kartendaten: © OpenStreetMap-Mitwirkende, SRTM | Kartendarstellung: © OpenTopoMap (CC-BY-SA))

Ende Mai geriet die Stadt Sviatohirsk unter russische Kontrolle. Am 4. Juni 2022 wurde die Holzkirche „Vsikhsviatskyi Skete“/ Allerheiligen durch russischen Beschuss in Brand gesetzt. Das Kloster scheint direkt an der aktuellen Front zu liegen.

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj bezieht sich noch am Abend auf telegram auf den Vorfall, berichtet die Kirche sei zerstört und beschuldigt Russland der Kulturgutzerstörung. Er gab sich überzeugt, dass jede vom russischen Militär niedergebrannte Kirche, jede gesprengte Schule und jedes zerstörte Denkmal beweise, dass Russland keinen Platz in der UNESCO hat und Russland auch hier sanktioniert werden müsse.

Selenskyj schreibt, die Besatzer wüssten genau, welches Objekt beschossen wird. Sie wissen, dass es auf dem Territorium der Svjatohirsk Lawra keine militärischen Ziele gibt. Es ist bekannt, dass etwa 300 Laien vor den Feindseligkeiten fliehen, darunter 60 Kinder. Aber immer noch beschießt die russische Armee den Lorbeer, wie den ganzen Donbass. Wie jedes andere Territorium und jedes andere Objekt der Ukraine, das erreicht werden kann. Es ist ihnen egal, was sie in Ruinen verwandeln."

Selenskyj fordert den Ausschluss Russlands aus der UNESCO:  

"Am 31. Mai appellierte das ukrainische Parlament an die UNESCO, Russland die Mitgliedschaft in der Organisation zu entziehen. Daran arbeitet die ukrainische Diplomatie konsequent. Kein anderes Land als Russland hat seit dem Zweiten Weltkrieg so viele Denkmäler, kulturelle und soziale Stätten in Europa zerstört. Jede von Russland in der Ukraine niedergebrannte Kirche, jede gesprengte Schule, jedes zerstörte Denkmal beweist, dass Russland keinen Platz in der UNESCO hat. Worüber können wir mit einem barbarischen Staat, mit einem terroristischen Staat sprechen? Über welche Artilleriegeschosse ist es besser, das historische Erbe zu zerstören?

Wir erwarten eine logische und faire Antwort von der UNO und der UNESCO. Es sind die Vereinten Nationen, und ihre Charta sieht keine Allianzen mit Terroristen vor. Die Isolation Russlands muss vollständig sein, es muss für seine Verbrechen zur Rechenschaft gezogen werden. "

An seinen Telegram-Post hängt Selenskyj einen Videoschnipsel der brennenden Kirche an. Die Berichterstattung suggeriert - wahrscheinlich nicht aufgrund einer tendenziösen Berichterstattung, sondern aus mangelnder Reflektion des Denkmal- bzw. Kulturerbe-Begriffs - , hier gehe es um altes historisches Kulturerbe. Tatsächlich ist die Kirche Allerheiligen 2006 fertig gestellt worden. Die ältere Anlage war nach dem Zweiten Weltkrieg zerfallen und erst als das Kloster nach 1991 neu begründet wurde, fanden umfangreiche Neubauten statt. Allerheiligen wurde dabei als Holzkirche errichtet.

In seinem Post spricht Selenskyj diese jüngere Geschichte übrigens offen an, und zwar gleich zu Beginn: "Zerstörtes Allerheiligenkloster. 1912 wurde sie eingeweiht. Es wurde zuerst während der Sowjetzeit zerstört. Später wurde es wieder aufgebaut. Und so wurde er von der russischen Armee verbrannt."  Worauf sich das Datum 1912 beziehen soll, ist mir allerdings nach kurzer online-Recherche nicht klar geworden. Eventuell hat sich der Präsident vertippt und er wollte auf die letzte Wiederbegründung des Klosters 1992 verweisen.


Kulturgutpolitik in der Russischen Kriegsführung

Immer wieder lassen sich in ukrainischen Meldungen über Kulturgutzerstörungen kleine Ungenauigkeiten beobachten (vgl. Archaeologik 16.3.2022; Archaeologik 26.4.2022). Diese ändern nichts daran, dass sich das russische Militär ganz offenbar verbrecherisch wie die letzten "Barbaren" (ein sorry an alle oft zu unrecht so gebrandmarkten Barbaren) - oder wie Ukrainer das aktuell bezeichnen: Orks - aufführen. Es zeigt aber, wie dem Umgang mit Kulturgut eine moralische Dimension zukommt. Die Achtung des Kulturguts ist ein Zeichen der Überlegenheit und der moralisch richtigen Position. Das hat Russland mit der Inszenierung von Palmyra im Kampf gegen den IS selbst auch so praktiziert.

Mit diesem Hintergrund ist es schwer zu beurteilen, inwiefern neben zumindest billigend in Kauf genommene Kollateralschäden an Kulturgütern auch eine bewusste Zerstörung ukrainischer Kultur praktiziert wird. Immer wieder steht der Vorwurf im Raum, Putin würde auf eine Vernichtung traditionsstiftender ukrainischer Traditionen abzielen.
Eine gezielte Zerstörung der historischen Gebäude von Sviatohirsk würde im Hinblick auf eine solche imperialistische Kulturtraditionspolitik wenig Sinn machen, da die Geschichte des Klosters eng mit der russischen Expansion ist. Im 16./17. Jahrhundert nutzten die Moskauer Zaren die strategische Lage des Klosters für die militärische Überwachung der Region, die darauf abzielte, sich gegen Tatareneinfälle zu schützen. Die Mönchen von Sviatohirsk hielten enge Beziehungen zum Moskauer Staat und erhielten materielle und militärische Unterstützung (Yaisiuk 2018). Wie so viele historische Hinterlassenschaften sind sie nicht eindeutig modernen Nationen zuzuweisen, sondern stehen für die Komplexität der Geschichte, der ein nationalistisches Weltbild fast immer mit völligem Unverständnis entgegen tritt. Putin hat sein völlig verständnisfreies Geschichtsbild durchblicken lassen und zur Rechtfertigung seines Krieges benutzt (vgl. Archaeologik 25.2.2022; Archaeologik 22.1.2022).
 
 

Literaturverweis

  • Yaisiuk 2018: Микола Яцюк, Святогірський монастир між московською владою та українськими козацькими впливами (ХVІ−ХVІІ ст.). Історія релігій в Україні: Науковий щорічник 28, 2018, 396-413. - http://www.religio.org.ua/index.php/religio/article/download/206/204 (pdf)

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