Mittwoch, 1. Januar 2025

Archaeologik 2024

Es ist wieder so weit: Ein Jahr ist rum. Ein neues fängt an.

Als Archäolog*innen wissen wir, dass Zeitgrenzen per Definition gesetzt, aber doch wichtige Orientierungspunkte sind.Es ist also auch wieder Zeit für einen Jahresrückblick auf Archaeologik. Hier soll es zwar um die übliche Blogbilanz gehen, aber vorab möchte ich an einige Kolleg*innen erinnern, die 2024 verstorben sind. 

Allen voran ist Colin Renfrew (1937-2024) zu nennen, der am 24. November verstorben ist. Sein Name ist eng mit der 14C-Revolution und der New Archaeology verbunden, Er setzte sich auch gegen Raubgräber ein (Archaeologik 25.6.2011). Christopher Tilley (1955-2024) wurde bekannt für seine Auseinandersetzung mit der Theorie materieller Kultur. Schon 1989 kritisierte er die heute gängige Rettungsarchäologie, wobei er darauf verwies, dass wir dazu neigen, immer mehr auszugraben, anstatt die Vergangenheit zu verstehen und dazu die Voraussetzungen zu schaffen. Er plädierte indes eher für eine sozial engagierte als eine wissenschaftlich distanzierte Ausgrabungspraxis. Jan Assmann (1938-2024) war Ägyptologe an der Universität Heidelberg. Für die deutsche Archäologie sehr ungewöhnlich ist, dass seine theoretischen Überlegungen international und sogar über das Fach hinaus Beachtung fanden.  Gemeinsam mit seiner Frau Aleida Assmann hat er den Begriff des kulturellen Gedächtnisses geprägt. Erinnert sei auch an die klassischen Archäologen Volker Michael Strocka (1936-2024) und John Boardman (1927-2024), letztere bekannt für seine Arbeiten zur griechischen Vasenmalerei.

Die deutsche Mittelalterarchäologie hat 2024 den Tod von Manfred Gläser (1949-2024), langjähriger Leiter der Archäologie in Lübeck zu verschmerzen, ebenso den Tod von Georg Hauser (1946-2024), lange Jahre zuständig für die Kölner Domgrabung. Verstorben ist 2024 auch Wolfgang Timpel (1936-2024), der in der Denkmalpflege in Thüringen arbeitend mit den Forschungen in Gommerstedt und zur mittelalterlichen Keramik Grundlagenarbeit der Mittelalterarchäologie geleistet hat. Georg Hauser hat mich vor seinem Tod kontaktiert und mir für BaLISminK ein Exemplar seiner Dissertation und einige Sonderdrucke überlassen. Im neuen Jahr wollte ich ihn wegen einiger forschungsgeschichtlicher Fragen für BaLISminK kontaktieren.

Überraschend verstorben ist auch Sabine Ladstätter (1968-2024), zuletzt Direktorin des ÖAI und Leiterin der Ausgrabungen in Ephesos, wo unter ihrer Ägide auch die byzantinische Zeit verstärkt ins Blickfeld gerückt wurde.


Themen 2024

Im Wesentlichen wurden die Themen der Vorjahre weiter verfolgt - und auch einige Themen bespielt, von denen bereits jetzt deutlich ist, dass sie uns auch 2025 stark beschäftigen werden.
In den letzten Monaten - wohl als verspätete Folge der inzwischen Geschichte gewordene Ampelkoalition sind Umweltthemen verstärkt in Geschichte und Archäologie angekommen. Über einige Tagungen wird hier auf Archaeologik voraussichtlich auch berichtet werden. Das Problem ist hier, dass das Thema erst jetzt aufgegriffen wird - wo es leider aktiv durch Nonsensdebatten ausgestochen wird und in der Aufmerksamkeitskonjunktur schon wieder gefährlich unten durch ist. Zudem scheint das Thema eher wegen seiner Aktualität als aus wirklichem Forschungsinteresse aufgegriffen zu werden. Im Hinblick auf Fragen, Ziele und Methoden wird hier noch erheblich nachzuschärfen sein.

Politische Instrumentalisierung von Geschichte lässt sich immer wieder beobachten. Wir sollten da nicht zuschauen, denn das untergräbt vielfach nicht nur Menschenrechte und Menschlichkeit, sondern auch die Wissenschaft.

Ein spezieller Fall ist der Wiedergänger D. Trump:

Goethe ist schlecht
(KI-Graphik mit Craiyon)

Es ist wichtig, hier Fakten-begründete Geschichte entgegen zu stellen. Geistes- und Kulturwissenschaften sind nicht nur nettes Nice-to-have wenn das Geld mal nicht knapp ist, sie sind auch eine Absicherung der Grundlagen vernünftigen Zusammenlebens. Aber auch 2024 wurden hier Sparmaßnahmen beschlossen und das wird 2025 auch Thema bleiben, denn neben den Planungen in Frankfurt gibt es inzwischen auch in Marburg Streichpläne. Immerhin wurde in Leipzig ein Ausweg gefunden. Der Fall in Sheffield zeigt, wie intransparent und zum Teil aus purer Not aber ohne jede Vernunft derartige Streichungen ablaufen können.


Archäologische Wissenschaftskommunikation

Das Bloggen wie auch die Überlegungen, die Plattform BaLISminK aufzubauen, haben mich in den letzten Jahren verstärkt zu den Themen Digitalisierung und Digital Humanities geführt. Hier im Blog spiegelt sich das aktuell nur bedingt wider.

2023 war die erstmals Thema auf Archaeologik. Ich habe im vergangenen Jahr verschiedentlich damit experimentiert, aber abgesehen vom AdventsKIlender 2024 sind daraus keine neuen Posts erwachsen. Inhaltlich ist für die Archäologie aktuell noch nicht viel zu gewinnen, aber KI kann hilfreich sein, Texte zu analysieren, Gedanken und Daten zu strukturieren. Es lassen sich aber einige methodische Ansätze in der Archäologie wie auch in den Geschichtswissenschaften denken, mit in einige alte Forschungsfelder frischer Wind kommen kann.

Der russische Krieg gegen die Ukraine war hingegen wieder Gegenstand mehrerer Beiträge. Ein Aspekt dabei sind natürlich die Kulturgutzerstörungen durch direkte Kampfeinwirkungen, aber auch die Rolle, die die Kulturgüter in der Kriegspropaganda spielen. Russland setzt Geschichte als Legitimation seiner Eroberungen ein, wie am Beispiel der Pseudo-Rekonstruktionen in Cherson deutlich wird. Die Krim wird hier zur Wurzel russischer Identität erhoben.

Auch Raubgrabungen und Restitutionen blieben ein Thema, allerdings wiederholen sich entsprechende Medienberichte laufend, ohne dass sich neue Aspekte ergeben.

Der Bürgerkrieg in Syrien hat Ende November/Anfang Dezember eine rapide Wende gesehen und ist hoffentlich vorbei. Die Folgen werden jedoch noch lange sichtbar bleiben und sind nicht wieder gut zu machen - weder an den Menschen, noch an den historischen Denkmälern.

2024 gab es auch wieder vielfältige Skandale. Immer wieder stellt sich die Frage, ob man so was aufgreifen soll, da jeder einzelne Skandal die Wissenschaft und ggf. die Denkmalpflege und ihre Anliegen in Mitleidenschaft zieht. Letztlich aber wird immer wieder auf die Selbstkontrolle der Wissenschaft verwiesen, eine Rolle, die wir aber auch transparent und von der Öffentlichkeit wahrnehmen müssen. Skandale zu verschweigen, könnte als Billigung allgemein üblicher Praktiken missverstanden werden und verspielt umso mehr das Vertrauen in die Wissenschaft.
 Archäologie der Moderne

Der gute Vorsatz, 2024 wieder mehr Rezensionen zu posten, hat nicht gehalten. Drei Rezensionen, die mir eigentlich ein besonderes Anliegen sind, liegen noch auf Halde.

Zahlen

Archäologik hatte 2024 85 Blogposts, also geringfügig weniger als voriges Jahr (92) - da ist der Adventskalender 2024 mitgezählt.   

Die Zahl der Gastbeiträge lag mit 3 erneut sehr niedrig  (2024 und 2023 je 2, 2021: 5; 2020: 15, 2019: 5). Zu danken ist Miriam Steinborn, Iris Nießen und Jutta Zerres für ihre Beiträge.
Ich wiederhole meine Einladung vom vorigen Jahr: Wer einen interessanten (und natürlich wissenschaftlich-seriösen) Beitrag auf Archaeologik platzieren möchte, ist herzlich eingeladen, mich zu kontaktieren. Er sollte nur passen, denn Archaeologik zielt auf eine kritische Archäologie, die sich mit methodisch-theoretischen, wissenschaftspolitischen und gesellschaftlichen Aspekten der Archäologie auseinandersetzt und die alltägliche Forschungspraxis reflektiert. "Wissenschaftskritische" Posts, wie sie mir per facebook angetragen wurden, die aber nur die Opferrolle von Parawissenschaftlern propagieren oder Werbung für unseriöse Webseiten oder Fernsehserien machen, übernehme ich nicht - wenn da auch manch spannendes kritische Thema drin steckt, meist aber eher anders als von den Vorschlagenden gedacht.
 
Die zehn meist gelesenen Beiträge 2024 (mit Zahlen v. 31.12.2024) waren:
  1. Mittelalterliche Keramik aus Geislingen. Archaeologik (14.12.2011). - 810 Seitenaufrufe 
  2. Zeichnerische Dokumentation von Keramikfunden. Archaeologik (26.2.2017). -794 Seitenaufrufe. Die Zugriffsverteilung über das Jahr zeigt, dass der Beitrag irgendwo in der universitären lehre eingesetz wird
  3. J. Zerres, „Das nennt sich Fieldwork, ihr Schnarchzapfen“ – Der Rülzheimer „Barbarenschatz“ und die öffentliche Wahrnehmung von Denkmalpflege und Archäologen. Archaeologik 27.2.2014 - 600 Seitenaufrufe
  4. Wieder lieferbar: Keramik aus Südwestdeutschland . Archaeologik 10,5,2012. - 491 Seitenaufrufe
  5. Die Maske fällt: Der kommerzielle Hintergrund von academia.edu. Archaeologik 12.2.2017. - 450 Seitenaufrufe
  6. Wieder einmal ein Skandal in der Denkmalpflege Rheinland-Pfalz Archaeologik 13.10.2024 - 442 Seitenaufrufe
  7. "Migranten fressen Hunde" - Trumps Rassismus im Spiegel von Hundefunden. Archaeologik 11.9.2024. - 373 Seitenaufrufe
  8. Noch nie dagewesen? Hochwasser und Starkregen im Juli 2021 und im Juli 1342. Archaeologik 20.7.2021. - 301 Seitenaufrufe
  9. Filshochwasser am 12. Mai 1853. Archaeologik 2.6.2024. - 294 Seitenaufrufe
  10. Ein Räuber im Zauberwald - die Vernichtung einer Quelle zur Völkerwanderungszeit. Archaeologik 21.2.2014. - 291 Seitenaufrufe
In den Top 20 stehen noch einige Posts, bei denen ich eigentlich größere Aufmerksamkeit erwartet (oder mir diese erwünscht) hätte,  so z.B.
Wie in den Vorjahren gab es wieder keinen total herausragenden Blogpost, was die Zugriffszahlen angeht. Platz 1 hatte lediglich etwa 790 Zugriffe,
    2024: 155,195 Seitenaufrufe
    2023: 125.211 Seitenaufrufe
    2022: 121.723 Seitenaufrufe
    2021: 139.726 Seitenaufrufe
    2020: 134.220 Seitenaufrufe
    2019: 102.204 Seitenaufrufe
    2018: 129.260 Seitenaufrufe
    2017: 193.417 Seitenaufrufe
    2016: 221.789 Seitenaufrufe
In der Graphik von Google sieht das so aus:

Entwicklung der Zugriffe seit Beginn von Archaeologik auf der Plattform Blogger,
(Quelle: Blogger Statistik via GoogleAnalytics)


Mit über 155.000 Seitenaufrufe im Jahr 2024 ist dies nach 2016 und 17 das Zugriff-stärkste Jahr. Wie die TopTen zeigt, haben dazu einige der älteren Posts beigetragen. Deutlich ist wiederum zum Jahresende der Effekt des Adventskalenders zu erkennen, der über 21.500 Aufrufe beschert hat. das ist allerdings deutlich weniger als im Dezember 2023, wo der Keramikadventskalender freilich auch einen didaktischen Mehrwert hatte.  Im Juni 2024 zeigt die Blogger-Statistik einen Peak, von über 20.000 Zugriffen, wobei allein am 10.6. über 40.00 Zugriffe aufgeführt werden. Einen konkreten Grund kann ich dafür nicht benennen, es könnte mit Änderungen bei Google Ads und Google Analytics und entsprechenden Crawler-Zugriffen zu tun haben. Damit aber ist die positive Jahresbilanz für 2024 wieder im Rahmen dessen, was in den letzten Jahren üblich war - und Archaeologik bleibt somit stabil.

Die Stabilität ist bemerkenswert, weil sich die Verbreitungswege in den Social Media verändern und ich die Archaeologik-Posts deutlich seltener teile. Nach wie vor kommen die meisten Zugriffe über Google, gefolgt von facebook. Die begleitende facebook-Gruppe Archaeologik ist 2024 wieder nur ein ganz klein wenig gewachsen (2242 Mitglieder gegenüber 2181 im Jahr 2023). Rund 1400 Zugriffen über facebook (2023: 2600) stehen allerdings 7500 (2023: 15.300) Views in der facebook-Gruppe gegenüber, d.h. nur ein Bruchteil der facebook-Follower klickt sich auch auf den Blog weiter. Im Vergleich zum Vorjahr zeigt sich hier ein deutlicher Rückgang.
 
Twitter/X ist nicht zuletzt mit dem amerikanischen Wahlkampf immer unangenehmer geworden und längst keine Kommunikations- sondern eine Brüllplattform. Die bezahlte, zum Teil hemmungslos volksverdummende AfD-Werbung hat noch mehr zugenommen und ich schaue nur noch selten bei TwiX vorbei. Archaeologik auf TwiX war bereits im letzten Jahr weitgehend eingeschlafen, da die automatsche Weiterleitung nicht mehr funktionierte. Nach der Zählung von GoogleAnalytics kamen nur noch 230 Zugriffe auf den Blog.  TwiX wird demnächst abgeschaltet
Als Alternativen nutze ich Mastodon (@RSchreg.mastodon.social) und seit November 2024 auch bluesky (@schreg.bsky.social), die sich beide mit Openvibe vernetzen lassen. Dank des Starter-Pack "Archäologie in Deutschland und Österreich" für bluesky (https://bsky.app/starter-pack/leizafriends.bsky.social/3lay7nrs5mp2o) war der Umstieg schließlich einfach. Eine Routine, wie ich diesen Kanal anstelle von TwiX nun bespiele habe ich noch nicht, zumal ich noch kein kostenfreies Tool gefunden habe, wie Archaeologik-Posts dort automatisiert verbreitet werden können. 
 
Die wichtigsten einzelnen Websites, von denen immer wieder Zugriffe auf Archaeologik kommen sind Archivalia, die Seite der DGUF (bzw. deren immer lesenswerter Newsletter) und auch Archäologie-online.
 

Ausblick

Meine Vorsätze für 2024 konnte ich nicht halten. Ich wollte 2024 wieder mehr Rezensionen einstellen und mehr Forschungsthemen aufgreifen. Trotz - oder wegen - eines Forschungsfreisemesters bin ich dazu jedoch nicht gekommen. Vielleicht lässt sich das 2025 nun durchziehen.

 
Allen Archaeologik-Lesern ein Frohes Neues Jahr 2025, das ein Beitrag zu einem ruhigen, nachhaltigen Zeitlauf sein möge, das möglichst vielen Menschen Frieden, Gerechtigkeit, Gesundheit und ein ausreichendes Auskommen bringen möge.  Schade dass zu viele Leute dagegen arbeiten.  Wir sollten denen 2ß25 nicht überlassen...
 

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