Donnerstag, 19. Dezember 2024

Die Schlächter der Archäologie

Das Archaeological Department der Universität Sheffield wurde zum Ende des Akademischen Jahres 2023/24 geschlossen. Die Website des Departments ist nun tot: https://www.sheffield.ac.uk/hpdh

Die Universität stellt es so dar, dass es weiterhin Archäologie gäbe, sie sei nur anders organisiert. Tatsächlich gibt es nun Archäologie in der School of History, Philosophy and Digital Humanities und in der School of Biosciences. Unter https://www.sheffield.ac.uk/hpdh/research/archaeology findet man "archaeological research", aber die Archäolog*innen sind als History emeritus colleagues  gelistet, die nicht mehr im Dienst sind. Als aktives Personal scheinen nur noch Hugh Willmott und als einziger Professor Bob Johnston gelistet zu sein. Ehemalige Department-Mitglieder, die nun der School of Biosciences zugeordnet sind, wurden bis zur Schließung des Departments völlig im Unklaren gelassen, was mit ihrem Labor geschieht und wie sie eigentlich noch in die Lehre eingebunden seien. Auf der facebook-Gruppe Save Sheffield Archaeology wird deutlich, dass die Schließung im Chaos verlaufen ist. 

Im Podcast  WatchingBrief schildert Umberto Albarello über die strukturellen Probleme der Universität Sheffield - aber auch darüber hinaus.

Die Schließung der Archäologie wurde im Sommer 2021 von der Universitätsleitung aus heiterem Himmel beschlossen - obwohl das Institut zu den renommiertesten im Fach zählt. Sinkende Drittmitteleinwerbungen hängen auch damit zusammen, dass bereits beginnen in den 2000er Jahren die Universität das Personal um mehr als die Hälfte gekürzt hatte. Eine Dokumentation zu dem Widerstand gegen die Schließung des Departments of Archaeology an der Universität Sheffield.

Die Petition gegen die Schließung hat übrigens 42.000 Unterstützer gefunden. Der Protest war international:

Durch das Agieren der Universitätsleitung, die in Folge der Gaza-Krise externe Sicherheitsdienste für fast 250.000 £ gegen protestierende Studierende und Mitarbeiter eingesetzt hat, zugleich aber Mitarbeiter um Gehaltsverzicht gebeten hat, hat die Universitätsleitung keinerlei Vertrauen mehr hat, weder von Mitarbeitern noch von Studierenden. Das zeigt jedenfalls eine von den Universitäts-Gewerkschaften durchgeführte Abstimmung.

Die Schließung des Archäologie-Departments hat die Universität nicht nur in ihrem internationalen Ansehen, sondern auch im Internen schwer beschädigt. In der Folge sind die Studierenden-Zahlen und die Leistungen der Universität so zurück gegangen, dass die Universität Sheffield ihre Listung unter den Top100-Universitäten der Welt verloren hat.

Am schlimmsten war jedoch der Schaden für die Reputation. Die Universität Sheffield ist heute weltweit als die Institution bekannt, die sich so absurd verhalten hat, dass sie einen ihrer bekanntesten und beliebtesten Fachbereiche geschlossen hat. Damit ist sie zum Inbegriff der unternehmerischen und neoliberalen Mentalität geworden, die den akademischen Bereich zu einem so toxischen Arbeitsplatz gemacht hat. Die Universitätsleitung, insbesondere diejenigen, die die Entscheidung zu verantworten haben (der Leiter der Fakultät für Geisteswissenschaften, der frühere stellvertretende Vizekanzler und der Vizepräsident selbst), sowie der Universitätsrat werden für immer als die „Schlächter der Archäologie“ in Erinnerung bleiben.

Der Ansatz, den die Universitätsleitung in die Diskussionen um die Zukunft der Archäologie in Sheffield eingebracht hat, ist typisch für die verkommene Managementkultur, die die Institution in ihren derzeitigen Zustand gebracht hat. Erstickende Kontrolle über Verfahren und Entscheidungsstrukturen, beiseite geschobene oder manipulierte Beweise, um zu den „richtigen“ Schlussfolgerungen zu gelangen, Engstirnigkeit und Gruppendenken, Scheinkonsultationen über vollendete Tatsachen und eine Abkopplung von der Universitätsgemeinschaft als Ganzes." (The closure of Archaeology)

Angesichts sinkender Studierendenzahlen werden Umstrukturierungen an den Universitäten sicherlich nötig werden, aber das sollte mit Strategie, nicht einfach mit Rotstift passieren. In Deutschland werden zwar zwischen den Ministerien und den Universitäten meist mehrjährige Finanzierungen, oft verbunden mit Zielvereinbarungen, geschlossen, daneben stellen aber kurzfristig ausgeschriebene Sonderprogramme, die meist einen hohen finanziellen Eigenanteil der Universitäten einfordern und oft mit kaum kalkulierbaren Folgekosten verbunden sind.  Der Politik dienen diese Mittel nur dazu, der Öffentlichkeit zu zeigen, dass man bestimmte Felder auch fördert. Nachhaltig ist das nicht... 

Vor allem aber geht das immer zu Lasten der Geistes- und Kulturwissenschaften, die vermeintlich  nur Geld kosten aber nichts produzieren. - Jedenfalls wenn man vergisst, dass unsere Gegenwart auf der Vergangenheit und auf Wissenschaft aufbaut.

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