Dienstag, 3. Dezember 2024

Aleppo wird erneut Kriegsschauplatz

Mehrere Jahre war Syrien auf Archaeologik kaum noch Thema. Der Bürgerkrieg war indes nie vorbei.
Jetzt flammt er wieder auf.
Ein wesentlicher Hintergrund dürfte der israelische Krieg gegen die Hisbollah im Libanon sein, der sich zwar aktuell in einem Waffenstillstand befindet, aber nicht die israelischen Angriffe auf Hisbollahstellungen invSyrien gestoppt hat.

Überraschend sind nun die dschihadistischen Rebellen, die sich über die Jahre unter türkischem Schutz in der Region Idlib halten konnten, nach Aleppo vorgestoßen und haben die Stadt weitgehend eingenommen. In Deutschland kam es unter syrischen Flüchtlingenob der Nachrichten aus Aleppo zu spontanen Feiern, die in den Social Media sofort zur Hetze gegen syrische Flüchtlinge genutzt werden. In den Jahren relativer Ruhe - so jedenfalls in der Außensicht - haben sich teilweise neue Koalitionen ergeben, so dass es schwer fällt, die jetzigen Rebellen in ihren Zielen einzuschätzen. Nach 13 Jahren Bürgerkrieg sind die Aufständischen natürlich nicht mehr die friedlich demonstrierenden Bürger des Arabischen Frühlings. Auch hier haben Radikalisierungen statt gefunden. Dominierend in der aktuellen Rebellenkoalition ist die Hayat Tahrir al-Sham (engl. Transkribierung, abgek. HTS), die sich aus einem Al-Qaida-Ableger entwickelt haben. Inzwischen geben sie sich moderat, werden aber von vielen Staaten als Terror-Organisation eingestuft.

Die Rebellen der HTS erhalten in Aleppo nun wohl auch Unterstützung von kurdischen Kräften, die im Norden mit der Türkei im Krieg stehen, während die HTS angeblich von der Türkei unterstützt würden. Rußland als Verbündeter des Assad-Regimes bomardiert nun Aleppo und Idlib, wo jeweils Krankenhäuser angegriffen worden sein sollen. In den 4 Tagen der Rebellenoffensive sol es über 500 Tote gegeben haben.

 

erneute Gefahr für Aleppos Kulturerbe

Inzwischen  finden sich in den Social Media erste Berichte aus Aleppo, die zeigen, dass es bislang keine neuen Schäden am Museum und der Zitadelle (von der Bilder mit den Fahnen Syriens und Palästina durchs Netz gehen) gibt.

Nach dieser Quelle - Adnan Almohamad, der jüngst zu den Zerstörungen archäologischen Kulturerbes in Syrien auch wissenschaftlich publiziert hat (Almohamad 2022) ,gibt es eine Zusicherung der "für die Befreiung Aleppos verantwortlichen militärischen Einsatzleitun"g zum Schutz archäologischer und historischer Stätten - verbunden mit dem Link zu einem TikTok-Video auf TwiX, das einen Reporter vor und im Museum zeigt.

Inzwischen bombardieren russische Luftstreitkräfte wieder Aleppo, aber auch Idlib. 

 

Ist Aleppos Kulturerbe nun gesichert?

Aleppo wurde 2016 mit Hilfe russischer Luftangriffe vom Assad-Regime zurückerobert. Zahlreiche Kulturdenkmale waren in diesen und vorausgehenden Kämpfen zerstört worden. Viele Objekte des Nationalmuseums in Aleppo waren jedoch rechtzeitig in Sicherheit gebracht worden, so dass es im National,useum zu keinen größern Verlusten kam.  2019 konnte das Nationalmuseum teilweise wieder eröffnet werden. 
Anfang 2023 traf jedoch das große Erdbeben im ostanatolischen Graben auch die Region Aleppo. Es kam zu Schäden an der bereits im Krieg stark geschädigten Zitadelle sowie in der Stadt. Der Bau des Nationalmuseums hielt dem Erdbeben stand und wurde danach für viele Museumsarbeiter zum sicheren Ausweichquartier. Dennoch wurde das Gebäude so geschädigt, dass seine Standfestigkeit im Falle eines weiteren Bebens nicht mehr gegeben war. Daraus wurde der Plan entwickelt, das Gebäude erdbebensicher zu machen und auch als Zufluchstmöglichkeit für die Bevölkerung zu konzipieren. Nach einigen Reparaturen an zerbrochenen Fenstern und der Beseitigung der Trümmer wurden die Pläne mit Unterstützung der Universität Florenz und der syrischen Altertumsbehörde DGAM ausgearbeitet und seit Oktober 2023 umgesetzt (Pucci 2024).

Seit 2017 haben mehrere internationale NGOs und Stiftungen  Restaurierungs- und Rehabilitationsprojekte am kulturellen Erbe der Stadt geplant und teilweise auch durchgeführt.  Es wurden Tagungen veranstaltet, Bücher geschrieben, WebGIS mit Informationen erarbeitet, aber auch Gebäude restauriert. Diese Arbeiten sind noch im Gange, wie beispielsweise der facebook-Auftritt des Syrian Heritage Archive Project zeigt. Dahinter steht untere anderem das Projekt Stunde Null: “Post Conflict Recovery of Urban Cultural Heritage in the Middle East: The Case of the Old City of Aleppo”, das, getragen vom Deutschen Archäologischen Institut mit dem Museum für Islamische Kunst in Berlin, historische Daten und Dokumente zu den Baudenkmalen der Altstadt und des Viertels Suwayqat Ali sammelt.
Im Gefolge der Zerstörungen in Palmyra wurde die Digitalisierung der Kulturgüter stark propagiert und so entstand auch ein Virtuales Museum Aleppo.
Naben nationalen syrischen Initiativen, die teilweise wegen ihrer fehlenden Bürgerbeteiligung kritisiert worden waren, gab es Projekte u.a. auch von derm Aga Khan Trust for Culture und der UNDP oder der Gerda-Henkel-Stiftung.
 
Die Projekte sind noch nicht abgeschlossen, da droht Aleppo die nächste Katastrophe. Diese Gefahr verdeutlicht aber auch, wie unrealistisch digitale Sicherungen sind.Sie helfen in keiner Weise gegen den Verlust des Kulturerbes als historischer Quelle, die man mit Bauforschung oder Grabungen fragestellungsorientiert wissenschaftlich untersuchen könnte. Digitalisierung von Kulturerbe verspricht allenfalls, dass man der bewussten Zerstörung von Kulturgut politisch etwas entgegen zu halten hat - allerdings nur, wenn es den Angreifern um historisches Vergessen oder Geschichtskorrektur geht (Beispie Putin in Bezug auf ukrainiches Kulturgut),  nicht, wenn sie damit Terror verbreiten oder politische Statements setzen wollen (Beispiel Daesh/ IS).

Literatur

  • Almohamad 2022: Adnan Almohamad; The Destruction of Cultural Heritage in Syria: The Case of Shash Hamdan Tomb 1 in the Upper Euphrates, 1995–2020. Journal of Eastern Mediterranean Archaeology and Heritage Studies 2022; 10/1, 2022, 49–73. -  doi: https://doi.org/10.5325/jeasmedarcherstu.10.1.0049  - leider kein OA
  • Pucci 2024: M. Pucci, National Museum of Aleppo. In: M. Loda/ P. Abenante (Hrsg.) Cultural Heritage and Development in Fragile Contexts. Research for Development (Cham 2024) . - https://doi.org/10.1007/978-3-031-54816-1_12

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