Donnerstag, 22. Februar 2024

Ein Schritt zur Normalität? Aleppo nach dem Bürgerkrieg

Im Februar 2024 wurde in Syrien die Wiedereröffnung der Zitadelle von Aleppo gefeiert. In der Lesart des syrischen Kultusministerium ist die Wiedereröffnung der Zitadelle von Aleppo "ein bedeutsames Ereignis für Syrien und symbolisiert nicht nur die Bewahrung seines kulturellen Erbes, sondern auch einen Schritt in Richtung Normalität angesichts der Widrigkeiten".

Zitadelle von Aleppo, Zugang 2005
(Foto: James Gordon [CC BY 2.0] via Wikimedia Commons)

Die Zitadelle hat im syrischen Bürgerkrieg arg gelitten. Die Stadt wurde über Monate hinweg von Truppen des syrischen Regimes belagert, bombardiert und ausgehungert. Auch die russischen Truppen bombardierten die Stadt (Archaeologik 2.2.2016). Zuvor hatte die Rebellenorganisation „Islamische Front“ das Hilton-Hotel an der Nordseite der Zitadelle gesprengt und in einem inzwischen leider nicht mehr verfügbaren Video gedroht, auch die Zitadelle zu unterminieren und zu sprengen (Archaeologik 24.2.2014). Im Juli 2015 entstand in der Befestigungsmauer der Zitadelle infolge der Sprengung eines Tunnels tatsächlich eine Bresche (Archaeologik 1.8.2015). Über Schäden an der Zitadelle wurde erstmals jedoch schon 2012 berichtet, als sie von Regierungstruppen beschossen worden sein soll (Archaeologik 11.8.2012).

Im Frühjahr 2017 ist die Belagerung Aleppos durch die Regime-Truppen zu Ende gegangen, Danach begannen rasch die Aufbaubemühungen des Regimes (Archaeologik 1.4.2017). Die große Moschee wurde bereits 2019 restauriert (Archaeologik 8.9.2019). Noch während im Ostteil der Stadt heftig gekämpft, gemordet und gestorben wurde, ließ die syrische Altertumsbehörde wenige Meter nebenan die Zitadelle von Aleppo mit Drohnenbefliegungen fotografisch dokumentieren, um eine Grundlage für künftige Restaurierungsarbeiten zu erhalten (Archaeologik 3.1.2017). 

In den Medien findet sich bishe nur wenig über die Modalitäten der Restaurierungen. Ein Bericht über die Eröffnung eines Teils des weitgehend zerstörten Souks von Aleppo 2017 stand im Widerspruch zu anderen Meldungen, die der Regierung eine gezielte Vernachlässigung der Wiederaufbaubemühungen vorwerfen (Archaeologik 1.12.2027). In die Restaurierung waren auch russische Archäologen involviert.

Auch im Ausland war das Interesse am Wiederaufbau Aleppos groß (z.B. Munawar 2018; Fansa u.a. 2020). Über Jahre hinweg waren internationale Mittel in eine denkmalpflegerisch mustergültige Sanierung der Aktstadt geflossen. Die Befürchtungen waren groß, dass ein Wiederaufbau nach den Kriegszerstörungen keine solchen Rücksichten nehmen würde und Immobilienhaie und Korruption das ihre dazu beitragen würden, möglichst viel Profit rauszuschlagen.

Schon bald nach dem Ausbruch des Bürgerkriegs 2011 gab es Planungen und Konferenzen für einen Wiederaufbau der Altstadt von Aleppo.

Im Januar 2023 entstanden bei dem großen Erdbeben (Archaeologik 8.2.2023) neue Schäden an der Zitadelle.

Viele der Links in den früheren Archaeologik-Posts funktionieren heute nicht mehr. Die Seiten mit den verdienstvollen und an der denkmalpflegerischen Sorge orientierten Seiten der syrischen Altertumsbehörde DGAM unter dem damaligen Direktor Maamoun Abdulkarim mit ihren zahlreichen Schadensberichten sind nun offline und die neue Denkmälerverwaltung ist deutlich tiefer in die politische Selbstdarstellung des Assad-Regimes involviert.

Leider ist auch APSA - Association for the Protection of Syrian Archaeology seit 6 Jahren nicht mehr aktiv. Ihre Website führt nun zu einer online-Spielbank, aber immerhin sind die Einträge auf Facebook und YouTube noch vorhanden.

Positiv ist, dass die Menschen in Aleppo vielleicht tatsächlich etwas Normalität zurück erhalten - anders als die Einwohner im Nordwesten Syriens. Die Ziele des arabischen Frühlings wurden nicht erreicht, die Unterdrückung ist stärker denn zuvor, der Wohlstand, den sich Syrien in den Jahren vor dem Bürgerkrieg erarbeiten konnte, ist dahin. Vieles des Kulturerbes ist verloren - als authentische historische Quelle ist es verloren, selbst wenn die Restaurierungen sensibel und qualitätsvoll vorgenommen worden sein sollten.

Literaturhinweise

  • Fansa 2013: Mamoun Fansa (Hrsg.), Aleppo. Ein Krieg zerstört Weltkulturerbe. Geschichte, Gegenwart, Perspektiven (Mainz: Nünnerich Asmus Verlag 2013)
  • Fansa 2014: Mamoun Fansa (Hrsg.), Syrien. Sechs Weltkulturerbe-Stätten in den Wirren des Bürgerkriegs. Geschichte, Gegenwart, Perspektiven (Mainz: Nünnerich Asmus Verlag 2014)
  • Fansa u.a. 2020: Mamoun Fansa, Carola Simon, Lena Wimmer (Hrsg.), Strategies to rebuild Aleppo(Oppenheim 2016)
  • Munawar 2018: Nour A.Munawar,Rebuilding Aleppo: Public Engagement in Post-Conflict Reconstruction. ICOMOS University Forum, 1, 2018, 1-18. - https://openarchive.icomos.org/id/eprint/1848

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