Freitag, 1. Dezember 2017

Alles vorbei? - Kulturgut in Syrien und Irak (Oktober/ November 2017)

Bereits im Oktober ist die Zahl der Pressemeldungen zu den Kulturgütern in Syrien und Irak merklich zurückgegangen - wohl unter dem Eindruck, Daesh sei weitgehend besiegt und das Problem sei damit erledigt.
Diese Sicht übersieht allerdings zweierlei: Zum einen waren Daesh nie allein die Übeltäter. Plünderungen und Beschädigungen gab und gibt es wohl bei allen Kriegsparteien. Das besondere an Daesh war, dass hier Kulturgüter mit politischer Absicht zerstört wurden, aus Hass gegen Traditionen, die der eigenen Herrschaftsansprüchen und Weltsicht widerprechen. An Daesh wurde zudem gezeigt (was man freilich bereits vor Jahren auch für die Taliban in Afghanistan zeigen konnte), wie der Antikenhandel mit der Terrorfinanzierung verknüpft ist.
Zur Diskussion um die Terrorfinanzierung:
Zum anderen sind die geplünderten Objekte bisher nur zu geringem Teil auf dem Antikenmarkt aufgetaucht. Zwar konnte anhand der offiziellen Importe in die USA ein leichtes Ansteigen bei Objekten aus der Krisenregion festgestellt werden (siehe Archaeologik 3.10.2016), doch scheint dies - völlig empirisch betrachtet - nur ein Bruchteil dessen zu sein, was aus den Abertausenden von Raubgrabungslöchern, die in Luftbildern deutlich zu erkennen sind, stammen muss. Es ist anzunehmen, dass Daesh und die anderen Gruppen bzw. die eigentlichen Raubgräber, die Daesh besteuert hat, zunächst an Zwischenhändler verkauft haben. Diese benötigen vor allem Zeit, um die Funde allmählich mit passenden Dokumenten und Legenden in den Markt einzuspeisen und diese formal zu legalisieren. Es wird also noch Jahrzehnte dauern, ehe die Raubgrabungsfunde einmal irgendwo öffentlich sichtbar werden.
Wahrscheinlich muss man hier auch unterscheiden zwischen dem Handel mit den alltäglichen Kleinfunden und jenem mit den "besseren", teureren Objekten, der sicherlich deutlich professioneller organisiert ist.  Das Journalistenteam Tarek Khello und Christian Werner zeigte gestützt auf Zeugenaussagen von Raubgräbern und Händlern in einem Beitrag des MDR die Handelswege von Raubgrabungsfunden aus Syrien nach Deutschland auf:
Daesh kassiert nach diesen Aussagen die Raubgräber und Händler vor Ort ab. Bemerkenswert ist auch der Hinweis, dass gefälschte Papiere zur Legalisierung in Deutschland produziert werden.


Thematisiert wurde im November in den Medien die Rolle von ebay, amazon und facebook, die ihrer Verantwortung nicht nachkämen, solch illegalen Handel zu unterbinden - wobei allerdings der Anteil der Fälschungen im Angebot sehr hoch sei.
 
In einem Daesh-Versteck wurden in Syrien zwei palmyrenische Grabreliefs sicher gestellt:

Schadensmeldungen


Allgemeine Meldungen



Engagement 

Unterstützung von Kollegen
über die Irakische Archäologien Layla Salih
A day for Mosul in Prag
Ungarische Arbeiten vor Ort

Wiederaufbau

Todesurteil gegen Mosul-Zerstörer

Die irakische Presse berichtet von einem Todesurteil  gegen einen Angehörigen von Daesh, unter anderem wegen seiner Beteiligung an den Zerstörungen im Museum von Mosul. So begrüßenswert es ist, dass jemand für die Zerstörungen in einem Prozeß zur Verantwortung gezogen wird, so unangemessen ist hier, wie generell, die Todesstrafe.


In eigener Sache

Mit diesem Bericht blicken wir auf zwei Monate zurück und durchbrechen damit erstmals den monatlichen Rhythmus der einschlägigen Blogposts auf Archaeologik. Neben dem Rückgang der Meldungen, spielt dabei auch eine Rolle, dass anstehende berufliche Veränderungen meinerseits derzeit eine andere Prioritätensetzung erfordern. Wahrscheinlich gehe ich mit den Blogposts zu Syrien und Irak nun generell zu einem längeren Zyklus über.

Links

frühere Posts zum Bürgerkrieg in Syrien auf Archaeologik (u.a. monatliche Reports, insbesondere Medienbeobachtung seit Mai 2012), inzwischen auch jeweils zur Situation im Irak

Dank an diverse Kollegen für Hinweise.

3 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Dass hier mit Todesstrafe reagiert wird und wir das weder verstehen noch gutheißen beweist doch nichts Anderes, als dass wir es mit einem nicht kompatiblen Kulturhintergrund zu tun haben. Sie verstehen das als gerecht, als angemessen...dann lasst sie das doch so machen. Unsere Samthandschuhe, die wir, eingeschlossen mich selbst, als unangemessen empfinden sagt doch alles. Das Zögern, hier Köpfe rollen zu lassen ist in diesen Augen nur Schwäche, ist Nachgeben, ebnet die Chance es noch einmal zu versuchen, wenn wir so dumm sind und nicht entschieden reagieren. Lange braucht man in der arabischen Welt nicht unterwegs zu sein, um das zu verstehen. Da reicht auch schon ein deutscher Schulhof. Ich bin auch gegen die Todesstrafe, aber solange der Islam noch im Mittelalter lebt, wird das genau so bleiben.

Rainer Schreg hat gesagt…

Lieber Anonym, so würdde ich das ungern stehen lassen. In der Tat bedeutet Respeckt vor anderen Kulturen auch, dass man deren Werte akzeptiert. Ihr Kommentar lässt mich aber vermuten, dass es bei Ihnen nicht um Respekt geht. Liege ich da richtig?

Anonym hat gesagt…

Ich habe geschrieben, was ich zu sehen glaube. Ich habe versucht es nicht zu werten. Da geht etwas nicht zusammen, was wir gerne zusammenführen möchten und ich fürchte irgendwann auch müssen, wenn wir als Menschen überleben wollen. Das werden Sie und ich aber vermutlich nicht (mehr) erleben.