Sonntag, 19. Januar 2025

Die blöden Römer - Köder für Medien und Publikum?

Ein neuer Artikel zur atmosphärischen Bleibelastung im frühen 1. Jahrtausend (McConnell et al. 2025), erschienen in PNAS (leider nicht OpenAccess), ist Anlaß für einen Beitrag in der ARD zu den Umweltsünden der Römer.

Meine Aussagen zum Thema hatten sich eigentlich nicht so sehr ausschließlich auf die Römerzeit bezogen. Trotzdem hörenswert.

Hohe Bleibelastungen aus der Römerzeit sind schon lange bekannt und sind schon lange Gegenstand einer wissenschaftlichen Debatte, die sich sogar zu der These verstiegen hat, das Blei sei Schuld am Untergang des Römerreichs. Prinzipiell gab es in römischer Zeit verschiedene Wege der Blei -Exposition etwa durch die Verwendung von Farben, Kosmetika und  Bleirohren fürdas Trinkwasser. Bleiglasierte Keramik spielte dabei sicher nur eine untergeordnete Rolle. Aufgrund von Eisbohrkernen wurde nun aber eine atmosphärische Bleibelastung festgestellt, aufgrund der die Konzentrationen in der Luft modelliert wurde. der erhebliche gesundheitliche Folgen gehabt haben dürfte. Plakativ wird der IQ berechnet - was auch der Köder ist, den die Medien begierig geschluckt haben.

Nun zeigt die Studie diese hohen Bleibelastungen nur im 1. Jahrhundert n.Chr., nicht aber zur Zeit des "Untergangs des Römischen Reichs".  Leider bricht die Messkurve nun um 600 ab. Eine frühere Studie an Grönlandeis hat entsprechend hohe Werte wieder in der Karolingerzeit gefunden, aber leider die spätere Entwicklung ebenfalls ausgeklammert (McConnell et al. 2018). Spekuliert man über Auswirkungen solcher Umweltfaktoren auf historische Entwicklungen, sollte man stets die Gesamtkurve über die Zeiten hinweg betrachten und das Mittelalter nicht unter den Tisch fallen lassen. Tatsächlich zeigten Messungen der Bleibelastungen in Hochmoor-Ablagerungen an vielen Orten im westlichen Mitteleuropa während des Mittelalters in der Regel deutlich höhere Bleibelastungen als in der Römerzeit (Frenzel / Kempter 2004).  

 

Römische Halde bei Imsbach -
vegetationsfrei aufgrund der Schwermetallbelastung, heute unter Naturschutz
(Foto: R. Schreg)


In der Bergbauiedlung von Sulzburg im Südschwarzwald sind anhand anthropologischer Untersuchungen auch die Auswirkungen auf die Menschen zu beobachten (Altet al. 2008).  Auf dem kleinen Friedhof um eine um die Mitte des 12. Jahrhunderts errichtete Kirche ist die Kindersterblichkeit zwar im normalen Rahmen, aber  an den Skeletten auch von Kindern wurden degenerative Krankheiten des Knochenbaus beobachtet, die auf eine starke Belastung bzw. eine schleichende Bleivergiftung zurückzuführen sind. Zwar darf man im Silberbergbau auch Kinderarbeit erwarten, doch dürfte in diesem Fall die Aufnahme des Bleis nicht als Folge der Arbeit im Bergbau, sondern auf die belastete Umwelt zurück zu führen sein. Noch heute ist der Gemüsebau wegen der Schwermetallbelastungen des mittelalterlichen Bergbaus in mehreren Tälern des Südschwarzwaldes eingeschränkt (Hoppe et al 1993): Bleibelastungen mittelalterlichen Bergbaus finden sich vielerorts (z.B. Hildebrandt ca 1995).

Derartige Umweltverschmutzungen haben immer wieder das Interesse der Forschung gefunden (z.B. Leguay 2005; Borsos et al. 2003).  In der Archäologie steht das Thema jedoch nicht im Mittelpunkt, da es nur interdisziplinär zu bewältigen ist und die entsprechende Analytik voraussetzt.
Die Frage, inwiefern die Menschen der Vergangenheit die Zusammenhänge mit ihrer Gesundheit jeweils erkannt haben, bleibt meist ungewiss, obgleich Erfahrungswissen durchaus vorhanden war. Geifbar wird dies ab dem Spätmittelalter (Rößner 1995, 72).

Umwelthistorisch sind andere menschliche Aktivitäten wahrscheinlich wirksamer als der Umgang mit Blei. In vorindustriellen Gesellschaften ist es vor allem der Umgang mit dem Boden, der in vielfältiger Weise auf die menschliche Nutzung reagiert (Montgomery 2011). In der  Römerzeit scheinen die regionalen Unterschiede bei Erosion und Bodendegradation recht groß, deutlicher wird das Bild dann im Hoch- und Spätmittelalter, als die Landnutzung auf eine zunehmende Bevölkerung . abgestimmt werden musste , was sicher ein wesentlicher Faktor für die Krise des 14. Jahrhunderts war (Schreg 2019).

Schade, dass Spekulationen über den IQ der Römer eine langfristige umwelthistorische Bewertung des Bleigehaltes in der Atmosphäre in den Hintergrund drängen.

Literatur

  • Alt et al. 2008
    K. W. Alt / R. Brenn / B. Lohrke / W. Müller / M. Rauschkolb / H. Steuer (Hrsg.), Die mittelalterliche Bergbaubevölkerung des 12. Jhs. von Sulzburg, Kr. Breisgau-Hochschwarzwald. Anthropologische und archäometrische Studien. Freiburger Beitr. Arch. u. Gesch. 13 (Rahden/Westf. 2008). 
  • Borsos et al. 2003
    E. Borsos / I. Makra / R. Béczi / B. Vitànyi / M. Szentpéteri, Anthropogenic Air Pollution in the Ancient Times. Acta Climatologica et Chorologica 36-37, 2003, 5–15.
  • Frenzel / Kempter 2004
    B. Frenzel / H. Kempter, Frühe Umweltverschmutzungen: Die Schwermetallablagerungen in Schwarzwälder Hochmooren. In: G. Markl / S. Lorenz (Hrsg.), Silber, Kupfer, Kobalt. Bergbau im Schwarzwald. Veröffentlichungen des Alemannischen Instituts Freiburg i. Br 72 (Filderstadt 2004) 99–130. 
  • Gottschalk 1999
    R. Gottschalk (Hrsg.), Früher Bergbau im südlichen Schwarzwald. Begleitheft zur Ausstellung des Museums für Ur- und Frühgeschichte der Stadt Freiburg i. Br. Arch. Inf. Bad.-Württ. 41 (Stuttgart 1999).
  • Hildebrandt [ca. 1995
    L. H. Hildebrandt, Schwermetallbelstungen durch den historischen Bergbau im Raum Wiesloch. Handbuch Boden (Mannheim [ca. 1995). - https://pudi.lubw.de/detailseite/-/publication/84504-Schwermetallbelastungen_durch_den_historischen_Bergbau_im_Raum_Wiesloch.pdf
  • Hoppe et al. 1993
    A. Hoppe / A. Foellmer / T. Nöltner, Historischer Erzbergbau im Schwarzwald und Schwermetalle in Böden der Staufener Bucht (südliche Oberrheinebene). In: H. Steuer / U. Zimmermann (Hrsg.), Montanarchäologie in Europa. Berichte zum Internationalen Kolloquium "Frühe Erzgewinnung und Verhüttung in Europa" in Freiburg im Breisgau vom 4. bis -  7. Oktober 1990. Archäologie und Geschichte 4 (Sigmaringen 1993) 249–254.  - https://doi.org/10.11588/propylaeum.1030.c14276
  • Leguay 2005
    J.-P. Leguay, La pollution au moyen âge dans le royaume de France et dans les grands fiefs. Collection Gisserot Histoire (Paris 2005).
  • McConnell et al. 2018
    J. R. McConnell / A. I. Wilson / A. Stohl / M. M. Arienzo / N. J. Chellman / S. Eckhardt / E. M. Thompson / A. M. Pollard / J. P. Steffensen, Lead pollution recorded in Greenland ice indicates European emissions tracked plagues, wars, and imperial expansion during antiquity. Proceedings of the National Academy of Sciences of the United States of America 115,22, 2018, 5726–5731.
  • McConnell et al. 2025
    J. R. McConnell / N. J. Chellman / A. Plach / S. M. Wensman / G. Plunkett / A. Stohl / N.-K. Smith / B. Møllesøe Vinther / D. Dahl-Jensen / J. P. Steffensen / D. Fritzsche / S. O. Camara-Brugger / B. T. McDonald / A. I. Wilson, Pan-European atmospheric lead pollution, enhanced blood lead levels, and cognitive decline from Roman-era mining and smelting. Proceedings of the National Academy of Sciences of the United States of America 122,3, 2025, e2419630121. - https://doi.org./10.1073/pnas.2419630121
  • Montgomery 2011
    D. R. Montgomery, Dreck. Warum unsere Zivilisation den Boden unter den Füßen verliert. Schriftenreihe der Bundeszentrale für politische Bildung 1142 (Bonn 2011).
  • Rößner 1995
    M. B. Rößner, Gesundheitsgefährdung durch Umweltverschmutzung. Jahrbuch des Kölnischen Geschichtsvereins 66,1, 1995, 69–80.
  • Schreg 2019
    R. Schreg, Plague and Desertion – A Consequence of Anthropogenic Landscape Change? Archaeological Studies in Southern Germany. In: M. Bauch / G. J. Schenk (Hrsg.), The Crisis of the 14th Century. Das Mittelalter. Beih. 13 (Berlin, Boston 2019) 221–246. - http://doi.org/10.1515/9783110660784-011


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