Dass die deutschen Universitäten einen erheblichen Reformbedarf haben ist lange bekannt und unbestritten - prekäre Jobsituationen und fehlende Perspektiven für den wissenschaftlichen Nachwuchs trotz oder gar wegen der Befristungsregelungen des schon mehrfach novellierten Wissenschaftszeitvertragsgesetzes (br24, 9.11.2020), wenig attraktive Rahmenbedingungen für Professor*innen, die zunehmend aufwändigere, zeitraubende Jagd auf Drittmittelförderungen, Probleme mit maroder Bausubstanz (SZ 31.7.2019), steigende Studierendenzahlen bei stagnierender Ausstattung und eine zunehmende Bürokratisierung, die Forschung und Lehre eher behindert als unterstützt (Forschung & Lehre 1/2017). Die im Bolognaprozess eingeführten Bachelor- und Masterstudiengänge haben die gesetzten Ziele nicht erreicht (Deutschlandfunk Kultur 27.8.2018), eine Studienzeitverkürzung ist nur bedingt eingetreten, der Wechsel des Studienorts wurde eher erschwert als gefördert, die Qualität der Lehre leidet an der zunehmenden Verschulung durch das enge Korsett des Punktesystems, das Studierende Module abarbeiten, statt neugierig eigenes Engagement entfalten lässt (z.B. schon 2009 ZEIT 15.4.2009). Und schließlich hat Covid19 noch gezeigt, dass auch in der Digitalisierung Handlungsbedarf besteht - obgleich (jedenfalls aus Dozentensicht) die Coronalehre besser lief, als zu Beginn zu erwarten war.
Die Initiative zu einem "Hochschulinnovationsgesetz" durch den Freistaat Bayern ist daher prinzipiell sehr zu begrüßen. Es muss sich was ändern...
Eckpunktepapier
Zu dem geplanten Gesetzesentwurf liegt bislang allerdings nur ein Eckpunktepapier der bayerischen Staatsregierung vor, das indes etwas bedenklich stimmt.
Einige Schlagworte lassen aufhorchen. Wenn Minister Bernd Sibler davon spricht, Ziel sei "eine erhebliche Verschlankung und Deregulierung" und "größtmögliche Freiheit für und in den Hochschulen" so klingt dies zunächst positiv, doch oft verbrämen diese Floskeln einen Rückzug aus staatlicher Verantwortung und Finanzierung. Tatsächlich möchte sich das Ministerium auf die Position der Rechtsaufsicht zurückziehen und steuernd nur mittels Zielvereinbarungen wirken.
Was tatsächlich als Ideal des Eckpunktepapiers aufscheint, ist eine den wirtschaftlichen Interessen untergeordnete Universität. Die Freiheit, von der die Rede ist, ist nicht die Freiheit der Wissenschaft, sondern die Freiheit, wirtschaftlich zu investieren und die Freiheit oder eher der Zwang, wirtschaftlich Geld zu verdienen. Wissenschaft ist hier nicht Forschung, sondern Entwicklung, Studium ist nicht Bildung, sondern Ausbildung.
Kritik wird daher vielerorts formuliert.
Gleich mehrere Initiativen suchen Unterstützung, um die vielfältige Kritik in das Gesetzesvorhaben einzubringen:
Das Problem ist, dass offenbar nicht von den Universitäten, sondern von den Fachhochschulen und den angewandten Wissenschaften gedacht wird. Sozial- und Geisteswissenschaften und deren Fachstrukturen und Leistungen - wie u.a. eben auch die der archäologischen Wissenschaften - sind zu wenig mit gedacht.
Finanzierungsmodell setzt Fächer unter Druck
Die bayerischen Universitäten sollen künftig in einen stärkeren Wettbewerb untereinander treten - insbesondere auch international. So lange solch ein Wettbewerb im Rahmen fachspezifischer Förderprogramme bemessen wird, ist solches schon länger üblich. Problematisch wird es, wenn Fächer mit ihren ganz unterschiedlichen Themen und Zielen gegeneinander antreten müssen. Das Eckpunktepapier sieht aber genau dies vor. Die Universitäten sollen als ganzes im Wettbewerb stehen, weshalb sie sich konsequenterweise auf die drittmittelstarken Fächer und diejenigen mit hochgerankten Publikationsorganen konzentrieren müssten.
"Wissenschaft lässt sich zwar nicht
numerisch bewerten, es gibt aber viele Aspekte wissenschaftlicher
Exzellenz, die Niederschlag in vergleichbaren Indizes finden, die für
eine erfolgsorientierte (Teil-)Finanzierung genutzt werden kann und
muss."
Kleine Fächer scheinen hier nicht mehr attraktiv und konsequenterweise müsste sich die Universität dem eingeschränkten profitablen Fächerspektrum der privaten Hochschulen annähern.
Neben diesen Wettbewerb zwischen den Universitäten tritt aber noch ein universitätsinterner Wettbewerb um die Mittel des Globalhaushaltes. Das
Eckpunktepapier sieht vor, dass die Hochschulen in der Regel von
staatlichen Institutionen in Personalkörperschaften mit eigener
Budgetverantwortung überführt werden sollen:
Die Hochschulen des Freistaates Bayern
sollen in Zukunft im Regelfall als reine Personal-Körperschaften des
öffentlichen Rechts definiert werden. Sie werden selbstständige Partner
des Freistaates und gewinnen dadurch mehr wirtschaftliche
Selbständigkeit.
Die
Universitäten sollen in der Regel
als staatliche Einrichtung entlassen werden. Sie sollen
"zukünftig ein Globalbudget
erhalten, um so eigenverantwortlich wirtschaften und strategische
Entwicklungsentscheidungen treffen zu können". Die
Grundfinanzierung soll zwar "wie bisher weiterhin
durch den Freistaat" erfolgen, doch wird an mehreren Stellen des
Eckpunktepapiers deutlich, dass ein wesentliches Ziel der Reform in verstärkten
Drittmitteleinwerbungen gesehen wird. Ausschlaggebend scheint die Hoffnung, dass
"die Attraktivität des Fundraising" insbesondere in der Wirtschaft wächst.
"Mit
der im Hochschulinnovationsgesetz erreichten Selbständigkeit und
Eigenverantwortung der Hochschulen muss eine gesteigerte
Ergebnis-Orientierung einhergehen. "
Da das Eckpunktepapier
mit bisherigen Strukturen der Universität bricht, ist überhaupt nicht
klar, inwieweit sich die Fachvertreter*innen als "Träger der
Wissenschaftsfreiheit" tatsächlich in die Entwicklung der Hochschulen werden einbringen
können. Aufbau und
Organisation sollen nicht mehr gesetzlich vorgegeben sein, sondern die
Universitäten sollen in der Lage sein, sich mittels einer
Organisationssatzung weitgehend selbst zu strukturieren, was bedeutet,
dass auch die Gremien bisheriger akademischer Selbstverwaltung mittels
Fakultäten zur Disposition stehen. Ein "angemessener Einfluss der Träger
der Wissenschaftsfreiheit muss gewährleistet sein", festgeschrieben ist
aber nur die zentrale Rolle des Universitätspräsidenten bzw. der
Präsidentin für die operative Leitung und Außenvertretung sowie die
Beibehaltung des Amtes des Kanzlers/ der Kanzlerin. Über diese
Organisationsform sollen jedoch nicht die Wissenschaftler*innen, sondern der
extern besetzte Hochschulrat entscheiden.
Der uni-interne Wettbewerb würde dann aber auch zur Konkurrenz,
die dem Alltagsbetrieb wie auch der Interdisziplinarität schaden dürfte. Vielleicht ist deshalb eine starke Stellung des Präsidenten
vorgesehen, die eine unternehmerische Führung
der Universität ermöglichen soll, aber eben auch die Freiheit der Wissenschaft aushöhlt.
Kleine Fächer, insbesondere solche
aus den Geistes- und Kulturwissenschaften sind oft weder besonders
drittmittelstark, noch können sie Abschlußzahlen aufweisen, die für ein
nach wirtschaftlichen Kriterien geführtes Unternehmen Universität
besonders attraktiv sind.
Die Hochschulen sollen mehr Freiheiten und Freiräume bei der Disposition der Lehre erhalten
Eine Streichung von Fächern und Studiengängen
wäre sehr viel leichter möglich als heute - und möglicherweise auch
ohne eine ausreichende Koordination auf Landesebene.
Archäologie unter dem Druck der Ökonomisierung
Dieser
Druck zu einer nach wirtschaftlichen Kriterien gedachten
erfolgsorientierten Finanzierung ist gerade für die geistes- und
kulturwissenschaftlichen Fächer eine ernsthafte Bedrohung, da für die
Universitäten selbst ein Anreiz geboten wird, diese zu reduzieren.
Stellungnahme des Deutschen Verbands für Archäologie
Deshalb hat der Deutsche Verband für Archäologie e.V., untersützt von weiteren
Verbänden, wie beispielsweise dem Verband der Landesarchäologen und der Deutschen
Orient-Gesellschaft, am 8.12.2020 eine fachliche Stellungnahme als
offenen Brief an Ministerpräsident Markus Söder, Wissenschaftsminister Bernd Sibler und Robert Brannekämpe, den
Vorsitzenden des Ausschusses für Wissenschaft und Kunst im Bayerischen
Landtag gerichtet.
Der
Verband befürchtet als Folge der Reform "sehr konkret einen dramatischen
Kahlschlag der
archäologischen und der anderen altertumswissenschaftlichen Fächer an
den bayerischen Universitäten". Er verweist darauf, dass beispielsweise
das Fach der Archäologie der Römischen Provinzen nur an zwei bayerischen
Universitäten präsent ist und bei Streichungen in diesem Feld "keine
Ausbildung der nächsten Generation an
Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern möglich" sei, die "in Museen
und
anderen Kultureinrichtungen der interessierten Öffentlichkeit die
Erkenntnisse aus der Römerforschung nahebringen".
Als
problematisch wird auch hier die starke Ausrichtung der Universitäten
an unternehmerischen Zielen und die Gewichtung von Forschung an einem
messbaren Wert für die Gesellschaft betont. Der Stellenwert der archäologischen
und altertumswissenschaftlichen Fächer in der Gesellschaft lässt sich
"nicht zwangsläufig und unmittelbar in Kennzahlen oder Summen bemessen,
da ihr eigentlicher Wert auf der sozialen, ideellen und kulturellen
Ebene liegt." Die stärkere Bedeutung der Drittmitteleinwerbung und der
internen Mittelverteilung an den Universitäten werden, so die
Einschätzung der Stellungnahme auf Kosten der Kleinen Fächer gehen.
Transfer als Ziel der Universitäten
Das Eckpunktepapier fasst die Ziele der Universitäten neu. Es geht nicht mehr um Forschung und Lehre, sondern um Transfer, Forschung und Lehre - wobei letztere in dem Eckpunktepapier eigentlich keine besondere Rolle spielt.
Der Wissens- und Technologietransfer von den Hochschulen in
die Wirtschaft und die Gesellschaft soll erweitert und erleichtert
werden, um Innovationsstreben, Gründungsgeschehen und lebenslanges
Lernen noch mehr zu unterstützen:
Ein Transfer von wissenschaftlichen Erkenntnissen in die Gesellschaft ist heute zweifellos von großer Bedeutung. Das Eckpunktepapier zielt vor allem auf technische Entwicklungen, aus denen sich wirtschaftliche Gewinne erzielen lassen. Deshalb sind "neue Anreize für die unternehmerische Betätigung der Hochschulen, Unterstützung erster Gründungsschritte für Start-Ups in
den Hochschulen, Gründungsfreisemester und die Erleichterung für
Professorinnen und Professoren, neben ihrer Lehr- und
Forschungstätigkeit auch unternehmerisch tätig zu werden" geplant.
Auf das weite Feld der Geistes- und Kulturwissenschaften trifft dies in dieser engen Definition kaum zu - die hochspannenden Anwendungsfelder, wie sie sich ggf. aus einer applied archaeology ergeben können, werden auch künftig eher die Ausnahme als die Regel sein. Gleichwohl zeigt das aktuelle Pandemiegeschehen, dass die Bedeutung der Wissenschaft sich nicht auf die Prognose bzw. Modellierung von Infektionsentwicklungen und die Entwicklung von Impfstoffen beschränkt. Als gesellschaftliche Begleiterscheinungen kursieren zunehmend Verschwörungstheorien und extremes Gedankengut, die mit einer funktionierenden, gerechten Demokratie nicht vereinbar sind. Ihnen kann eine Gesellschaft und eine Demokratie nur beikommen, wenn in ihr kulturwissenschaftliche und historische Kenntnisse ausreichend verankert sind und eine Befähigung zu klarem Denken verbreitet ist. Dies ist eine große Leistung der Geistes- und Kulturwissenschaften und vieler kleiner Fächer, die sich indes kaum mit den Begriffen Innovation und Gründung fassen lässt. Wir brauchen nicht nur Ausbildung, sondern vor allem auch Bildung.
Die Zielgruppe des Transfers wird im Eckpunktepapier auf die Wirtschaft verengt. Die größte Zielgruppe der Wissenschaft allgemein ist jedoch die Öffentlichkeit, insbesondere die Zivilgesellschaft. Wenn das Eckpunktepapier vorsieht, dass im Kontext der Transferleistungen der Hochschulen weitere Aufgaben wie eine "(Mit-)Verantwortung für eine an der Idee der Nachhaltigkeit orientierte Entwicklung von Staat und Gesellschaft", die Förderung von Gleichberechtigung und Vielfalt sowie die Internationalisierung besonders betont werden sollen, wird hier grundsätzlich und richtig eine soziale Aufgabe von Forschung und Lehre anerkannt. Dieser Gedanke ist im Gesetzesentwurf weiter zu entwickeln, wobei aber zu beachten ist, dass es die Wissenschaftsfreiheit ist, die dem Transfer die nötige Glaubwürdigkeit und Akzeptanz verschaft. Gesetzliche Festlegungen auf Internationalisierung und Diversität sind hier - so nachvollziehbar im Anliegen - kontraproduktiv. Unter dem "Ideal der zweckfreien Erkenntnis" und der Freiheit der Forschung dürfen vom Staat hier keine Vorgaben gemacht werden.
Transfer als Leistung der Geistes- und Sozialwissenschaften
Eine Transferleistung ihrer Forschung in die Gesellschaft ist für die meisten Fächer der Geistes- und Kultur- sowie der Sozialwissenschaften schon lange eine Selbstverständlichkeit.
Aber auch für andere Fächer, wie zum Beispiel die Archäologie ist Transfer
schon von Beginn an ein elementarer Teil des Fachs, denn zunächst waren es Museen, die als Plattform der Forschung dienten. Der Begriff des Transfers ist neu, nicht die Sache. Der Austausch mit der Öffentlichkeit war (und ist) für die Archäologie immer wichtig, um die Quellen zu bewahren und auch, um Fundmeldungen zu erhalten. Immer war das öffetnliche Interesse so groß, dass man versucht hat, die Öffentlichkeit einzubinden. Diese lange Tradition bedeutet allerdings nicht, dass es da keinen Verbesserungsbedarf gäbe und Transfer kein Thema mehr wäre. Eine Stärkung dieses Aspekts und eine größere Anerkennung für Zeit und Arbeit, die dafür aufgewandt wird, ist grundsätzlich zu begrüßen.
In der alltäglichen
Praxis liefert die Archäologie - anders als die üblichen Medienberichte vermuten lassen - fast keine Sensationen. Ein Großteil der
Forschung besteht darin, Funde und Befunde auszugraben, deren Bedeutung
in der Orts- und Regionalgeschichte liegen, die es aber nie in die
hochgerankten Journals schaffen können. Die
Archäologie des Mittelalters wird im Wettbewerb um die ältesten Funde
kaum je mit der Urgeschichte und Paläoanthropologie mithalten können, deren Themen älter und natürlich für die Menschheitsentwicklung viel grundlegender sind. Aber Befunde und Erkenntnisse, die das Mittelalter betreffen, sind deswegen nicht weniger
wichtig, denn sie zeigen vergangenes Leben, hinterfragen was uns selbstverständlich scheint und meist doch erst aus spezifischen historischen Entwicklungen entstanden ist, oftmals eben gar nicht vor so langer Zeit. Bei der Arbeit vor Ort geht es oft nicht um die großen neuen Erkenntnisse, sondern um Regional- und Ortsgeschichte, die ein wichtiger Anknüpfungspunkt für die historische und gesellschaftliche Bildung ist, mithin auch für das, was "Heimat" ausmacht. Auf einer wissenschaftlichen Ebene führt die Auseinandersetzung mit dem Mittelalter zu einem
Verständnis der Bedeutung von Nachhaltigkeit und von Diversität und ist
überhaupt ein wesentlicher Teil einer Orientierung in der Gegenwart. Gerade die alltägliche Forschung ermöglicht es, die Bürgerinnen und Bürger anzusprechen, für die
Vergangenheit zu interessieren und vergangene Lebensweisen zu
reflektieren - und so Transferleistungen zu erbringen. Dabei dürfte übrigens oftmals der Publikation in den "Mitteilungen des Historischen Vereins xy" größere Bedeutung zukommen, als in den angeblichen High-Impact-Journals. Eine formal
größere Bedeutung des Transfers kann den kleinen Fächern und letztlich
der Gesellschaft zugute kommen - sie steht aber in einem Widerspruch mit den üblichen "Indizes", die das Eckpunktepapier als grundlegend "für eine erfolgsorientierte (Teil-)Finanzierung" sieht. Wenn Bemühungen um Wissenschaftskommunikation, um Citizen Science oder auch Angebote für die Schule, eine größere Anerkennung finden, wäre das auf alle Fälle zu begrüßen.
Weiterbildung als Chance
Insofern ist der Gedanke, vermehrt auch an Weiterbildungsprogramme zu denken, ganz folgerichtig: Als Aufgabe der Universitäten wird neben dem klassischen Studium lebenslanges Lernen und Weiterbildung definiert mit der Option, dazu weiterbildende Masterstudiengänge und Zertifikatsangebote oder Modulstudien anzubieten. Ob sich dafür zahlende Interessenten finden lassen, wie das der Politik offenbar vorschwebt, scheint aber fraglich.
Nach den Erfahrungen aus der Archäologie sind wir vielmehr in der Praxisausbildung darauf angewiesen, die Studierenden zu ihrer Weiterbildung genau zu dem potentiellen Zielpublikum zu schicken. So sehr Studiengänge auch die Berufsperspektiven ihrer Absolvent*innen im Auge haben, so werden sie doch nie im Sinne einer Ausbildung alle Grundkenntnisse für die sehr heterogenen Tätigkeitsfelder und deren unterschiedlichen Berufsalltag vermitteln können. Es könnte durchaus interessant sein, ob sich nicht in verstärktem Maße öffentlich-private Partnerschaften entwicklen lassen, indem beispielsweise Unis und Grabungsfirmen zusammenarbeiten. Eine Förderung diesbezüglich wird aber vor allem mit rechtlichen Hürden außerhalb des Hochschulgesetzes, etwa im Wettbewerbsrecht zu kämpfen haben. Mit Ausgründungen und Weiterbildung, wie sie im Eckpunktepapier angedacht sind, hat das aber wenig gemein.
Blinde Flecke: Lehre sowie Wert der Geistes- und Kulturwissenschaften
In der vorliegenden Form ist das Eckpunktepapier sehr einseitig auf eine unternehmerische Organisation der Universitäten ausgerichtet. Viele wichtige Aspekte werden nicht oder nur sehr vage angesprochen. Zwar verspricht das Papier, dass das neue Hochschulgesetz "die Anliegen der Nachwuchswissenschaftlerinnen und -wissenschaftler sowie der Studierenden ... fest im Blick" hat. Hier fehlen im Eckpunktepapier aber klare Aussagen, wie das konkret mit Inhalten gefüllt werden soll. Auch Aspekte der Diversität und Gleichberechtigung kommen sehr kurz. Ganz besonders fällt jedoch auf, wie wenig die Lehre und die Qualität der Lehre thematisiert werden.
Die Förderung von Transfer und Weiterbildung kann durchaus Chancen eröffnen, wenn man deren Ziele genauer reflektiert. Eine größere Anerkennung universitärer Leistungen auf diesen Feldern ist durchaus begrüßenswert. Das würde aber auch bedeuten, der Lehrerausbildung an den Universitäten einen größeren Stellenwert einzuräumen. Mit einer so extremen wirtschaftlichen Orientierung, wie sie im Eckpunktepapier zum Ausdruck kommt, wird das Lehramtsstudium eher noch mehr marginalisiert und der Lehrermangel und die Qualität der Schulbildung eher verschlimmert.
Insgesamt bildet das Papier nur einen kleinen Teil der Universitäten ab. Lehrerausbildung oder Geistes- und Kulturwissenschaften. sind nicht angemessen mitgedacht. Bavaria One und High-Tech-Agenda sind sicher wichtige Programme, aber sie bringen wenig, wenn die Gesellschaft orientierungslos ist. Zukunftsfähige Visionen entstehen erst, wenn man Gegenwart und Vergangenheit verstanden hat und weiß, wie sich Gesellschaften verändern, wie Mensch und Umwelt aufeinander einwirken, wie Menschen kommunizieren und agieren.