Freitag, 15. Januar 2021

Das geplante bayerische Hochschulinnovationsgesetz - ein ökonomisiertes Wissenschaftsverständnis mit bedenklichen Fehlstellen

Dass die deutschen Universitäten einen erheblichen Reformbedarf haben ist lange bekannt und unbestritten - prekäre Jobsituationen und fehlende Perspektiven für den wissenschaftlichen Nachwuchs trotz oder gar wegen der Befristungsregelungen des schon mehrfach novellierten Wissenschaftszeitvertragsgesetzes (br24, 9.11.2020), wenig attraktive Rahmenbedingungen für Professor*innen, die zunehmend aufwändigere, zeitraubende Jagd auf Drittmittelförderungen, Probleme mit maroder Bausubstanz (SZ 31.7.2019), steigende Studierendenzahlen bei stagnierender Ausstattung und eine zunehmende Bürokratisierung, die Forschung und Lehre eher behindert als unterstützt (Forschung & Lehre 1/2017). Die im Bolognaprozess eingeführten Bachelor- und Masterstudiengänge haben die gesetzten Ziele nicht erreicht (Deutschlandfunk Kultur 27.8.2018), eine Studienzeitverkürzung ist nur bedingt eingetreten, der Wechsel des Studienorts wurde eher erschwert als gefördert, die Qualität der Lehre leidet an der zunehmenden Verschulung durch das enge Korsett des Punktesystems, das Studierende Module abarbeiten, statt neugierig eigenes Engagement entfalten lässt (z.B. schon 2009 ZEIT 15.4.2009). Und schließlich hat Covid19 noch gezeigt, dass auch in der Digitalisierung Handlungsbedarf besteht - obgleich (jedenfalls aus Dozentensicht) die Coronalehre besser lief, als zu Beginn zu erwarten war.

Die Initiative zu einem "Hochschulinnovationsgesetz" durch den Freistaat Bayern ist daher  prinzipiell sehr zu begrüßen. Es muss sich was ändern...


Eckpunktepapier

Zu dem geplanten Gesetzesentwurf liegt bislang allerdings nur ein Eckpunktepapier der bayerischen Staatsregierung vor, das indes etwas bedenklich stimmt.

Einige Schlagworte lassen aufhorchen. Wenn Minister Bernd Sibler davon spricht, Ziel sei "eine erhebliche Verschlankung und Deregulierung" und "größtmögliche Freiheit für und in den Hochschulen" so klingt dies zunächst positiv, doch oft verbrämen diese Floskeln einen Rückzug aus staatlicher Verantwortung und Finanzierung. Tatsächlich möchte sich das Ministerium auf die Position der Rechtsaufsicht zurückziehen und steuernd nur mittels Zielvereinbarungen wirken.

Was tatsächlich als Ideal des Eckpunktepapiers aufscheint, ist eine den wirtschaftlichen Interessen untergeordnete Universität. Die Freiheit, von der die Rede ist, ist nicht die Freiheit der Wissenschaft, sondern die Freiheit, wirtschaftlich zu investieren und die Freiheit oder eher der Zwang, wirtschaftlich Geld zu verdienen. Wissenschaft ist hier nicht Forschung, sondern Entwicklung, Studium ist nicht Bildung, sondern Ausbildung.

Kritik wird daher vielerorts formuliert.
Gleich mehrere Initiativen suchen Unterstützung, um die vielfältige Kritik in das Gesetzesvorhaben einzubringen:

 

Das Problem ist, dass offenbar nicht von den Universitäten, sondern von den Fachhochschulen und den angewandten Wissenschaften gedacht wird. Sozial- und Geisteswissenschaften und deren Fachstrukturen und Leistungen - wie u.a. eben auch die der archäologischen Wissenschaften - sind zu wenig mit gedacht.


Finanzierungsmodell setzt Fächer unter Druck

Die bayerischen Universitäten sollen künftig in einen stärkeren Wettbewerb untereinander treten - insbesondere auch international. So lange solch ein Wettbewerb im Rahmen fachspezifischer Förderprogramme bemessen wird, ist solches schon länger üblich. Problematisch wird es, wenn Fächer mit ihren ganz unterschiedlichen Themen und Zielen gegeneinander antreten müssen. Das Eckpunktepapier sieht aber genau dies vor. Die Universitäten sollen als ganzes im Wettbewerb stehen, weshalb sie sich konsequenterweise auf die drittmittelstarken Fächer und diejenigen mit hochgerankten Publikationsorganen konzentrieren müssten.

"Wissenschaft lässt sich zwar nicht numerisch bewerten, es gibt aber viele Aspekte wissenschaftlicher Exzellenz, die Niederschlag in vergleichbaren Indizes finden, die für eine erfolgsorientierte (Teil-)Finanzierung genutzt werden kann und muss."

Kleine Fächer scheinen hier nicht mehr attraktiv und konsequenterweise müsste sich die Universität dem eingeschränkten profitablen Fächerspektrum der privaten Hochschulen annähern.

Neben diesen Wettbewerb zwischen den Universitäten tritt aber noch ein universitätsinterner Wettbewerb um die Mittel des Globalhaushaltes. Das Eckpunktepapier sieht vor, dass die Hochschulen in der Regel von staatlichen Institutionen in Personalkörperschaften mit eigener Budgetverantwortung  überführt werden sollen:

Die Hochschulen des Freistaates Bayern sollen in Zukunft im Regelfall als reine Personal-Körperschaften des öffentlichen Rechts definiert werden. Sie werden selbstständige Partner des Freistaates und gewinnen dadurch mehr wirtschaftliche Selbständigkeit.

Die Universitäten sollen in der Regel als staatliche Einrichtung entlassen werden. Sie sollen "zukünftig ein Globalbudget erhalten, um so eigenverantwortlich wirtschaften und strategische Entwicklungsentscheidungen treffen zu können". Die Grundfinanzierung soll zwar "wie bisher weiterhin durch den Freistaat" erfolgen,  doch wird an mehreren Stellen des Eckpunktepapiers deutlich, dass ein wesentliches Ziel der Reform in verstärkten Drittmitteleinwerbungen gesehen wird. Ausschlaggebend scheint die Hoffnung, dass "die Attraktivität des Fundraising" insbesondere in der Wirtschaft wächst.

"Mit der im Hochschulinnovationsgesetz erreichten Selbständigkeit und Eigenverantwortung der Hochschulen muss eine gesteigerte Ergebnis-Orientierung einhergehen. "

Da das Eckpunktepapier mit bisherigen Strukturen der Universität bricht, ist überhaupt nicht klar,  inwieweit sich die Fachvertreter*innen als "Träger der Wissenschaftsfreiheit" tatsächlich in die Entwicklung der Hochschulen werden einbringen können.  Aufbau und Organisation sollen nicht mehr gesetzlich vorgegeben sein, sondern  die Universitäten sollen in der Lage sein, sich mittels einer Organisationssatzung weitgehend selbst zu strukturieren, was bedeutet, dass auch die Gremien bisheriger akademischer Selbstverwaltung mittels Fakultäten zur Disposition stehen. Ein "angemessener Einfluss der Träger der Wissenschaftsfreiheit muss gewährleistet sein", festgeschrieben ist aber nur die zentrale Rolle des Universitätspräsidenten bzw. der Präsidentin für die operative Leitung und Außenvertretung  sowie die Beibehaltung des Amtes des Kanzlers/ der Kanzlerin. Über diese Organisationsform sollen jedoch nicht die Wissenschaftler*innen, sondern der extern besetzte Hochschulrat entscheiden.

Der uni-interne Wettbewerb würde dann aber auch zur Konkurrenz, die dem Alltagsbetrieb wie auch der Interdisziplinarität schaden dürfte. Vielleicht ist deshalb eine starke Stellung des Präsidenten vorgesehen, die eine unternehmerische Führung der Universität ermöglichen soll, aber eben auch die Freiheit der Wissenschaft aushöhlt.

Kleine Fächer, insbesondere solche aus den Geistes- und Kulturwissenschaften sind oft weder besonders drittmittelstark, noch können sie Abschlußzahlen aufweisen, die für ein nach wirtschaftlichen Kriterien geführtes Unternehmen Universität besonders attraktiv sind. 

Die Hochschulen sollen mehr Freiheiten und Freiräume bei der Disposition der Lehre erhalten

Eine Streichung von Fächern und Studiengängen wäre sehr viel leichter möglich als heute - und  möglicherweise auch ohne eine ausreichende Koordination auf Landesebene.

 

Archäologie unter dem Druck der Ökonomisierung

Dieser Druck zu einer nach wirtschaftlichen Kriterien gedachten erfolgsorientierten Finanzierung ist gerade für die geistes- und kulturwissenschaftlichen Fächer eine ernsthafte Bedrohung, da für die Universitäten selbst ein Anreiz geboten wird, diese zu reduzieren.

 

Stellungnahme des Deutschen Verbands für Archäologie

Deshalb hat der Deutsche Verband für Archäologie e.V., untersützt von weiteren Verbänden, wie beispielsweise dem Verband der Landesarchäologen und der Deutschen Orient-Gesellschaft, am 8.12.2020 eine fachliche Stellungnahme als offenen Brief an Ministerpräsident Markus Söder, Wissenschaftsminister Bernd Sibler und  Robert Brannekämpe, den Vorsitzenden des Ausschusses für Wissenschaft und Kunst im Bayerischen Landtag gerichtet.

Der Verband befürchtet als Folge der Reform "sehr konkret einen dramatischen Kahlschlag der archäologischen und der anderen altertumswissenschaftlichen Fächer an den bayerischen Universitäten". Er verweist darauf, dass beispielsweise das Fach der Archäologie der Römischen Provinzen nur an zwei bayerischen Universitäten präsent ist und bei Streichungen in diesem Feld "keine Ausbildung der nächsten Generation an Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern möglich" sei, die "in Museen und anderen Kultureinrichtungen der interessierten Öffentlichkeit die Erkenntnisse aus der Römerforschung nahebringen".

Als problematisch wird auch hier die starke Ausrichtung der Universitäten an unternehmerischen Zielen und die Gewichtung von Forschung an einem messbaren Wert für die Gesellschaft betont. Der Stellenwert der archäologischen und altertumswissenschaftlichen Fächer in der Gesellschaft lässt sich "nicht zwangsläufig und unmittelbar in Kennzahlen oder Summen bemessen, da ihr eigentlicher Wert auf der sozialen, ideellen und kulturellen Ebene liegt."  Die stärkere Bedeutung der Drittmitteleinwerbung und der internen Mittelverteilung an den Universitäten werden, so die Einschätzung der Stellungnahme auf Kosten der Kleinen Fächer gehen. 


Transfer als Ziel der Universitäten

Das Eckpunktepapier fasst die Ziele der Universitäten neu. Es geht nicht mehr um Forschung und Lehre, sondern um Transfer, Forschung und Lehre - wobei letztere in dem Eckpunktepapier eigentlich keine besondere Rolle spielt.

Der Wissens- und Technologietransfer von den Hochschulen in die Wirtschaft und die Gesellschaft soll erweitert und erleichtert werden, um Innovationsstreben, Gründungsgeschehen und lebenslanges Lernen noch mehr zu unterstützen:

Ein Transfer von wissenschaftlichen Erkenntnissen in die Gesellschaft ist heute zweifellos von großer Bedeutung.  Das Eckpunktepapier zielt vor allem auf technische Entwicklungen, aus denen sich wirtschaftliche Gewinne erzielen lassen. Deshalb sind "neue Anreize für die unternehmerische Betätigung der Hochschulen, Unterstützung erster Gründungsschritte für Start-Ups in den Hochschulen, Gründungsfreisemester und die Erleichterung für Professorinnen und Professoren, neben ihrer Lehr- und Forschungstätigkeit auch unternehmerisch tätig zu werden" geplant. 

Auf das weite Feld der  Geistes- und Kulturwissenschaften trifft dies in dieser engen Definition kaum zu - die hochspannenden Anwendungsfelder, wie sie sich ggf. aus einer applied archaeology ergeben können, werden auch künftig eher die Ausnahme als die Regel sein. Gleichwohl zeigt das aktuelle Pandemiegeschehen, dass die Bedeutung der Wissenschaft sich nicht auf die Prognose bzw. Modellierung von Infektionsentwicklungen und die Entwicklung von Impfstoffen  beschränkt. Als gesellschaftliche Begleiterscheinungen kursieren zunehmend  Verschwörungstheorien und extremes Gedankengut, die mit einer funktionierenden, gerechten Demokratie nicht vereinbar sind. Ihnen kann eine Gesellschaft und eine Demokratie nur beikommen, wenn in ihr kulturwissenschaftliche und historische Kenntnisse ausreichend verankert sind und eine Befähigung zu klarem Denken verbreitet ist. Dies ist eine große Leistung der Geistes- und Kulturwissenschaften und vieler kleiner Fächer, die sich indes kaum mit den Begriffen Innovation und Gründung fassen lässt. Wir brauchen nicht nur Ausbildung, sondern vor allem auch Bildung.

Die Zielgruppe des Transfers wird im Eckpunktepapier auf die Wirtschaft verengt. Die größte Zielgruppe der Wissenschaft allgemein ist jedoch die Öffentlichkeit, insbesondere die Zivilgesellschaft. Wenn das Eckpunktepapier vorsieht, dass im Kontext der Transferleistungen der Hochschulen weitere Aufgaben wie eine "(Mit-)Verantwortung für eine an der Idee der Nachhaltigkeit orientierte Entwicklung von Staat und Gesellschaft", die Förderung von Gleichberechtigung und Vielfalt sowie die Internationalisierung besonders betont werden sollen, wird hier grundsätzlich und richtig eine soziale Aufgabe von Forschung und Lehre anerkannt.  Dieser Gedanke ist im Gesetzesentwurf weiter zu entwickeln, wobei aber zu beachten ist, dass es die Wissenschaftsfreiheit ist, die dem Transfer die nötige Glaubwürdigkeit und Akzeptanz verschaft. Gesetzliche Festlegungen auf Internationalisierung und Diversität sind hier - so nachvollziehbar im Anliegen - kontraproduktiv.  Unter dem "Ideal der zweckfreien Erkenntnis" und der Freiheit der Forschung dürfen vom Staat hier keine Vorgaben gemacht werden.

 

Transfer als Leistung der Geistes- und Sozialwissenschaften

Eine Transferleistung ihrer Forschung in die Gesellschaft ist für die meisten Fächer der Geistes- und Kultur- sowie der Sozialwissenschaften schon lange eine Selbstverständlichkeit.  


Transfer archäologischer Forschung in die Öffentlichkeit:
Geschichtspark Bärnau-Tachov und ArchaeoCentrum Bayern-Böhmen
- Rekonstruktion der frühmittelalterlichen Holzbauphase
der Kirche von Kleinlangheim, Unterfranken
(Foto: R. Schreg)

Aber auch für andere Fächer, wie zum Beispiel die Archäologie ist Transfer schon von Beginn an ein elementarer Teil des Fachs, denn zunächst waren es Museen, die als Plattform der Forschung dienten. Der Begriff des Transfers ist neu, nicht die Sache. Der Austausch mit der Öffentlichkeit war (und ist) für die Archäologie immer wichtig, um die Quellen zu bewahren und auch, um Fundmeldungen zu erhalten. Immer war das öffetnliche Interesse so groß, dass man versucht hat, die Öffentlichkeit einzubinden. Diese lange Tradition bedeutet allerdings nicht, dass es da keinen Verbesserungsbedarf gäbe und Transfer kein Thema mehr wäre. Eine Stärkung dieses Aspekts und eine größere Anerkennung für Zeit und Arbeit, die dafür aufgewandt wird, ist grundsätzlich zu begrüßen.

In der alltäglichen Praxis liefert die Archäologie - anders als die üblichen Medienberichte vermuten lassen - fast keine Sensationen. Ein Großteil der Forschung besteht darin, Funde und Befunde auszugraben, deren Bedeutung in der Orts- und Regionalgeschichte liegen, die es aber nie in die hochgerankten Journals schaffen können. Die Archäologie des Mittelalters wird im Wettbewerb um die ältesten Funde kaum je mit der Urgeschichte und Paläoanthropologie mithalten können, deren Themen älter und natürlich für die Menschheitsentwicklung viel grundlegender sind. Aber Befunde und Erkenntnisse, die das Mittelalter betreffen, sind deswegen nicht weniger wichtig, denn sie zeigen vergangenes Leben, hinterfragen was uns selbstverständlich scheint und meist doch erst aus spezifischen historischen Entwicklungen entstanden ist, oftmals eben gar nicht vor so langer Zeit. Bei der Arbeit vor Ort geht es oft nicht um die großen neuen Erkenntnisse, sondern um Regional- und Ortsgeschichte, die ein wichtiger Anknüpfungspunkt für die historische und gesellschaftliche Bildung ist, mithin auch für das, was "Heimat" ausmacht. Auf einer wissenschaftlichen Ebene führt die Auseinandersetzung mit dem Mittelalter zu einem Verständnis der Bedeutung von Nachhaltigkeit und von Diversität und ist überhaupt ein wesentlicher Teil einer Orientierung in der Gegenwart. Gerade die alltägliche Forschung ermöglicht es, die Bürgerinnen und Bürger anzusprechen, für die Vergangenheit zu interessieren und vergangene Lebensweisen zu reflektieren - und so Transferleistungen zu erbringen. Dabei dürfte übrigens oftmals der Publikation in den "Mitteilungen des Historischen Vereins xy" größere Bedeutung zukommen, als in den angeblichen High-Impact-Journals. Eine formal größere Bedeutung des Transfers kann den kleinen Fächern und letztlich der Gesellschaft zugute kommen - sie steht aber in einem Widerspruch mit den üblichen "Indizes", die das Eckpunktepapier als grundlegend "für eine erfolgsorientierte (Teil-)Finanzierung" sieht. Wenn Bemühungen um Wissenschaftskommunikation, um Citizen Science oder auch Angebote für die Schule, eine größere Anerkennung finden, wäre das auf alle Fälle zu begrüßen.  
 
Transfer der Mittelalterarchäologie:
der digitale Museumskoffer der Bamberger AMANZ




Weiterbildung als Chance

Insofern ist der Gedanke,  vermehrt auch an Weiterbildungsprogramme zu denken, ganz folgerichtig: Als Aufgabe der Universitäten wird neben dem klassischen Studium lebenslanges Lernen und Weiterbildung definiert mit der Option, dazu weiterbildende Masterstudiengänge und Zertifikatsangebote oder Modulstudien anzubieten. Ob sich dafür zahlende Interessenten finden lassen, wie das der Politik offenbar vorschwebt, scheint aber fraglich.

Nach den Erfahrungen aus der Archäologie sind wir vielmehr in der Praxisausbildung darauf angewiesen, die Studierenden zu ihrer Weiterbildung genau zu dem potentiellen Zielpublikum zu schicken. So sehr Studiengänge auch die Berufsperspektiven ihrer Absolvent*innen im Auge haben, so werden sie doch nie im Sinne einer Ausbildung alle Grundkenntnisse für die sehr heterogenen Tätigkeitsfelder und deren unterschiedlichen Berufsalltag vermitteln können. Es könnte durchaus interessant sein, ob sich nicht in verstärktem Maße öffentlich-private Partnerschaften entwicklen lassen, indem beispielsweise Unis und Grabungsfirmen zusammenarbeiten. Eine Förderung diesbezüglich wird aber vor allem mit rechtlichen Hürden außerhalb des Hochschulgesetzes, etwa im Wettbewerbsrecht zu kämpfen haben. Mit Ausgründungen und Weiterbildung, wie sie im Eckpunktepapier angedacht sind, hat das aber wenig gemein.


Blinde Flecke: Lehre sowie Wert der Geistes- und Kulturwissenschaften

In der vorliegenden Form ist das Eckpunktepapier sehr einseitig auf eine unternehmerische Organisation der Universitäten ausgerichtet. Viele wichtige Aspekte werden nicht oder nur sehr vage angesprochen.  Zwar verspricht das Papier, dass das neue Hochschulgesetz "die Anliegen der Nachwuchswissenschaftlerinnen und -wissenschaftler sowie der Studierenden ... fest im Blick" hat. Hier fehlen im Eckpunktepapier aber klare Aussagen, wie das konkret mit Inhalten gefüllt werden soll. Auch Aspekte der Diversität und Gleichberechtigung kommen sehr kurz. Ganz besonders fällt jedoch auf, wie wenig die Lehre und die Qualität der Lehre thematisiert werden. 
Die Förderung von Transfer und Weiterbildung kann durchaus Chancen eröffnen, wenn man deren Ziele genauer reflektiert. Eine größere Anerkennung universitärer Leistungen auf diesen Feldern ist durchaus begrüßenswert. Das würde aber auch bedeuten, der Lehrerausbildung an den Universitäten einen größeren Stellenwert einzuräumen. Mit einer so extremen wirtschaftlichen Orientierung, wie sie im Eckpunktepapier zum Ausdruck kommt, wird das Lehramtsstudium eher noch mehr marginalisiert und der Lehrermangel und die Qualität der Schulbildung eher verschlimmert.
 
Insgesamt bildet das Papier nur einen kleinen Teil der Universitäten ab. Lehrerausbildung oder Geistes- und Kulturwissenschaften. sind nicht angemessen mitgedacht. Bavaria One und High-Tech-Agenda sind sicher wichtige Programme, aber sie bringen wenig, wenn die Gesellschaft orientierungslos ist. Zukunftsfähige Visionen entstehen erst, wenn man Gegenwart und Vergangenheit verstanden hat und weiß, wie sich Gesellschaften verändern, wie Mensch und Umwelt aufeinander einwirken, wie Menschen kommunizieren und agieren.

 


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