Samstag, 23. Juli 2011

Ein Pinkelstreifen links vor der Haustür - Phosphatanalysen an einem Hausgrundriß des 8. Jahrhunderts

Schalkstetten. Beprobung für Phosphatanalysen
(Foto: R. Schreg)
Phosphatanalysen an einem frühmittelalterlichen Hausgrundriss aus Schalkstetten (Gde. Amstetten UL) zeigen verschiedene Aktivitätszonen, wie sie ähnlich an frühmittelalterlichen Gebäuden in Nord- und Süddeutschland schon festgestellt wurden. 2005 war am Ortsrand von Stubersheim der Grundriß eines Pfostenbaus freigelegt und beprobt worden. Nach den Keramikfunden datiert das Haus ins 8. Jahrhundert. Nun liegen die am Curt-Engelhorn Zentrum für Archäometrie durchgeführten Phosphatanalysen publiziert vor (Archäologisches Korrespondenzblatt 41/2, 2011 - online bei academia.edu).




Phosphatkonzentrationen im Boden entstehen durch Exkremente, Kadaver oder beispielsweise auch Bratenfett. Da Phosphat im Boden recht stabil bleibt, können so Misthaufen, Stallteile, Abtritte aber auch Kochstellen lokalisiert werden.
(Graphik: R. Schreg)


Die Phosphateinträge im Stallteil, an der Feuerstelle sowie unter dem Dachvorsprung an der Südwestecke des Hauses entsprechen dem gängigen Muster. Gerade die Konzentration an der Südwestecke ist auffallend, da sich ein ähnliches Bild bei Phosphatanalysen an kaiserzeitlichen und frühmittelalterlichen (und z.T. auch neolithischen) Häusern immer wieder zeigt. Drei Erklärungsmöglichkeiten bieten sich an:
  • Zufall. Die Zahl der Untersuchungen ist noch zu gering, Überlagerungen von unterschiedlich alten Hauszonen sind nicht immer auszuchließen.
  • Faulheit. Die Stelle an der Südwestecke ist nahe der Haustür und so könnte sich hier tatsächlich ein "Pinkelstreifen" abzeichnen.
  • Absicht - Möglicherweise zeichnen sich in den erhöhten Phosphateinträgen aber auch besondere Aktivitäten ab. Nach ethnographischen Analogien könnte Schwefelgewinnung eine Rolle spielen; grundsätzlich ist aber auch zu fragen, wie das Abfall- und Fäkalienmanagement in einer ländlichen Siedlung ausgesehen hat. Die in den Städten üblichen Latrinen fehlen, der Dung war wertvoll, aber der Scherbenschleier (die flächige Verteilung von Keramikscherben auf den Ackerflächen) setzt in vielen Regionen erst im Spätmittelalter ein.
Das Phosphat könnte also auch einen Indikator für die Stoffkreisläufe innerhalb einer Siedlung darstellen. Daran knüpfen sich Überlegungen zum »Dorfökosystem« des Mittelalters und es ergeben sich neue Fragen zur Wirtschaftsweise und insbesondere zu den Dung- und Landnutzungsstrategien.

Literaturhinweis
  • Rainer Schreg / Sonja Behrendt: Phosphatanalysen in einem frühmittelalterlichen Haus in Schalkstetten (Gde. Amstetten, Alb-Donau-Kreis). Arch. Korrbl. 41/2, 2011, 263-272 (online).
  • Rainer Schreg: Die mittelalterliche Siedlungslandschaft um Geislingen – eine umwelthistorische Perspektive. In: H. Gruber (Hrsg.), "in oppido Giselingen..." 1108 - 2008. Acht Vorträge zum 900jährigen Jubiläum von Geislingen. Veröffentlichungen des Stadtarchivs Geislingen (Geislingen 2009) 9-97 (online).
  • R. Schreg, Grabungen in einer früh- bis hochmittelalterlichen Siedlung am Ortsrand von Schalkstetten (Gde. Amstetten, Alb-Donau-Kreis). Arch. Ausgr. Bad.-Württ., 2005, 181–183.
     

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