Mittwoch, 27. Dezember 2023

Neo-Wikinger - und die ethische Verantwortung der Archäologie?


Die Wikinger schaffen heute unter Skandinaviern eine Phantasy-Identität als heidnische Indigene, die an die Ideologie der Neo-Rechten erinnert, die für sich in Anspruch nehmen, keinem Rassismus zu frönen, sondern verschiedene Identitäten und Ethnien zu respektieren, sich selbst aber dennoch von ihrem Blut her dennoch für irgendetwas Besseres halten - sich aber zugleich als unterdrückte Opfer von wem auch immer (wobei hier  dann vielfach Antisemitismus oder Islamfeindlichkeit ins Spiel kommt) sehen.

Wikingerschlacht in Wolin, 2017
(Foto: Jakub T. Jankiewicz, CC BY SA4.0,
via WikimediaCommons)

 
Diese Spielart rechter Ideologie erlaubt es auch, dass Wikinger und Slawen, die in der alten Nazi-Welt als Erbfeinde begriffen werden müssten, die einen als "Herren-", die anderen als "Untermenschen" nun gemeinsam solche Festivals veranstalten, etwa im polnischen Wolin.

Der Artikel in fluter geht nicht darauf ein, welche Rolle die Archäologie dabei spielt, aber das thematisierte Midgardsblot-Festival ist nicht allein ein Heavy-Metal-Festival, sondern  auch ein Wikingerfestival, das seit 2015 regelmäßig (nur während Corona online) vom Midgards Vikingcentre in Borre ausgerichtet wird.

Das bei fluter angesprochene Forschungsprojekt „Back to Blood“, 2020 bis Mitte 2024  finanziert vom Norwegischen Forschungsrat (NFR) an den Universität Linköping und Stavanger analysiert die Konsequenzen, die sich daraus ergeben, dass kulturelle Akteure die Nachfrage nach Wikingern und der nordischen Vergangenheit decken. Die Hypothese von „Back to Blood“ ist es, "dass der Bezug zur nordischen Vergangenheit in aktuellen Kulturproduktionen und spirituellen Strömungen mit den Sorgen der Menschen um Nachhaltigkeit, Identität und Staatsbürgerschaft verbunden sind. Solche kulturelle und spirituelle Produkte sind beispielsweise Fernsehserien, Filme, digitale Spiele, Musik, Festivals und Wikingermärkte sowie neue Formen der Verbreitung und Nutzung der nordischen Vergangenheit im Museums-, Schul- und Tourismusbereich."

Die Rolle der Archäologie wird/wurde in dem Projekt anscheinend aber nur im Hinblick auf die Frage der Bedeutung traditionellen Handwerks für die Vermittlungsarbeit in archäologischen Museen ein. Interessant wäre m.E. genauer zu untersuchen, welche Forschungsarbeiten und welche Museumspräsentationen im Reenactment wie herangezogen werden. Welche wissenschaftlichen Aussagen werden gemacht, wie werden sie in der Öffentlichkeit aufgegriffen. Werden Onjekte selektiert oder bevorzugt? Wenn ja, welche? Wo kommen die Bedeutungszuschreibungen her?

Daran schließt sich für die Archäologie eine wichtige ethische Frage an: Dürfen archäologischen Museen oder andere Institutionen solche Strömungen, die ihnen ja durchaus Publikum und Aufmerksamkeit bringen können, unterstützen?

Meine Antwort: Nein!

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