Montag, 18. November 2019

Archäologie als Ausrede und Sündenbock

Einweihung der Krim-Brücke im Mai 2018 durch Präsident Putin
(Quelle: Kremlin.ru [CC BY 4.0 gemäß http://en.kremlin.ru/about/copyrights] via http://en.kremlin.ru/events/president/news/57472)
Nach der russischen Besetzung der Krim wurde eine Brücke über den Bosporus bei Kertsch zur wirtschaftlich bedeutenden Verkehrsverbindung zwischen der Krim und Russland - und zugleich ein politisches Prestigeprojekt. Im Mai 2018 weihte der russische Präsident Putin nach der Besetzung der Krim 2014 die Brücke ein, indem er persönlich einen der ersten Lastwagen über die Brücke fuhr.

Die Brücke war in nur zwei Jahren Bauzeit errichtet worden., obwohl das Projekt wegen der Meeresströmung, einem instabilen Untergrund infolge von Verkarstung, seismischer Aktivität und Schlammvulkanen technisch äußerst anspruchsvoll ist.

Eine erste deutsche Pionierbrücke aus dem Zweiten Weltkrieg wurde unter Stalin zur Eisenbahnbrücke ausgebaut, doch ist sie wegen starken Eisgangs nach nur drei Monaten eingestürzt. Ein Neubauprojekt in den 1950er Jahren musste eingestellt werden, nachdem sich der Untergrund als zu instabil erwiesen hat.
Auch über die aktuelle Brücke gibt es warnende Stimmen und auch Berichte über einige praktische Probleme. Vermehrt gibt es Berichte um Schwierigkeiten beim Bau der Brücke und Zufahrtswege. So soll im September 2018 ein Bahntunnel auf der neuen Zufahrtsstrecke eingestürzt sein. Außerdem gibt es Zweifel an der Stabilität der Brücken.
Die Eröffnung der parallelen Bahnbrücke, die für dieses Jahr, 2019 angekündigt war, wurde verschieben. Ein erstes Gleis wurde im Sommer zwar tatsächlich gelegt, aber die Fertigstellung der Bahnbrücke verzögert sich.

Schuld an der Verzögerung bei der Bahnbrücke sind offiziell aber nicht die technischen Schwierigkeiten oder der Tunneleinsturz, sondern: die Archäologie. Jedenfalls mutmasst der Stern, dass die aktuellen Ausgrabungen willkommen sind, um von den eigentlichen Problemen abzulenken.

Während der Bauarbeiten wurde überraschend eine Villa aus der Zeit des Bosporanischen Königreichs, genauer aus dem 4./3. Jahrhundert v.Chr. entdeckt.


Archäologie ist auf der Krim in hohem Maß in die politische Auseinandersetzung eingebunden. Viele Vorgänge und Einschätzungen sind deutlich von politischen Schachzügen geprägt und mahnen auch zur Vorsicht gegenüber den einzelnen Informationen.

Zum Zankapfel wurde die problematische Rückgabe von Ausstellungsleihgaben, die zum Zeitpunkt der russischen Besetzung der krim 2014 auf Ausstellungstour in den Niederlanden waren:
Die Ukraine erhebt Vorwürfe illegaler Grabungen, da sie Grabungslizenzen russischer Behörden nicht anerkennt. Darstellungen einer gezielten Zerstörung von Kulturgut sind daher mit Vorsicht zu betrachten:
Teilweise wurden wichtige Personalentscheidungen Chefsache. Hier geht es wohl um politische Einflussnahme auf Museen und Fundstellen, insbesondere im Falle der für die Christianisierung Russlands so bedeutenden Vladimir-Kirche in Cherson bei Sevastopol.
Übrigens bietet die Krim auch forschungsgeschichtlich ein interessantes Beispiel der propagandistischen Vereinnahmung der Vergangenheit, als die Krimgoten ins Blickfeld der stalinistischen UdSSR und NS-Deutschland gerieten.

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