Montag, 18. Januar 2016

Präsentation der Deutschen Fassung der Roten Liste des ICOM für den Irak

Jutta Zerres

Wo steht der Kulturgüterschutz im Jahre 2030 ? – Markus Hilgert stellt diese Frage an die Teilnehmer der Diskussionsrunde, die sich am Abend des 14. Januar 2016 im archäologischen Zentrum Berlin versammelt hat. Hier sitzen neben dem Direktor des Vorderasiatischen Museums Friederike Fless (DAI), Hermann Parzinger, (Stiftung Preussischer Kulturbesitz), France Desmarais (ICOM) und der Botschafter des Irak H. M. Fadhlalla Alkhateeb vor dem Publikum. Hilgerts Frage wirkt vor dem Hintergrund der Veranstaltung und der gesamten aktuellen Lage gerade zu kühn. Unnötig zu sagen, dass die derzeitige Situation für den Kulturgüterschutz vor allem in Nahost mehr als schwierig ist (vergl. Archaeologik).

Die Neubearbeitung der ICOM Roten Liste für den Irak ist eine Reaktion darauf. Die erste Ausgabe war 2003 erschienen vor dem Hintergrund der Plünderung des Bagdader Nationalmuseums im Irakkrieg. Es handelt sich um die 15. Rote Liste, die für 14 Länder herausgegeben wurden, deren Kulturgüter durch Krieg, politische Unruhen oder Naturkatastrophen bedroht sind. Die kleinen Faltblätter sind gedacht als Handreichungen für den Zoll und die Strafverfolgungsbehörden, aber auch für Sammler, den Handel oder Touristen. Sie bieten einen kompakten bebilderten Überblick über die verschiedenen Kategorien von archäologischen Funden, die bevorzugt geraubt, illegal ausgegraben und verhandelt werden. Die abgebildeten Stücke sind keine tatsächlich gestohlenen, sondern stammen aus Museumsbeständen (u. a. des Vorderasiatischen Museums Berlin) und stehen repräsentativ für die jeweilige Objektgruppe. Ziel der Listen ist die Bewußtseinsschärfung bei den angesprochenen Zielgruppen.

Zuerst werden die Verzeichnisse ders ICOM in englischer Sprache herausgegeben und dann in weitere Sprachen übersetzt. Die Stiftung Preussischer Kulturbesitz finanzierte die Übersetzung der aktuellen Irak-­Liste. Derzeit sind weitere deutsche Übersetzungen zu Libyen und Mali in Arbeit.
Vorstellung der Deutschen Fassung der Roten Liste
der ICOM für den Irak, Berlin 14.1.2016
(Foto: J. Zerres)

Rote Listen sind kein Allheilmittel gegen Raubgrabung und illegalen Handel, sondern Teil eines Bündels von Massnahmen dagegen. In den Einführungsworten und während der Diskussion wurde immer wieder auf die Bedeutung des Kulturgüterschutzes hingewiesen. Kulturgüterschutz ist Schutz der Identitäten von Menschen und daher von gleicher Bedeutung wie der Schutz von Leib und Leben. „Es gibt keine entweder oder“ stellte F. Fless heraus. Der irakische Botschafter brachte es treffender auf den Punkt: "Protecting my heritage is protecting my identity is protecting me." (s. dazu auch: Archaeologik 1.6.2015).

Höhepunkt der Veranstaltung war die Rückgabe einer Tontafel mit Keilschrift, die im Februar 2014 illegal auf der Onlineplattform Ebay zum Verkauf angeboten worden war. Sie stammt vermutlich aus der Fundstätte Girsu (heute Telloh) und wird um 2000 v. Chr. datiert. Das LKA Berlin fand heraus, dass der Verkäufer in Schleswig-Holstein lebt. Die Kripo Eutin begann zu ermitteln und beschlagnahmte das Stück.

Kulturstaatsministerin Grütters hob in ihren Grußwort die Bedeutsamkeit der von ihr initierten Gesetzesnovelle hervor. Es sei längst überfällig, dass sich Deutschland als Kulturnation zu seiner Verantwortung für das kulturelle Erbe der Menschheit bekenne. Die Zauberworte der Gesetzesnovelle heißen „Herkunftsnachweis“ und „Ausfuhrgenehmigung“.

Der Gesetzesentwurf wurde allerdings schon mehrfach kritisiert, denn gut gemeint ist noch lange nicht gut gemacht (vergl. Archaeologik 30.11.2015; 7.10.2015; 24.9.2015): Der vorliegende Entwurf ist zwischenzeitlich durch Einführung einer Fristenregelung so weit ausgehölt, dass er dem ursprünglichen Anspruch nicht mehr gerecht wird. In § 32 gibt es eine Einschränkungm, die die Vorlage entsprechender Papier nämlich nur für archäologische Funde, die nach dem Stichtag 26. 4.2007 nach Deutschland eingeführt wurden, verlangt. Dieses bedeutet in der Konsequenz, dass Objekte, die vor dem Stichtag eingeführt wurden, legalisiert und handelbar gemacht, egal ob sie aus Raubgrabungen stammen oder nicht. Aber immerhin: Deutschland ist mit diesem Gesetzentwurf das erste Land, das die ICOM Roten Listen gesetzlich verankert.
Und die Zukunft des Kulturgutschutzes? Die liegt in der Kooperation. Darüber ist sich die Runde einig. Die internationale Zusammenarbeit und ein gemeinsames Vorgehen gegen den illegalen Handel werden von entscheidender Bedeutung sein.

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1 Kommentar:

gudea hat gesagt…

Der Link auf's deutsche PDF verknüpft zur französischen Fassung.