Auf dem AMANZblog zu einem Neufund
Archaeologik ist ein Wissenschaftsblog zu Themen der Archäologie und des Kulturgutschutzes. Er zielt auf eine kritische Archäologie, die sich mit methodisch-theoretischen, wissenschaftspolitischen und gesellschaftlichen Aspekten der Archäologie auseinandersetzt und die alltägliche Forschungspraxis reflektiert.
Archaeologik is a science blog contributing to various aspects of critical archaeology and cultural heritage including methodology, theory and daily archaeological practice.
Samstag, 17. August 2024
Montag, 12. August 2024
Dienstag, 6. August 2024
Rio Tinto in Serbien
Es ist im übrigen Rio Tinto, das in den kommenden Jahren im Jadar-Tal im Westen Serbiens, in einer alten Kulturlandschaft den Lithium-Abbau vorantreiben soll.
Lithium wird in der Energiewende zunehmend für Akkus benötigt. Bundeskanzler Scholz verständigte sich mkt der serbischen Regierung auf ein Memorandum, dass der Lithiumbergbau in Serbien vorangetrieben werden solle. Nach Protesten in der betroffenen Region hatte die serbische Regierung das Projekt eigentlich auf Eis gelegt.
Proteste in Serbien richten sich gegen die Risiken des Bergbaus und die Umweltzerstörung. In einer Stellungnahme von Rio Tinto wird indes auch die Zerstörung archäologischer Stätten angesprochen. Betroffen von dem Untertagebergbau sei lediglich eine Fläche von 220 ha. In diesem Areal oder direkt anschließend lägen ein bronzezeitliches Gräberfeld und eine Kirche. Es handelt sich um das alt bekannte Grabhügelfeld Paulje bei Brezniak, ca. 12 km südwestlich von Loznica. Das Museum Jadar führt hier seit langem Grabungen durch, lange bevor Lithium interessant erschien. Aktuell arbeitet hier seit 2011 das internationale JADAR Geoarchaeological project (auf facebook) in Kooperation zwschen Museum, dem Archäologischen Institut in Belgrad, der Denkmalbehörde und dem Brooklyn College aus New York.
Serbien hat die Konvention von Malta ratifiziert und insofern müsste Rio
Tinto nach dem Verursacherprinzip die Grabungskosten tragen.
Rio Tinto nimmt für sich in Anspruch, bereits die laufenden Forschungen maßgeblich unterstützt zu haben:
"We have been cooperating with the Jadar Museum in Loznica to support the careful excavation of cultural artifacts, such as burial mounds, ceramics, stone tools and bronze objects. While supporting conventional research methodologies, excavation and preservation of artefacts for public display, we have also invested in advanced technology, including LiDAR and geomagnetic technologies, which have improved the precision of survey techniques to better identify and map archaeological sites. These technologies have also improved the excavation of important finds."
Rio Tinto sollte nach all den Erfahrungen mit großen Bergbau- und Energiekonzernen genau auf die Finger geschaut werden, wie hier der Umgang mit den wissenschaftlichen Quellen aussieht.
Literatur
- R. Gligoric / V. Filipovic / A. Bulatovic, An AMS dated late Bronze Age grave from the mound necropolis at Paulje. Starinar 66, 2016, 103–109. - doi:10.2298/STA1666103G
- D. Madas, The location of graves and grave goods in Paulje Necropolis, NW Serbia, between 13th-6th c : BC. In: Pratiques funéraires dans l'Europe des XIIIe - IVe s. av. J.-C. Actes du Ill' Colloque International d'Archéologie Funéraire, Tulcea 1997,. Publications de l'Institut de Recherches Eco-Muséologiques de Tulcea (Tulcea 1997) 55–65.
Links
- Der Schatz vom Jadar-Tal. TAZ 3.1.2023. - https://taz.de/Umstrittenes-Lithium-aus-Serbien/!5899786/
- Lithiumabbau in Serbien: "Eine offene und produktive Debatte ist nicht möglich". Heinrich-Böll-Stiftung 18.7.2024. - https://www.boell.de/de/2024/07/18/lithiumabbau-serbien-eine-offene-und-produktive-debatte-ist-nicht-moeglich
- EU und Serbien schließen Abkommen über Abbau von Lithium im Jadar-Tal. Zeit online 19.7.2024. - https://www.zeit.de/wirtschaft/2024-07/lithium-serbien-eu-abkommen-olaf-scholz-alexandar-vucic
- Grünes Licht für Lithium-Mine sorgt für Unmut in Serbien. DW 19.7.2024. - https://www.dw.com/de/gr%C3%BCnes-licht-f%C3%BCr-lithium-mine-sorgt-f%C3%BCr-unmut-in-serbien/a-69717277
Interne Links
- Rücktritt der Bergbau-Chefs: Verantwortung für Kulturgutzerstörung. Archaeologik 11.9.2020
- Dank an Rio Tinto. Archaeologik 31.7.2024. - https://archaeologik.blogspot.com/2024/07/dank-rio-tinto-fur-die-zerstorung-einer.html
- https://archaeologik.blogspot.com/2014/04/streit-um-die-goldmine.html
- Älteste Goldmine wird nach dubiosem Gutachten einer modernen Minengesellschaft preisgegeben. Archaeologik (22.8.2013)
Sonntag, 4. August 2024
Russische Geschichtsfantasy in Chersonesos: UNESCO-Welterbetitel muss aberkannt werden
Ein Post der russischen Botschaft in Südafrika auf TwiX zeigt einige Bilder der Anlage.
In Sevastopol, Crimea 🇷🇺, the construction of the historical and archaeological park "Chersonese Tauride" is actively underway.
— Russian Embassy in South Africa 🇷🇺 (@EmbassyofRussia) February 6, 2024
💬 Soon our country’s first Museum of Christianity, an open-air Temple Park, the Museum of Crimea and Novorossiya, two youth centers, a reconstruction… pic.twitter.com/q1I3ukFb4K
Eine russische Nachrichtensendung von HTC Sevastopol auf youtube vermittelt weitere Eindrücke:
Auf youtube steht auch erste Touristen-Video:s
- Putin baut sich sein eigenes Disneyland. FAZ 16..7.2024. - https://www.faz.net/aktuell/feuilleton/kunst-und-architektur/putin-zerstoert-auf-der-krim-denkmaeler-fuer-sein-eigenes-disneyland-19857538.html
- Russifizierung von Ruinen. TAZ 1.8.2024. - https://taz.de/Krieg-in-der-Ukraine/!6026432/
- Putins Disneyland auf der Krim. Deutschlandfunk 31.7.2024. - https://www.deutschlandfunk.de/chersones-putins-disneyland-auf-der-krim-dlf-33a777e5-100.html
- und BR24 - https://www.br.de/nachrichten/kultur/chersones-putins-disneyland-auf-der-krim,UJMSdIm
- Russland macht Krim-Stadt Chersones zu «russischem Disneyland». SRF 23.7.2024. - https://www.srf.ch/kultur/gesellschaft-religion/zerstoerung-von-weltkulturerbe-russland-macht-krim-stadt-chersones-zu-russischem-disneyland
- The Alteration of Chersonesos Taurica: Destruction and Controversy in Crimea. Greek City Times Juli 2024. - https://greekcitytimes.com/2024/06/27/the-alteration-of-chersonesos-taurica-destruction-and-controversy-in-crimea/
Die antike Stadt Chersonesos westlich von Sevastopol mit Eintrag der Flächen, die nach GoogleEarth seit 2014 umgestaltet wurden (Graphik R. Schreg) |
- vgl. https://ciss.org.ua/en/map.html mit Zoom auf Chersonesos - Die Seite des Crimean Institute for Strategic Studie präsentiert eine Liste der Kulturgutzerstörungen inklusive aller Grabungen, die auf der Krim nach 2014 ohne Genehmigung der ukrainischen Behörden durchgeführt wurden. Die Beschreibungen wurden offenbar von Archäologen vorgenommen, bieten aber leider keine Quellen zu den Aussagen über die russischen Grabungen. Im Falle einiger Aussagen über die Höhensiedlung Mangup wurden offenbar die Publikationen in der Zeitschrift MAYET ausgewertet.
- Die Russen zerstörten Chersonesus Tavriyskyi auf der Krim vollständig. Pragmatika 27.6.2024. - https://pragmatika.media/de/news/rosiiany-povnistiu-zrujnuvaly-khersones-tavrijskyj-v-krymu/
- Russia totally destroys Chersonese UNESCO site in grotesque attempt to justify Crimean occupation. Human Rights in Ukraine 29.7.2024 - https://khpg.org/en/1608813864
Zweifellos ist der Putinpark eine nicht zu rechtfertigende Zerstörung archäologischer Quellen. Wissenschaftliche Seriosität gebietet es, dem dort ptäsentierten Geschichtsbild (da ist auch mit Führungen oder seriösen Ausstellungen vor Ort nichts mehr zu retetn) vehement zu widersprechen - aber auch, dass ukrainische Propaganda nicht unbesehen wiederholt und verbreitet wird. Die Medienberichte blieben hier allesamt sehr unkritisch und folgen den Darstellungen der Interviewpartner, die überwiegend nicht als Wissenschaftler, sondern als Kriegsbeobachter und -kommentatoren agieren.
Anzumerken ist deshalb auch, dass bei der berechtigten Empörung auf ukrainischer
Seite fragwürdige Eingriffe in die archäologische Stätte bereits
vor der russischen Okkupation eingesetzt haben. Ein Vergleich der
historischen Luftbilder auf Google Earth zeigt, dass bereits 2008 im
Umfeld der modernen Vladimir-Kathedrale einige Gebäude in das Ruinengelände gebaut worden
sind. Auch die Anlage eines Gartens und der Ausbau des Theaters ist bereits auf
einem Luftbild des Jahres 2012 zu erkennen. Die Installationen im Theater scheinen nun indes größer und schwerer geworden zu sein.
GoogleEarth zeigt kein beruhigendes Bild, aber ein anderes als es in aktuellen Medienberichten wiederholt wird. Neu-Chersonesos ist ein Propagandaprojekt, das abermals die Bedeutung der Geschchichtspolitik in Putins Herrschaftsdenken belegt.
Putin als Plünderer der Antike im August 2011 (Foto: Kreml, CC BY 4.0 via WikimediaCommons) |
Fazit: UNESCO-Welterbetitel muß aberkannt werden
Der Status als UNESCO-Welterbe muss Chersonesos aberkannt werden! Angesichts der Tatsache, dass die UNESCO dies schon bei geringeren Eingriffen getan hat, ist es zwingend geboten, dass die UNESCO in Moskau protestiert und den Welterbetitel auch entzieht. Putins-Propaganda-Geschichte darf nicht durch ein Welterbelabel aufgewertet werden.
weitere Links
- UNESCO-Welterbe: https://whc.unesco.org/en/list/1411/
interne Links
- Moskau übernimmt Kontrolle in 'Nationalheiligtum' auf der Krim. Archaeologik 6.8.2015
- Archäologie auf der Krim. Archaeologik 22.7.2017
- Bewusste Zerstörung durch Restaurierung? Archaeologik 30.12.2017
- Die historische Dimension der Ukraine-Krise. Archaeologik (9.2.2022) . - https://archaeologik.blogspot.com/2022/02/die-historische-dimension-der-ukraine.html
- „Russland,
Ukraine, Weißrussland – das ist das heilige Russland“ - Die
frühgeschichtliche Dimension der Ukrainekrise. Archaeologik (22.1.2022).
-
https://archaeologik.blogspot.com/2022/01/russland-ukraine-weirussland-das-ist.html
- Russische Historiker- und Archäologendelegation in den annektierten Gebieten der Ukraine. Archaeologik 6.10.2022
- Russische Geschichte in Personalunion mit dem Geheimdienst. Archaeologik (9.10.2022). - https://archaeologik.blogspot.com/2022/10/russische-geschichte-in-personalunion.html
- Beiträge auf Archaeologik zur Krim
Literaturhinweise
- J.C. Carter (Hrsg.), Crimean Chersonesos: City, Chora, Museum, and Environs (Austin 2003)
Joseph Coleman Carter/ Melba Crawford/ Paul Lehman/ Galina Nikolaenko/ Jessica Trelogan, The Chora of Chersonesos in Crimea, Ukraine. American Journal of Archaeology 104/4, 2000, 707-741