Dienstag, 20. Juni 2023

Mississippi - Überreste und Artefakte der amerikanischen Ureinwohner aus dem Arkabutla-See geplündert

von Stefan Bauer

Der Arkabutla-See ist ein am Coldwater River gelegener Stausee im US-Bundesstaat Mississippi. Er wurde 1940 im Zuge eines Großprojektes zur Reduzierung von Flutschäden als einer von vier Stauseen im Nordwesten Mississippis errichtet und bietet mit einer Besucherzahl von über 2 Millionen Menschen das ganze Jahr über gerade wegen der reichen Flora und Fauna eine Vielzahl von Freizeitaktivitäten (der Verfasser dieses Beitrages wurde selbst Zeuge des Fanges eines 30 kg schweren Welses aus dem See). 

 

Der aktuell abgelassene Arkabutla Lake im Jahr 2011,
DeSoto und Tate Counties, Mississippi
(Foto: Thomas R Machnitzk, CC BY SA 3.0
via WikimediaCommons)

Am 10. Mai 2023 warnte das Ingenieurkorps der US-Armee die Anwohner, sich vom Stausee fernzuhalten, da am Damm „potenzielle Bruchgefahren“ festgestellt worden seien. Um die nötigen Reparaturmaßnahmen vor Ort in Angriff zu nehmen, wurde das Wasserreservoir von den Behörden schließlich nach und nach abgelassen.

Neben den sich hieraus ergebenden negativen Folgen für Pflanzen und Tiere, sind nun auch Überreste der Ureinwohner der Gegend auf dem ausgetrockneten Seegrund massiv bedroht.

Vor dem Bau des Staudamms war das Gebiet einst ein dichtes Waldgebiet, das von den Chickasaw-Indianern bewohnt wurde, die ihre Toten in dem Gebiet bestatteten, das heute den See bildet. Die Chickasaw traten das Erbe der Mississippi-Kultur an, der letzten prähistorischen Kultur im Südosten der USA vor dem Kontakt mit den Europäern. Diese ist vor allem bekannt durch den Nachweis tausender Erdwerke innerhalb ihres Verbreitungsgebietes und weist Parallelen mit zeitgleichen Kulturen Zentralmexikos auf.

Laut einer ganzen Anzahl an Artikeln zum Thema hat die momentane Situation des exponierten Seegrundes zu einem regelrechten Raubgräbertourismus geführt. Der Kurator des DeSoto County Museum, Robert Long, sagte, es gebe glaubwürdige Berichte über Menschen, die draußen im See auf Allrad-Geländewagen Knochen, Töpfe und andere Grabbeigaben der amerikanischen Ureinwohner ausgegraben und als Souvenirs mitgenommen hätten.

Seitdem der Arkabutla-See, welcher Bundeseigentum ist, seine archäologischen Artefakte preisgegeben hatte, machte die Kunde von freiliegenden Artefakten innerhalb der „Teasure-hunt Society“ die Runde, so Long. „Einmal – ich weiß weder das genaue Datum noch die genaue Uhrzeit – waren in den Nachtstunden 100 Geländewagen in jedem Winkel hier unterwegs. Es gab andermal einen Schwarm von Allradfahrzeugen, die Gegenstände freilegten und ausgruben.“

Von offizieller Seite heißt es, dass es in den Nachtstunden zwischen dem 12. und 15. Juni 2023 zu „weit verbreiteten Plünderungen“ von Grabbeigaben der amerikanischen Ureinwohner, Störungen und Entweihungen menschlicher Überreste sowie zum Diebstahl von Artefakten kam.

Um die Öffentlichkeit darauf aufmerksam zu machen, dass jeder, der auf den Seegrund hinausgeht, tatsächlich eine Straftat begeht, wurde im Schatten dieser Vorkommnisse letzte Woche eine Pressekonferenz von Long abgehalten.

Dabei betonte er, dass Überreste und Artefakte der amerikanischen Ureinwohner durch das Federal Native American Grave and Repatriation Act (Bundesgesetz über Grabstätten und Restitutionen der amerikanischen Ureinwohner) vor Schändung und Plünderung geschützt seien, was es zu einer Straftat mache, solche Artefakte zu entnehmen oder diese auch nur aus deren Fundkontext zu bringen. Auch das Seegebiet selbst ist nach Einbruch der Dunkelheit für die Öffentlichkeit gesperrt. Zuwiderhandlungen können mit einer Geldstrafe von 10.000 US-Dollar oder gar einer Freiheitsstrafe von bis zu zehn Jahren geahndet werden.

Long fährt fort: „Wir fordern die Menschen auf, ihren gesunden Menschenverstand an den Tag zu legen und sich einfach von diesen Bereichen fernzuhalten.“

Über das exakte Ausmaß des Schadens lassen sich derzeit noch keine genaueren Angaben machen, doch bleibt festzuhalten, dass es sich bei den Meldungen um eine Vielzahl unterschiedlichster Quellen handelt, welche zum einen bis hinein in die „Treasure-Hunter“ Szene reichen, aber auch hochrangige Strafverfolgungs- und Justizbeamte im DeSoto County miteinbezieht, die die Dinge beobachtet und sich an Long gewandt haben.

Long fungiert als regionaler Kontaktmann für die Chickasaw-Nation. Er habe den Stamm über die Plünderungen informiert und festgestellt, dass sie darüber sehr besorgt seien.

„Ich kann nicht für sie sprechen, aber man kann an der Resignation in ihrer Stimme erkennen, dass sie damit ständig konfrontiert werden“, sagte Long. „Diese Artefakte gehören dem Volk der amerikanischen Ureinwohner, vor allem der Chickasaw-Nation. Dies ist ihre kulturelle Heimat. Man könnte meinen, Menschen würden Kulturen, die sich von ihrer eigenen unterscheiden, ehren und respektieren, aber manchmal wird man von Menschen mit ihrer Nachlässigkeit und Gleichgültigkeit verblüfft. Deshalb müssen wir die Öffentlichkeit darauf aufmerksam machen.“

Der Hauptteil des Stammes wurde während der Indianer-Umsiedlung (Trail of Tears) im ersten Drittel des 19. Jahrhunderts aus ihrer Heimat ins Indianerterritorium nach Oklahoma deportiert.

Um dem nächtlichen Treiben am wasserleeren Arkabutla-See ein Ende zu setzen, werden nun das DeSoto County Sheriff’s Department und das U.S. Army Corps of Engineers dort mit Patrouillen beginnen.

 

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Stefan Bauer, Powder Springs, Georgia/USA

 

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