Mittwoch, 14. Juni 2023

Afrika unerwünscht - War das Alte Ägypten schwarz oder weiß?

von Jutta Zerres

Zwei aktuelle Vorgänge zeigen, dass das moderne Ägypten Probleme mit der Vorstellung schwarzafrikanischer Komponenten in der antiken Kultur hat.

Dem Rijksmuseum van Oudheiden Leiden (RMO) wurde kürzlich von der ägyptischen Antikenbehörde, die seit Jahrzehnten bestehende Genehmigung für das Grabungsprojekt in Sakkara entzogen. Der Grund liegt in einem Konflikt um eine aktuelle Ausstellung des niederländischen Archäologie-Museums. In „Kemet. Egypt in hip-hop, jazz, soul & funk werden die Einflüsse der altägyptischen und nubischen Kultur auf das Schaffen von afro-amerikanischen Musikerinnen und Musikern in den letzten sieben Jahrzehnten thematisiert. Beispielsweise ließen sich Rihanna und ihre Kollegin Beyoncé für Fotos als Nofretete inszenierten. Der Rapper Nas ist auf einem Plattencover als Tutanchamun abgebildet und die Fugees-Sängerin Lauryn Hill rappte über die ägyptische Antike. Größen des Jazz wie Miles Davies ließen sich vom das Land am Nil inspirieren. Die Liste lässt sich mit Nina Simone, Prince, Fela Kuti, Erykah Badu und Michael Jackson noch erweitern.

Die Ausstellung verfolgt eine doppelte Zielsetzung:

1) will sie die Rezeption des antiken Ägypten bei schwarzen Musikern aufzeigen und die damit verbundenen Botschaften zu verstehen
2) will die Ausstellung zeigen, was die wissenschaftliche ägyptologische Forschung über Ägypten und Nubien aussagen kann..

Das Museum konstatiert dazu: “Die Ausstellung diskutiert, wie das alte Ägypten aus eurozentrischer und afrozentrischer Perspektive erforscht wurde. Afrozentrismus betrachtet Geschichte und Gesellschaft aus panafrikanischer Sicht und aus der Perspektive schwarzafrikanischer Diasporagemeinschaften. Das sieht und hört man manchmal auch an der Musik in der Ausstellung. Die Musik deckt beispielsweise Vorurteile in der Geschichtsschreibung auf und wirkt antischwarzem Rassismus entgegen. Das ist dem Museum wichtig.”

Aus Ägypten wurde der Vorwurf der „Geschichtsverfälschung“ durch „Afrozentrik“ erhoben. Laut der Zeitung „El Fagr“ sei die Schau „äußerst provokativ und erklärungsbedürftig“. Sie unterstütze afrozentrische Ideen und ziele darauf ab, die altägyptische Zivilisation von ihrem Volk zu trennen“. Es fehle die Klarstellung, dass es um nicht-ägyptische, afroamerikanische Musiker gehe. Hier würde nicht die Realität dargestellt, es handele sich viel mehr um Provokation und kulturelle Aneignung.

Museumsdirektor Wim Wijnand setzte sich zur Wehr: Die Schau sei mit großer Sorgfalt vorbereitet worden. Lange Zeit habe man das Land hauptsächlich als Teil des Mittelmeerraums wahrgenommen, aber aus der Perspektive vieler in Afrika geborene Musiker sei das alte Ägypten als eine afrikanische Kultur anzusehen. Er moniert weiterhin, dass niemand von den Kritikern nach Leiden gereist sei, um sich ein eigenes Bild zu machen.

Die Ereignisse erinnern an eine Kontroverse, die kürzlich um die Netflix-Doku-Drama-Serie „Queen Cleopatra“ entspann. In Ägypten, aber auch anderenorts regte sich Kritik, dass die legendäre Herrscherin von der dunkelhäutigen Britin Adele James verkörpert werde. Der Streaming-Dienst betreibe Blackwashing. Eine Petition fordert gar ein Verbot der Ausstrahlung.

Kleopatra VII, Portrait aus der Antikensammlung Berlin
(Foto:
Sailko,  CC BY SA 3.0  via WikimediaCommons)

 

Promi-Ägyptologe und ägyptischer Ex-Minister Zahi Hawass stellte taggleich mit der Veröffentlichung des NetflixTrailers eine anderthalbstündige Video-Dokumentation zu Kleopatra vor (Discover the true Cleopatra, auch auf youtube). Dabei wird auch die Frage der Black Cleopatra dargestellt und darauf verwiesen, dass dies 1.) historisch falsch und 2.) ein Konzept sei, das in der US-Geschichte wurzele, da sich afrikanisch nicht mit “black” gleichsetzen lasse..

Was aber ist die Wahrheit? Die antiken Schriftquellen schweigen zu dem Thema, antike Darstellungen in Porträts und auf Münzen helfen auch nicht weiter. Hawass verwies auf Kleopatras makedonisch-griechische Abstammung, verschweigt dabei aber, dass dies nur auf die väterliche Linie zutrifft. Über Kleopatras Mutter wissen wir allerdings nichts. 

Sicherlich legte die Pharaonenfamilie Wert auf die 'richtige' Abstammung. Aber die Dynastie der Ptolemäer war zum Zeitpunkt von Kleopatras Geburt knapp 300 Jahre am Nil ansässig. Ehen mit Personen aus der einheimisch-ägyptischen Bevölkerung sind wohl kaum auszuschließen. Eine blaß-weiße, europäische Kleopatra, wie sie von Theda Bara 1917 oder Liz Taylor 1963 verkörpert wurde, ist vor diesem Hintergrund eher unwahrscheinlich. 

Theda Bara als Kleopatra, 1917
(via WikimediaCommons)

Das Museum in Leiden präsentiert jedoch keine schwarze Pharaonin, sondern weisst darauf hin, dass das populäre Bild des alten Ägypten ein europäisches ist. Dem ein anderes Bild der Rezeption gegenüber zu stellen, ist Teil guter Wissenschaft.  Dass sich Ägypten gegen eine Vereinnahmung "seiner" Geschichte wehrt, ist nachzuvollziehen, trifft hier aber die Falschen. 


Links

Zur Ausstellung des RMO:


Zu „Queen Cleopatra“



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