Montag, 31. Mai 2021

Objektiver, replizierbarer, schneller und effizienter

Eine Studie aus den USA stellt eine automatisierte Keramikklassifikation vor (Pawlowicz/Downum 2021). Sie klassifiziert mithilfe von Deep Learning digitale Bilder von verzierten Keramikscherben nach einer bestehenden Typologie. Geeignete digitale Bilder verzierter Scherben konnten mit einer recht hohen Genauigkeit von über 83% den Gruppen richtig zugewiesen werden. Die Technik übertrifft damit die Qualität der Fundbestimmung durch echte Archäolog*innen mit entsprechender Expertise. Grundlage der Studie waren Tausende von Keramikscherben der Tusayan White Ware, einer handgemachten bemalten Keramik der Pueblo-Kultur im Amerikanischen Südwesten, etwa aus der Zeit vom 9. bis 13. Jahrhundert. Diese sehr zahlreich vorhandene Ware bietet mit einem deutlichen Kontrast von schwarz-auf-weiß klare Muster, die auch auf weniger qualitätvollen Fotos gut zu erkennen sind. Für die Studie haben vier erfahrene Kollegen das Material unanhängig voneinander anonym klassifiziert. Nur bei etwa 79% der Scherben waren sich alle vier Experten tatsächlich in der Bestimmung einig. Diese Klassifikation bildete die Basis für ein überwachtes Training des maschinellen Lernens mittels der Methode des Convolutional Neural Networks (CNN). Die Autoren sehen es für erwiesen an, dass maschinengestützte Bilderkennung objektive und genaue Klassifikationen liefern kann. " We believe we have shown, however, that machine learning models are potentially powerful tools for improving the objectivity, replicability, speed, and efficiency of ceramic design classification. The implications of these discoveries have yet to be fully realized, but we hope they will lead to new and more powerful archaeological analyses of a variety of artifact types"  (Pawlowicz/Downum 2021, 12).
  • Pawlowicz/Downum 2021: L. M. Pawlowicz/C. E. Downum, Applications of deep learning to decorated ceramic typology and classification. A case study using Tusayan White Ware from Northeast Arizona. Journal Arch. Science 130, 2, 2021, 105375. - doi:10.1016/j.jas.2021.105375 

 

 

Diagnostische Verzierungselemente der Tusayan White Ware
(Graphik:
Pawlowicz/Downum 2021, fig. 2 [CC BY NC ND 4.0] via ScienceDirect)

Ich bin nicht sehr optimistisch, dass das Verfahren bei mitteleuropäischer Siedlungskeramik so gut läuft, da die Tusayan White Ware doch sehr regelhafte und deutliche Verzierungen besitzt. Aber einen Versuch wäre es wert. Material der vorrömischen Metallzeiten wäre gutes Übungsmaterial oder aber hoch- und spätmittelalterliche Keramik. Braucht es noch einen Computer, die Expert*innen und die Zeit dafür...

1 Kommentar:

AxlBK hat gesagt…

Hallo,

etwas ähnliches ist ja mit dem ARCHAide Projekt versucht worden, dass von 2016-2019 lief.
https://archaide-desktop.inera.it/home
Genau wie die Implementierung in den USA setzt man dort auf eine Mustererkennung der Dekoration der Keramik. Das Verfahren funktioniert sicher gut und ist gar nicht so aufwendig umzusetzen. Man braucht halt entsprechende Mengen von klassifizierter Keramik als Datengrundlage, um ein entsprechendes Modell zu erstellen. Bei undekorierter Keramik ist da natürlich gleich Schluss. Da käme man mit einer dreidimensionalen Erfassung weiter, da man dadurch vielleicht charakteristische Gefäßformen erkennen könnte.
Biasotti, Silvia & Cerri, Andrea & Falcidieno, Bianca & Spagnuolo, Michela. (2015). 3D Artifacts Similarity Based on the Concurrent Evaluation of Heterogeneous Properties. J. Comput. Cult. Herit.. 8. 19:1-19:19. 10.1145/2747882.
Da müsste man halt mit dem entsprechenden langen Atem anpacken….

Schönen Abend!