Sandra Montón-Subías/ María Cruz Berrocal/ Apen Ruiz Martínez (Hrsg.)
Archaeologies of Early Modern Spanish Colonialism
Contributions to Global Historical Archaeology
(Cham, Heidelberg: Springer 2016)
ISBN 978-3-319-21884-7
Die spanische Kolonisation der Neuen Welt war ein entscheidender Schritt hin auf unsere moderne Welt der Gegenwart.
12 Beiträge liefern in drei Kapiteln Fallstudien zu spezifischen Fragen der spanischen Kolonisation des 15. bis 17. Jahrhunderts in Amerika, Afrika und dem Pazifik. Damit stellt sich die Frage, wie ein komparatistischer Ansatz umzusetzen ist. Das erste einleitende Kapitel greift diese grundlegende Frage auf. Die drei Herausgeberinnen betonen, dass es in der spanisch-sprachigen Archäologie erst in den letzten Jahren zu einer Auseinandersetzung mit der 'historical archaeology' gekommen sei. Ziel des Buches sei es, durch eine globale vergleichende Perspektive gerade auch "bislang (un)beachtete Peripherien (abgelegene Fallstudien, Regionen, methodische Ansätze und Forschungstraditionen außerhalb der dominierenden Forschungszentren) zu integrieren. So ging es darum, jenseits der transatantischen Verbindungen auch bislang wenig beachtete Regionen in Afrika und im asiatischen Pazifikraum in die Diskussion einzubringen und so den globalen Charakter der spanischen Kolonisation deutlich zu machen. Dementsprechend stammen die meisten Fallstudien nicht aus den Kernbereichen des spanischen Kolonialreichs in Mittel- und Südamerika. Die Berücksichtigung dieser peripheren Beispiele ermögliche ein höheres Niveau an Erkenntnis und Verstehens des gesamten Prozesses (S. 4).
Obgleich der einführende Beitrag den komparatistischen Ansatz nicht genauer erklärt, nennt er einige methodisch bedeutende Punkte, teils allgemeiner, teils konkreter, auf die spanische Kolonissation bezogener Art.
Als besondere Schwierigkeiten des Vergleichs wird die Notwendigkeit benannt, die lokale, regionale und globale Ebene gleichermaßen zu berücksichtigen. Gängige Narrative der Kolonialgeschichte beachten deren
materiellen Aspekte nur in geringem Maße. Zudem seien die konkreten sozioökonomischen Ausgangsbedingungen der
kolonisierten Gebiete sehr unterschiedlich, da sie sowohl einfache Fischergemeinschaften
als auch hochkomplexe Staatsgebilde umfassen.
Deshalb verfolgen die herausgeber einen Vergleich unter den verschiedenen Aspekten der Strategien und Taktiken kolonialer Interventionen, ihrer Veränderungen in der Zeit, des lokalen Handelns und der langfristigen Entwicklungen. Daraus ergeben sich für den komparatistischen Ansatz wenigstens ein paar Richtlinien. Die Herausgeberinnen verweisen darauf, dass materielle Kultur hier nicht per se, sondern in ihren verschiedenen kulturellen Gebrauchskontexten betrachtet werden muss. Sie verweisen dabei auf die Bedeutung einer Haushalts-Perspektive, die globale und lokale Prozesse durch alltäglichen Konsum und Wissenstransfer mit einander verknüpfen könne. "When the local is explored in all its dimensions, global comparisons are enriched and codetermination between the different scales is better understood."
Deshalb verfolgen die herausgeber einen Vergleich unter den verschiedenen Aspekten der Strategien und Taktiken kolonialer Interventionen, ihrer Veränderungen in der Zeit, des lokalen Handelns und der langfristigen Entwicklungen. Daraus ergeben sich für den komparatistischen Ansatz wenigstens ein paar Richtlinien. Die Herausgeberinnen verweisen darauf, dass materielle Kultur hier nicht per se, sondern in ihren verschiedenen kulturellen Gebrauchskontexten betrachtet werden muss. Sie verweisen dabei auf die Bedeutung einer Haushalts-Perspektive, die globale und lokale Prozesse durch alltäglichen Konsum und Wissenstransfer mit einander verknüpfen könne. "When the local is explored in all its dimensions, global comparisons are enriched and codetermination between the different scales is better understood."
Europäische Kolonisation und materielle Kultur sind aber keineswegs immer eng miteinander verbunden. So findet sich im pazifischen Raum nur ein geringer Teil spanischer Sachkultur. In Äquatorial-Guinea hingegen haben europäische Güter die einheimischen Objekte weitgehend ersetzt, was Archäologen zu dem Fehlschluß verleiten könnte, dass dort Europäische Siedler ansässig waren.
Es folgen die Fallstudien in geographischer Anordnung, von Amerika über die spanischen Besitzungen in Afrika bis zu jenen im Pazifikraum. Sie behandeln höchst unterschiedliche Gemeinschaften: ein Jesuitenkonvent ebenso wie Fischerdörfer oder Städte.
Nur ein Beitrag sei hier exemplarisch herausgegriffen, der mir persönlich deshalb aufgefallen ist, weil er für meine eigenen Forschungen unmittelbar relevant ist. Der Beitrag von Monika Therrien zu Kolumbien (S. 11 ff.) skizziert die problematische Forschungssituation der Historischen Archäologie in Lateinamerika: Während einerseits die präcolumbische Vergangenheit und andererseits die rezenten indigenen Stämme relativ viel wissenschaftliche Aufmerksamkeit gefunden haben, fehlte lange Zeit eine historische Archäologie, die sich mit der Kolonialzeit befasst hätte. Für die Kulturkontakte greifen die meisten Studien auf Keramikfunde zurück - gerade so, wie ich das für Panama auch getan habe. Dabei zeigte sich auch in Panama, dass sehr häufig kolonialzeitliche indigene Fundstellen übersehen und präcolumbisch datiert wurden. Therrien beklagt die starre Trennung zwischen präcolumbischer und historischer Archäologie, die dazu führe, dass wir nur ein begrenztes Verständnis davon haben, wie Kulturkontakte erfahren wurden und in den unterschiedlichen Kontexten praktisch gelebt wurde. So fällt es auch in Kolumbien bisher schwer, die kolonialzeitliche Sachkultur der dort ansässigen Muisca-Indianer zu bestimmen. In einem Forschungsprogramm wurden daher sowohl kolonialzeitliche Indiosiedlungen und insbesondere deren Keramikproduktion als auch eine spanische Ansiedlung untersucht. Während in den Indio-Siedlungen die präcolumbischen Traditionen in der Keramik bis ins 18. Jahrhundert ungebrochen durchlaufen, entsteht in der spanischen Siedlung eine Keramik, die europäische und indigene Traditionen mischt. Insgesamt erweisen sich die Brüche für die Indios als weniger stark als in der Forschung bislang angenommen. Organisiert in neuen Siedlungen blieben viele Traditionen und Netzwerke vorerst bestehen.
Nur ein Beitrag sei hier exemplarisch herausgegriffen, der mir persönlich deshalb aufgefallen ist, weil er für meine eigenen Forschungen unmittelbar relevant ist. Der Beitrag von Monika Therrien zu Kolumbien (S. 11 ff.) skizziert die problematische Forschungssituation der Historischen Archäologie in Lateinamerika: Während einerseits die präcolumbische Vergangenheit und andererseits die rezenten indigenen Stämme relativ viel wissenschaftliche Aufmerksamkeit gefunden haben, fehlte lange Zeit eine historische Archäologie, die sich mit der Kolonialzeit befasst hätte. Für die Kulturkontakte greifen die meisten Studien auf Keramikfunde zurück - gerade so, wie ich das für Panama auch getan habe. Dabei zeigte sich auch in Panama, dass sehr häufig kolonialzeitliche indigene Fundstellen übersehen und präcolumbisch datiert wurden. Therrien beklagt die starre Trennung zwischen präcolumbischer und historischer Archäologie, die dazu führe, dass wir nur ein begrenztes Verständnis davon haben, wie Kulturkontakte erfahren wurden und in den unterschiedlichen Kontexten praktisch gelebt wurde. So fällt es auch in Kolumbien bisher schwer, die kolonialzeitliche Sachkultur der dort ansässigen Muisca-Indianer zu bestimmen. In einem Forschungsprogramm wurden daher sowohl kolonialzeitliche Indiosiedlungen und insbesondere deren Keramikproduktion als auch eine spanische Ansiedlung untersucht. Während in den Indio-Siedlungen die präcolumbischen Traditionen in der Keramik bis ins 18. Jahrhundert ungebrochen durchlaufen, entsteht in der spanischen Siedlung eine Keramik, die europäische und indigene Traditionen mischt. Insgesamt erweisen sich die Brüche für die Indios als weniger stark als in der Forschung bislang angenommen. Organisiert in neuen Siedlungen blieben viele Traditionen und Netzwerke vorerst bestehen.
Ein Programm zur historischen Archäologie in Bogotá untersucht deshalb die Art der Urbanisierung und des Alltags. "Contact spaces" und "common practice" sind zwei Begriffe, die dazu dienen sollen, den klassischen, von Gesetzen und Anordnungen der spanischen Krone bestimmten Blickwinkel aufzubrechen und einen stärker auf den Alltag orientierten Blick gegenüber zu stellen. Therrien ordnet diesen Ansatz in die "grounded theory" ein, einem Ansatz, der als "quellebasierte Theoriebildung" ins Deutsche übersetzt werden könnte. "Grounded Theory" stammt aus der Soziologie und möchte soziale Phänomene sichtbar machen und soziale Prozesse erklären. Sie bedient sich dazu einer pragmatischen Handlungstheorie und durchläuft wiederholt Datenerhebung, - analyse und - interpretation.
Mit diesem theoretischen Anspruch beleuchtet Therrien sodann die Gestaltung des städtischen Raumes wie die Handwerksproduktion, wobei die Keramik im Mittelpukt steht. Am Beispiel von Bogotá schildert sie die Entwicklung von Stadt und Keramikproduktion. Sie kommt zu dem wenig überraschenden Schluss, dass in Bogotá Keramik bei der Darstellung von Wohlstand und Einfluß nur eine untergeordnete Rolle spielte, dass es vielmehr der öffentliche Raum - wie zum Beispiel die öffentlichen Brunnen -, die Küchentische und Tafeln der privaten Haushalte, die Werkstätten und Läden sind, in denen Verhaltensweisen, Moden und Ansichten ausgetauscht und populär wurden.
In der Entwicklung der historischen Archäologie beobachtet Therrien, dass Fragen von "discourse and domination", von "practice and resistance" durch solche nach sozialen Trennungslinien abgelöstt worden seien, die mit Themen wie 'gender' oder 'Identität' einhergehen. Zwischenzeitlich sei aber eine Hinwendung zu einem Verständnis Verstehen komplexer sozialer Dynamiken zu beobachten. Im Kontext einer multikulturellen Gesellschaft ("crossculturalscenario") seien Alltagshandlungen und agency grundlegend für die Konstruktion und Aushandlung von Bedeutungen.
In der Entwicklung der historischen Archäologie beobachtet Therrien, dass Fragen von "discourse and domination", von "practice and resistance" durch solche nach sozialen Trennungslinien abgelöstt worden seien, die mit Themen wie 'gender' oder 'Identität' einhergehen. Zwischenzeitlich sei aber eine Hinwendung zu einem Verständnis Verstehen komplexer sozialer Dynamiken zu beobachten. Im Kontext einer multikulturellen Gesellschaft ("crossculturalscenario") seien Alltagshandlungen und agency grundlegend für die Konstruktion und Aushandlung von Bedeutungen.
Die sehr heterogenen Beispiele werden leider nicht in einer Synthese zusammengeführt. Sie wäre wichtig gewesen im Hinblick auf die eingangs formulierte methodische Frage des komparatistischen Ansatzes. Was lernen wir denn nun in der Zusammenschau über die Globalisierung? Dass sie in verschiedenen Regionen sehr unterschiedlich verläuft - auch unter einer gemeinsamen politischen Vormacht? Ein weiterer Ansatz für eine Synthese wäre auch die Tatsache gewesen, dass die spanische Kolonialvergangenheit für viele Staaten und Individuen bis heute von großer Bedeutung ist. Wie geht man in den verschiedenen Regionen mit diesem - häufig
ja nicht unproblematischen Erbe - heute um? Zwar werden einige dieser Aspekte in der Einführung angesprochen, aber das Potential der Fallstudien scheint ohne Synthese am Ende nicht ausreichend genutzt. So bleibt leider unklar, wie ein komparatistischer Ansatz tatsächlich wissenschaftlich fruchtbar gemacht werden kann. Genaus dies ist aber das Spannende an dem Band, das ihn auch über die Expertenkreise für die angesprochenen abgelegenen Regionen interessant macht.
Inhaltsverzeichnis
- Montón-Subías, Sandra (et al.): Towards a Comparative Approach to Archaeologies of Early Modern Spanish Colonialism, S. 1-8
- Therrien, Monika: Displacing Dominant Meanings in the Archaeology of Urban Policies and Emergence of Santafé de Bogotá (Colombia), S. 11-38
- Rodríguez-Alegría, Enrique: The Material Worlds of Colonizers in New Spain, S. 39-59
- Tarble de Scaramelli, Kay: Historical Archaeology and the Politics of Empowerment in Venezuela, S. 61-91
- Azkarate, Agustín (et al.): Thoughts on Early Spanish Colonialism Through Two American Case Studies: Basque Fisheries (Canada) and Sancti Spiritus Settlement (Argentina), S. 93-115
- Onrubia Pintado, Jorge (et al.): The Archaeology of the Early Castilian Colonialism in Atlantic Africa. The Canary Islands and Western Barbary (1478–1526), S. 119-151
- Fernández, Victor M.: The Jesuit Mission to Ethiopia (1557–1632) and the Origins of Gondärine Architecture (Seventeenth–Eighteenth Centuries), S. 153-173
- González-Ruibal, Alfredo (et al.): Colonial Encounters in Spanish Equatorial Africa (Eighteenth–Twentieth Centuries), S. 175-202
- Flexner, James (et al.): Beginning Historical Archaeology in Vanuatu: Recent Projects on the Archaeology of Spanish, French, and Anglophone Colonialism, S. 205-227
- Bayman, James M. (et al.): Spanish Colonial History and Archaeology in the Mariana Islands: Echoes from the Western Pacific, S. 229-252
- Gibbs, Martin: The Failed Sixteenth Century Spanish Colonizing Expeditions to the Solomon Islands, Southwest Pacific: The Archaeologies of Settlement Process and Indigenous Agency, S. 253-279
- Cruz Berrocal, María: Ilha Formosa, Seventeenth Century: Archaeology in Small Islands, History of Global Processes, S. 281-302
1 Kommentar:
Hallo, zu diesem Thema kommt mir Paulette Steeves, indigene Archäologin aus den USA, in den Sinn. Frau Steeves hat mit ihren Forschungen ein Licht auf die "WASP-kolonialistischen" Ansichten geworfen. Danke, denn Dekolonisierung ist ein Thema auch in europäischen Breiten.
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