Freitag, 25. Februar 2022

#PutinsWar - Die Geschichtsstunde des Herrn Putin

Auf der Homepage des Kreml stehen Putins Reden vom Montag 21.2.2022 sowie die zum Angriff am 24.2.2022 online. Die Medien zitieren sie nur ausschnittswiese - aber man sollte Sie dringend zur Kenntnis nehmen, auch wenn Putin da viel historischer Unsinn behauptet.

 


Obgleich heute die Nachrichten voll sind mit Putin-Analysen und Ukraine-Berichten, wird doch immer die gleich Passage seiner Rede vom Morgen des 24.2. zitiert. Es lohnt sich aber, sie im Original (oder wenigstens der englischen Version) nachzulesen, denn da steht viel mehr - und höchst beunruhigedes. Es geht nämlich überwiegend nicht um die Ukraine, sondern um die letzten 30 Jahre und den Machtverlust Russlands. Offen droht er der ganzen NATO mit Atomwaffen. Putin zeichnet eine Geschichte der letzten 30 Jahre, in der Russland als gedemütigte Verlierer des Kalten Krieges dargestellt wird, der andauernd den Hochmut des Westens gespürt habe.

Die beiden Dokumente werden in ihrer Propaganda-Sprache nicht nur in der Zukunft wichtige historische Dokumente sein, sondern sind ganz aktuell wichtige Aussagen des Herrn V. Putin, die klar zeigen, dass die Sowjetunion für ihn zwar ein wichtiger Bezugspunkt sind, seine Ziele aber weit darüber hinausgehen - und nicht unbedingt an den ukrainischen Grenzen enden!

 

Putin versucht seinen Standpunkt historisch zu legitimieren. Er verweist auf die US-Interventionen im Irak, in Libyen und Syrien (übrigens nicht auf die in Afghanistan) und verweist - angesichts seiner an den Haaren herbeigezohenen Behauptungen eines Genozids im Donbas - sehr zynisch auf die falschen Rechtfertigungen der USA mit angeblichen Chemiewaffen im Irak. Putins Geschichtserzählung ist mehr als selektiv und weit von einer seriösen historischen Analyse entfernt.

Die russische Frühgeschichte spielt in der aktuellen Rede nur eine Nebenrolle. Die Rede vom Montag erwähnt sie ebenfalls nur sehr kurz - setzt sie aber als allgemein bekannt voraus und nimmt sie als Grundlage dafür der Ukraine eigene nationale Rechte abzusprechen. "Since time immemorial, the people living in the south-west of what has historically been Russian land have called themselves Russians and Orthodox Christians. This was the case before the 17th century, when a portion of this territory rejoined the Russian state, and after.It seems to us that, generally speaking, we all know these facts, that this is common knowledge."

Die Ukraine sei eine Erfindung der UdSSR - die ältere durchaus konfliktreiche ukrainisch-russische Geschichte mit separaten nationalen Entwicklungen übergeht V. Putin. Sie passen nämlich nicht in seine Propaganda.

Mit diesem Hintergrund hätte es eigentlich keine Überraschung sein dürfen, dass sich der russische Angriff nicht nur auf die aufständischen Gebiete im Osten, sondern auf die ganze Ukraine richtet.


 

Raketentrümmer in einer zivilen Geschäftsstraße im Süden Kiews, 24.2.2022
(Foto: Arrikel [CC BY SA 4.0] via WikimediaCommons)
Die dort angegebene Lokalität lässt sich anhand GoogleMaps verifizieren)


Interner Link

6 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Ich betrachte den Artikel als durch und durch politikkonform. Es wird übersehen, dass Putin beim russischen Volk mehrheitlich beliebt ist. Putin hat die Leistung vollbracht, Russland nach dem ökonomischen Zusammenbruch der UDSSR zu modernisieren. Das pro-Kopf BIP in Russland liegt bei ca. 30.000 Euro (KKP). Putin ist der Nutznießer des Zusammenbruchs des Sowjetreiches und Antwort zugleich. Das westliche System hat in Russland schlicht und ergreifend nicht funktioniert. Warum? Weil die russische Wirtschaft nicht wettbewerbsfähig war, weil die Menschen in ihrer Masse zu arm waren, um ein bürgerliches Selbstbewusstsein zu entwickeln und weil mafiöse Gewaltstrukturen in der russischen Kultur viel zu verwurzelt sind, als dass man europäisch-amerikanische Modelle 1:1 übertragen könnte. Russland ist kein Land, sondern ein Reich. Reiche regiert man nicht mit Bürgergeist, sondern mit der "Knute". Putin sieht sich in der Tradition von Iwan dem Schrecklichen, Katharina der Großen, Peter dem Großen, Lenin und Josef Stalin. Russland ist zu groß, um sich seine Größe leisten zu können, gleichzeitig aber so groß, dass es expandieren muss, um bestehen bleiben zu können. Es handelt sich um ein Land, das bei relativ hohem Wohlstand immer noch unterentwickelt ist und diese Unterentwicklung wie annodazumal durch Agression nach außen kompensiert (Sicherung von Absatzmärkten). Dieses Problem an der Person Putins festzumachen ist Ausdruck einer unterkomplexen und provinziell-kontinentalen Geisteshaltung. Sie typisch für bestimmte SPD- und CDU-Kreise. Zur Erinnerung: Russland ist fünfzig mal größer als die Bundesrepublik. Russland ist eine geopolitische Größe, instabil und mächtig. Diese Mischung wäre auch ohne Putin und Ukrainekrieg brisant. Der Westen, allen voran Deutschland haben sich gegenüber einer Großmacht borniert und unbedacht verhalten und bekommen nun die Quittung dafür. Was soll denn Putin machen, zusehen, wie ein Absatzmarkt nach dem anderen wegfällt? Das würde der unterentwickelten russischen Wirtschaft langfristig schaden und eine Rückkehr ins Jelzindesaster bedeuten. Die Politik Putins ist skurpellos, aber sachlich gerechtfertigt. Zum Vergleich: Die EU verhindert eine Entwicklung des afrikanischen Kontinents durch Agrarsubventionen, was die dortige Massenarmut und die damit einhergehende Überbevölkerung begünstigt. Die USA haben nach 1945 weit mehr Kriege geführt als die Sowjetunion. Die Zerschlagung des Kosovo und die Vertreibung der dortigen serbischen Minderheit war kein Glanzpunkt westlicher Politik genauso wenig wie der Einmarsch in den Irak. Der Westen schwadroniert gerne von seinen "Werten". Hat der Westen, allen voran die BRD dem Diktator Putin aus wirtschaftlichen Interessen nicht wie die Hand gereicht? Der Westen agiert verlogen, ähnlich wie nach 1945, als eine Rehabilitation von NS-Belasteten etwa im Bereich des amerikanischen Geheimdienstes durchaus üblich war ... Die Nürnberger Prozesse hätte es ohne sowjetische Intervention nie gegeben. Kurz und gut: Es geht um gesstrategische Interessen und nicht um moralische Programme. Die überlasst den moralisch integren Kleinbürgern in Deutschland mit provinz-akademischem Abschluss.
Euer Iwan

Anonym hat gesagt…

Hello Russian troll - nice to meet you!

Rainer Schreg hat gesagt…

Sicher ist "der Westen" auch nicht die Reinkarnation des Guten - mit Ihrer rgumentation lösen sich aber mindestens 6000 Jahre zivilisatorischer Entwicklung von Staaten unf ihresUmgangs miteinander in Luft auf.
Kriegerische Agression ist durch nichts zu rechtfertigen.

Anonym hat gesagt…

Ihr Kommentar unterliegt der irrigen Annahme, dass Menschen moralisch handeln. Die Moral ist eine Erfindung von Leuten, die mit großem Kapital, Armut und Gewalt nichts zu tun haben und seit Mammas Tagen stets eine bürgerliche Existenz geführt haben. Zur Erinnerung:

https://en.wikipedia.org/wiki/Timeline_of_United_States_military_operations

https://de.wikipedia.org/wiki/Hungersnot_in_Bengalen_1770

https://de.wikipedia.org/wiki/Hungersnot_von_Madras_1877

https://de.wikipedia.org/wiki/Hungersnot_in_Bengalen_1943

https://de.wikipedia.org/wiki/Vietnamkrieg

https://www.tagesschau.de/ausland/europa/atomversuche-suedpazifik-macron-101.html

https://de.wikipedia.org/wiki/Deutscher_Rüstungsexport

https://amerika21.de/2017/01/167592/guantanamo-usa-kuba-folter

https://de.wikipedia.org/wiki/Allen_Welsh_Dulles#Verdeckte_Manipulation_ausländischer_Innenpolitik

https://de.wikipedia.org/wiki/McCarthy-Ära


Jaja die Werte des Westens ...

Jutta Zerres hat gesagt…

Mit der Beliebtheit Ihres Herrn Putin wird es vorbei sein, wenn demnächst die Särge von russischen Soldaten zurückgebracht werden.

Rainer Schreg hat gesagt…

Ja, Herr Anonym, Werte sind gesellschaftlich bedingt und werden viel zu oft nicht eingehalten. Das rechtfertigt trotzdem keine Barbarei. Übrigens frage ich mich, warum ihre Liste (die sicher nicht vollständig sein kann) so einseitig ist und Nationalsozialismus uns Stalinismus nicht berührt?
Übrigens geht es nicht nur Werte des modernen Westens, sondern zumindest theoretisch kann man ähnliches auch in anderen Kulturen weltweit und über die Zeiten hinweg beobachten.