Samstag, 2. Mai 2020

Die Corona-Krise und der Kulturgüterschutz

ein Beitrag von Jutta Zerres

Das „Antiquities Trafficking and Heritage Anthropology Research (ATHAR) Project“ ist ein Zusammenschluss von Anthropologen und Experten für Kulturerbe, die sich mit dem grenzüberschreitenden Handel von illegal ausgegrabenen und geraubten Antiken in den Ländern des Nahen Ostens und Nordafrikas sowie mit der Terrorismusfinanzierung und der organisierten Kriminalität befassen. Die Gruppe beobachtet u. a. auch die Aktivitäten der „Branche“ auf Facebook. 
 
Corona-Beiträge auf Archaeologik
Viren
(biology pop [CC BY SA 4.0]
via WikimediaCommons)
„The Art Newspaper“ berichtete am 29.04.2020, dass „ATHAR“ in den letzten Wochen einen Anstieg von Angeboten antiker Objekte auf dieser Plattform verzeichnet. Die Ursachen dafür seien nicht nur saisonbedingt – das Frühjahr ist auch für Raubgräber eine günstige Jahreszeit ‒ , sondern auch auf die derzeitige Corona-Pandemie und die damit verbunden Maßnahmen und Konsequenzen zurückzuführen. Die aktuelle Lage begünstige Raubgrabungstätigkeiten und den illegalen Handel mit Antiken an verschiedenen Stellen der „Wertschöpfungskette“, die beim Raubgräber beginnt und beim Endkonsumenten endet. 

Die wirtschaftliche Krise in vielen Ländern, die durch den Lockdown hervorgerufen wurde, treibt die Betroffenen dazu, sich andere Einkommensquellen zu suchen. Eine davon können eben Raubgrabungen und Verkauf der Objekte sein. Der Arabische Frühling, Krieg und Terrorismusattacken in den Ländern des Nahen Ostens und Nordafrikas, die politische, gesellschaftliche und wirtschaftliche Unsicherheiten erzeugten, hatten in der Vergangenheit den gleichen Effekt hervorgerufen. Der Artikel in „The Art Newspaper“ zitiert auch Deborah Lehr, die Gründerin der „Antiquities Coalition“, einer weiteren Organisation, die sich mit der Thematik befasst. Lehr geht auch davon aus, dass längere Sperrungen und Ausgangssperren in Verbindung mit den daraus resultierenden wirtschaftlichen Schwierigkeiten zu einer Zunahme illegaler Aktivitäten, insbesondere organisierter Plünderungen, führen werden. Sie weißt darauf hin, dass es während des Arabischen Frühlings zunächst einmal eine Pause bei gelegentlichen Plünderungen von Museen und Fundmagazinen gab. Dann aber sei die Zahl der organisierten Beraubungen wieder signifikant angestiegen. Die Kollegen in Ägypten hätten jedoch – so Lehr weiter ‒ wertvolle Lehren aus dem Arabischen Frühling gezogen und die Sicherheit an archäologischen Stätten und Museen während des Lockdown erhöht.

Lehr verweist auch auf eine andere Erkenntnis, die aus dem wirtschaftlichen Niederschlag von 2008 gezogen werden kann. Diese Krise habe nämlich gezeigt, dass ein gesteigertes Interesse der Endkonsumenten ‒ sowohl legitime als auch illegale Objekte ‒ häufig mit einer Wirtschaftskrise einher geht.

Ein weniger beachteter Effekt ist, dass auf den selben Schwarzmarktkanälen, die mit illegal ausgegrabenen Antiken handeln, zuweilen auch persönliche Schutzausrüstung, einschließlich Gesichtsmasken, antibakteriellem Gel und sogar Covid-19-Testkits angeboten werden. Akteure in illegalen Geschäften profitieren häufig von einem Anstieg einer Nachfrage, um Material auf dem Schwarzmarkt überteuert zu verkaufen.

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