Montag, 25. März 2019

Die frühen Bauern als Dokudrama, … aber Steinzeit kann mehr

ein Beitrag von Detlef Gronenborn



Fernseh-Dokumentationen über die frühen Bauern in Mitteleuropa (vgl. Terberger/Gronenborn 2014)  gab es in den letzten 20 Jahre schon einige. Das ist, aus Sicht der Wissenschaft, durchaus erfreulich, rückt doch somit eine der faszinierendsten und auch menschheitsgeschichtlich bedeutendsten Umbruchsperioden in die Aufmerksamkeit einer breiteren Öffentlichkeit.
Aktuell im Programm von ARTE und ZDF:


Ein menschheitsgeschichtlicher Quantensprung

Mit der, im Nahen Osten noch schrittweisen, Entwicklung von Bodenbau und Viehzucht veränderten sich die Gemeinschaften so grundlegend, dass man durchaus von einem Quantensprung in der Menschheitsgeschichte sprechen kann. Seßhaftigkeit und die veränderte Nahrung, vermehrt pflanzlichen Ursprungs, nahmen Einfluss auf die körperliche Beschaffenheit der Menschen, ja vielleicht gar auf ihre Artikulationsmöglichkeiten (Blasi u. a. 2019).

Fundamental waren auch der Bevölkerungszuwachs, der Einfluss auf jegliche sozialen Strukturen wie auch auf die politischen Organisationsform hatte (Kohler et al. 2017): die Gruppen wurden bedeutend größer, daraus resultierte der Bedarf sich besser zu organisieren, was wiederum zur Entstehung von Führungseliten führte (Gronenborn 2016; Jeunesse 2018).

Entstehung und Ausbreitung der Landwirtschaft im westlichen Eurasien. Dunkel- und hellgrün ist die frühe und späte Phase der Linienbanderkamischen Kultur dargestellt.
(Graphik, Stand 2019: D. Gronenborn/ M. Ober, RGZM [CC BY 4.0])
 
Aufgrund dieser Veränderungen kam es in vielen Fällen weltweit zu einer Expansion von Bevölkerungsgruppen aus den Kerngebieten der landwirtschaftlichen Entwicklung, für das westliche Eurasien, mithin auch Mitteleuropa, war das der Nahe Osten, die klassischerweise als „Fruchtbarer Halbmond“ bekannte Region (siehe Karte). So kommt es auch in Mitteleuropa zu einer Einwanderung doch beträchtlicher Bevölkerungsgruppen, die letztlich aus Anatolien stammen (Archaeologik [28.10.2015]).


Neue naturwissenschaftliche Erkenntnisse

Alle diese – bis zum heutigen Tage wirksamen – Folgen des Bodenbaus wurden in den verschiedenen TV-Produktionen auch mehr oder weniger deutlich angesprochen - nun auch in der Produktion der Caligari Film, München, die in ARTE erstmals am Samstag dem 23.03.2019 in bester Sendezeit lief, wie auch im Rahmen der Reihe Terra X im ZDF gezeigt werden wird. Diese jüngste deutsche Produktion zum Thema unterscheidet sich von früheren durchaus dadurch, dass eine Reihe neuer Erkenntnisse der Naturwissenschaften in den Mittelpunkt rücken. Das ist gut und unterrichtet auch den Laien vom Fortschritt der Wissenschaft.

Etwas zurück tritt jedoch handfestes archäologisches Hintergrundwissen, so schleichen sich in die Rekonstruktionen und Lebensdarstellungen immer wieder kleine Fehler ein. Das ist zwar nicht weiter dramatisch und wird nur den Fachleuten auffallen, hätte aber ohne Mehraufwand auch problemlos vermieden werden können.

Hier und da sind auch eigentlich recht bedeutsame historische Fragestellungen angerissen, wie etwa nach der Entwicklung von Hierarchien (unvermittelt vermutet anhand einer Kopfbedeckung mit Schmuckschnecken), aber gerade dieses Thema verläuft wieder bedauerlicherweise ohne weitere Behandlung. Erstaunlich ist die erzählerische Verlagerung der mittelneolithischen „Kreisgrabenanlagen“ des Mittelneolithikums in das Ende der Linienbandkeramische Kultur (LBK - die archäologische Bezeichnung der Kultur der frühen Bauern in Mitteleuropa), hier sind dem Drehbuchautor die Begrifflichkeiten durcheinander gegangen. Möglicherweise sind diese Unsauberkeiten allerdings auch dem enormen Zeitdruck, unter dem moderne TV-Produktionen stehen, geschuldet. Tiefgreifende, vorbereitende Recherchen sind offenbar nur selten möglich.


Klima erklärt keine Gewalt

Nicht ganz korrekt aus der Literatur wiedergegeben sind leider die Mechanismen, die zum Ende der LBK geführt haben sollen. Das telekopiert dargestellte Zusammenspiel von Trockenheit, Gewalt und Krise hat so historisch nicht stattgefunden, wenngleich es in seiner Dramatik sicher Verkaufswert hat.

Näher an der Realität scheint eher zu sein, dass die Bevölkerung im Zuge allgemein trockenerer Verhältnisse zugenommen hatte, und auch bislang nicht bewirtschaftbare Regionen erschlossen werden konnten. Im Zuge dieser Boomphase kommt es vermehrt zu Errichtung von Umwehrungen oder Grabenwerken (nicht „Kreisgrabenanlagen“), vielleicht als Verteidigung, vielleicht auch als Markierung von territorialem Anspruch. Die Gesellschaften scheinen sich mithin eher in guten Zeiten in Richtung vermehrtem Konfliktpotential hin bewegt zu haben, also rein interne Prozesse sind ausschlaggebend. Die starken klimatischen Schwankungen gegen Ende der LBK mögen einzelne Prozesse verstärkt haben, hatten aber keinerlei Auslöserfunktion. Dieser Verhaltensmechanismus lässt sich über lange Zeitreihen bei einfachen bäuerlichen Gesellschaften beobachten, auch in ariden Gebieten (z. B. Gronenborn et al. 2017; 2018; Kintigh / Ingram 2018). 

Steinzeit kann mehr: Lehren für Heute?

Allerdings liegt in der Erkenntnis, dass sich an steinzeitlichen Gesellschaften wie in einer Petrischale immer wiederkehrende Verhaltensmechnismen beobachten lassen, die sich übrigens bis zum heutigen Tage wiederholen (Turchin 2015; 2016), ein gewaltiger Gewinn:

Gerade in den komplexeren Gegenwartsbezügen wird die Betrachtung vermeintlich weit zurückliegender Epochen zu einem wissenschaftlich wie aber auch gesellschaftlich bedeutenden Thema, denn Steinzeit kann mehr als nur gruselige Gewaltgeschichten zu erzählen oder aber den Diätplan aufzufrischen. Nicht nur, dass sich die heutige europäische Bevölkerung weitgehend während der Jungsteinzeit entwickelt hat (Haak u. a. 2015), auch viele Grundmuster unseres gesellschaftlichen Verhaltens sind in dieser Periode entstanden (Scheffer 2016; Archaeologik [1.8.2018]).


Literatur

  • D. E. Blasi/S. Moran/S. R. Moisik/P. Widmer/D. Dediu/B. Bickel, Human sound systems are shaped by post-Neolithic changes in bite configuration. Science 363/6432, 2019, eaav3218. -
    DOI: 10.1126/science.aav3218
  • D. Gronenborn, Some thoughts on political differentiation in early to Young Neolithic societies in western central Europe. In: H. Meller/H.-P. Hahn/R. Jung/R. Risch (Hrsg.), Arm und Reich - Zur Ressourcenverteilung in prähistorischen Gesellschaften. 8. Mitteldeutscher Archäologentag vom 22. bis 24. Oktober 2015 in Halle. Tagungen des Landesmuseums für Vorgeschichte Halle1 (2016) 61–76.
  • D. Gronenborn/H.-C. Strien/C. Lemmen, Population dynamics, social resilience strategies, and Adaptive Cycles in early farming societies of SW Central Europe. Quaternary International 446, 2017, 54–65. - DOI: 10.1016/j.qaint.2017.01.018.
  • D. Gronenborn/H.-C. Strien/R. van Dick/P. Turchin, Social diversity, social identity, and the emergence of surplus in the western central European Neolithic. In: H. Meller/D. Gronenborn/R. Risch (Hrsg.), Überschuss ohne Staat / Surplus without the State. Politische Formen in der Vorgeschichte / Political Forms in Prehistory. Tagungen des Landesmuseums für Vorgeschichte Halle 181 (Halle 2018) 201–220.
  • W. Haak/I. Lazaridis/N. Patterson/N. Rohland/S. Mallick/B. Llamas/G. Brandt/S. Nordenfelt/E. Harney/K. Stewardson/Q. Fu/A. Mittnik/E. Bánffy/C. Economou/M. Francken/S. Friederich/R. G. Pena/F. Hallgren/V. Khartanovich/A. Khokhlov/M. Kunst/P. Kuznetsov/H. Meller/O. Mochalov/V. Moiseyev/N. Nicklisch/S. L. Pichler/R. Risch/M. A. Rojo Guerra/C. Roth/A. Szécsényi-Nagy/J. Wahl/M. Meyer/J. Krause/D. Brown/D. Anthony/A. Cooper/K. W. Alt/D. Reich, Massive migration from the steppe was a source for Indo-European languages in Europe. Nature 522/7555, 2015, 207–211. - DOI: 10.1038/nature14317
  • K. W. Kintigh/S. E. Ingram, Was the drought really responsible? Assessing statistical relationships between climate extremes and cultural transitions. Journal of Archaeological Science 89, 2018, 25–31. - DOI: 10.1016/j.jas.2017.09.006
  • C. Jeunesse, « Big Men », chefferies ou démocraties primitives? Quels types de sociétés dans le Néolithique de la France. In: J. Guilaine/D. Garcia (Hrsg.), La protohistoire de la France. Histoire et archéologie (Paris 2018) 171–186.
  • T. A. Kohler/M. E. Smith/A. Bogaard/G. M. Feinman/C. E. Peterson/A. Betzenhauser/M. Pailes/E. C. Stone/A. M. Prentiss/T. J. Dennehy/L. J. Ellyson/L. M. Nicholas/R. K. Faulseit/A. Styring/J. Whitlam/M. Fochesato/T. A. Foor/S. Bowles, Greater post-Neolithic wealth disparities in Eurasia than in North America and Mesoamerica. Nature, 2017, nature24646. - DOI: 10.1038/nature24646
  • M. Scheffer, Anticipating societal collapse. Hints from the Stone Age. Proceedings of the National Academy of Sciences of the United States of America 113/39, 2016, 10733–10735. -
  • T. Terberger/ D. Gronenborn, Vom Jäger und Sammler zum Bauern - Die Neolithische Revolution. Archäologie in Deutschland, Sonderheft (Stuttgart 2014). - pdf via academia.edu (Band vergriffen)
  • P. Turchin, Ultrasociety. How 10,000 Years of War Made Humans the Greatest Cooperators on Earth (2015). - ISBN: 9780996139519
  • P. Turchin, Ages of discord. A structural-demographic analysis of American history (Chaplin, Connecticut 2016).

Mittwoch, 20. März 2019

Werbung für die Zerstörung archäologischer Quellen

In England und Irland hat der Schokoladenhersteller Cadbury chocolatiers eine an Kinder gerichtete Werbekampagne mittels Schatzsuche gestartet.

Kinder werden begeistert, sich die Hände dreckig zu machen und mehr Schätze zu entdecken (“get your hands dirty to discover more”), mit Schätzen zu handeln (“the treasure’s fair game”), sich den Metalldetektor zu schnappen und Löcher in römische Fundstellen zu buddeln ( “grab your metal detector and go hunting for Roman riches”). Die Website gibt dazu eine Liste mit archäologischen Fundstellen, ohne Verweis darauf, dass Grabungen dort illegal sind. Nebenbei werden Kinder an Flußufer und ins Watt geschickt, was zu lebensgefährlichen Situationen führen kann.
Archäologen und Denkmalpfleger haben via social media reagiert und die Firma mit einhelligem Protest überzogen. Sie wird aufgefordert, die Kampagne zu stoppen und mit einer Spende die Arbeit der Denkmalpflege zu unterstützen.

  • Cadbury Treasure Hunt Fiasco. British Archaeology News Resource (17.3.2019). - http://www.bajrfed.co.uk/bajrpress/cadbury-treasure-hunt-fiasco/ mit Adressen, an die Protest geschickt werden kann
    “The Heritage of the UK and Ireland is a fragile resource, and the protection of this has seen a great deal of effort by many groups in the previous decades, it is unbelievable that all the careful work by thousands of dedicated professionals and amateurs, including children, should be so abused by this campaign. Our shared past is not built on gold or treasure, or digging holes across the country with no responsibility or care, it is by working with communities to carefully tease the story from the ground, responsibly and with respect.
Die Werbekampagne scheint offline.


(Foto: R. Schreg)
Immer wieder bewerben Medien das Abenteuer Schatzsuche mit sehr fragwürdigen Aktionen das Schatzsuchen mit der Sonde - oder bieten gleich, ohne Hinweise auf die Rechtslage und die potentielle Zerstörung historischer Quellen Metalldetektoren an, so jüngst Tschibo oder der online Buchhändler “humanitas-Versand“.

Frühere Fälle auf Archaeologik:

 

 

Aktueller Fall: Stern podcast

Nicht so schlimm wie die Cadbury-Kampagne, aber genauso unbedacht: Seit einigen Wochen gibt es beim Stern eine Podcastserie, die die Geschichte um die gefälschten Hitlertagebücher im Stern von 1983 darstellt und ganz selbstverständlich das Sondeln als harmlose Schatzsuche darstellt:
Die letzte Folge heißt "Auf Schatzsuche". Darin begleitet der Journalist und Sprecher des Podcasts Malte Herwig den Sammler Marc-Oliver Boger (https://www.kujau-kabinett.de/der-sammler/) bei einer "Schatzsuche" in einem Waldstück in Bayern. Dabei wollen sie mithilfe eines Metalldetektors und Grabungswerkzeugen mehreren vergrabenen Metallkisten aus dem Zweiten Weltkrieg auf die Spur kommen. Auffallen wollen und dürfen sie dabei nicht, da Herr Boger schon einige Male von "misstrauischen Bauern vom Feld gejagt" worden sei. Dies deutet an, dass hier Privateigentum nicht respektiert wird, auch fällt kein Wort darüber, dass solche Nachforschungen gar nicht so ohne Weiteres erlaubt sind. Der Sammler-Sondengänger Boger sollte es eigentlich wissen müssen: Laut seiner Website hat er als Grabungsarbeiter beim Landesdenkmalamt Baden-Württemberg gearbeitet.

Sonntag, 10. März 2019

Museumsplünderung in Algier

Museum für Altertümer und islamische Kunst
(Foto: Yelles M.C.A.[CC BY SA 2.5]
via WikimediaCommons)
Am Rande der gewalttätigen Proteste gegen eine erneute Kandidatur des langjährigen, über 80jährigen algerischen Präsidenten Abd al-Aziz Bouteflika  wurde in Algier das Museum für Alterümer und islamische Kunst geplündert. Es seien „Gegenstände gestohlen und Büros der Museumsverwaltung angezündet“ worden. Das Museum liegt in der Nachbarschaft des Präsidentenpalasts.


Weiterer Link

Raubgrabung, Schmuggel, gefälschte Provenienzen – Ägyptens Kulturgut Anfang 2019

ein Beitrag von Jutta Zerres

Auch zu Beginn des Jahres liefert die Presseschau wieder viele Meldungen rund um den Schutz ägyptischer Kulturgüter. Offenbar ist es in den vergangenen Wochen vielfach gelungen den Schmuggel von Kulturgütern zu verhindern. Sehr bemerkenswert ist darüber hinaus die Rückgabe eines Sarkophages mit gefälschter Provenienz und Ausfuhrgenehmigung an Ägypten durch das Metropolitan Museum of Art.


Schmuggel

Am Kairoes Flughafen wurde der Versuch vereitelt, Teile von Mumien im Gepäck eines Reisenden nach Belgien zu schmuggeln:

Ein Sicherheitsdienst beschlagnahmte am Flughafen von Hurghada 26 Antiken, die illegal in die Türkei ausgeführt werden sollten:

Der Bruder des früheren ägyptischen Finanzministers und ein Diplomat stehen unter Verdacht an der illegalen Ausfuhr von Antiken nach Italien beteiligt zu sein, die im letzten Juli bekannt wurde.

Am Flughafen von Luxor gelang es den Schmuggel von Münzen und Pfeilspitzen aus griechisch-römischer Zeit zu verhindern:

Vom Hafen von Alexandria aus sollten Teile einer militärischen Ausrüstung des 9. Jahrhunderts ins Ausland verbracht werden: 


Raubgrabungen


Die ägyptische Polizei beschlagnahmte verschiedene Antiken bei einem 33jährigen Mann in Asyut. Der Beschuldigte hatte innerhalb seines Hauses eine Raubgrabung durchgeführt.


Auch unter einem Haus in der Nähe der Pyramiden von Gizeh wurden Raubgrabungen festgestellt. Dabei war eine Grabkammer freigelegt worden. Der Eigentümer dea Hauses wurde festgenommen: 


Auch im Haus eines Staatsangestellten in Minia wurde die Polizei fündig und stellte 65 antike Objekte sicher: 

Restitutionen


Die ägyptische Botschaft in Australien erhielt den vierten und letzten Teil der Stele des Seshen-Nefertem zurück, die vor über 20 Jahren geraubt worden waren. Die übrigen drei Teile waren bereits 2017 aus der Schweiz repatriiert worden: 


Das New Yorker Metropolitan Museum of Art verkündete am 15.2.19 die Rückgabe des Sarkophags des Hohen Priesters Nedjemankh aus ptolemäischer Zeit an Ägypten. Untersuchungen hatten ergeben, dass die Provenienzangaben und die Ausfuhrgenehmigungen des Stückes, das 2017 von einem Pariser Antikenhändler angekauft worden war, gefälscht waren. Tatsächlich war der Sarkophag 2011 geraubt worden. 

An den ägyptischen Botschafter in Amsterdam wurde eine Kalksteinstatue zurückgegeben, die in den 1990er Jahren illegal ausgegraben worden war und dann in die Niederlande gelangt war: 

Massnahmen gegen illegale Landnahme


Die ägyptische Regierung hat begonnen, durch Abrissmassnahmen die Ausbreitung von Slums im Gebiet eines 1200 Jahre alten Friedhofs im Kairoer Viertel Bassatine zu verhindern.


Teile der Lehmziegelmauer zum Schutz des Khnum-Tempels von Esna brachen am 13.2.19 zusammen. Grund dafür war das Eindringen von Abwässern eines benachbarten Slumviertels. Die Mauer war 1993 errichtet worden, um die Ausbreitung des Viertels in das Gebiet des antiken Tempels zu verhindern. Der Wiederaufbau soll in Angriff genommen werden. 

Tempel von Esna
(Foto: J. Zerres, Januar 2013)


Baudenkmalpflege


Bulgarische Touristen hatten mit Entsetzten Anfang Januar ein Graffito in kyrillischer Schrift an der großen Pyramide von Gizeh entdeckt und ein Foto davon in sozialen Netzwerken gepostet:.

und sonst …


2014 wurde viel über den Verkauf der Statue des Sekhemka aus dem Stadtmuseum von Northampton berichtet worden, der großen Unmut bei Denkmalschützern in Großbritannien und darüber hinaus erregt hatte. Nun wurden neue Details zum Hergang des Verkaufs bekannt (Archaeologik berichtete: http://archaeologik.blogspot.com/2014/08/good-bye-sekhemka-agyptens-kulturguter.html

Egypt Today, 14.2.2019 berichtet, dass der prominente Ägyptologe Zahi Hawass die Rückgabe von herausragenden Stücken, die sich in ausländischen Msueen befinden wie z. B. dem Stein von Rosette, der sich im British Museum befindet und dem Kopf der Nofretete aus Berlin fordert:  

Interne Links


Samstag, 9. März 2019

Leichenhandel

Ein Würzburger Auktionshaus bietet heute - 9.3.2019 - auf einer Auktion einen übermodellierten Ahnenschädel aus Papua-Neuguinea an:
Das Angebot ist moralisch und rechtlich mehr als fraglich:
Es handelt sich um menschliche Leichenteile, deren Handel zwar offenbar nicht grundsätzlich explizit verboten ist, der aber  eindeutig gegen die guten Sitten verstößt, womit das Rechtsgeschäft ungültig sein müsste (BGB, §138, Abs. 1). 

In einem ähnlichen Fall 2014 in München kam das Bestattungsgesetz zur Anwendung und verhinderte eine entsprechende Auktion.

Es ist davon auszugehen, dass solche Ahnenschädel von der ursprünglichen Gemeinschaft nicht freiwillig in den Handel gegeben wurden, sondern ein Fall von geraubtem Kulturgut vorliegt. Die im Netz zugänglichen Provenienzangaben reichen zuverlässig nur bis 2013 zurück, als der Ahnenschädel in Brüssel versteigert wurde (Katalog online). Davor soll er in Privatbesitz und seit etwa 1960 in einer niederländischen Galerie gewesen sein. Der Schädel wurde also nach 2007 nach Deutschland eingeführt, insofern müsste hier auch das neue Kulturgutschutzgesetz greifen.
 
Ahnenschädel aus Papua-Neuguinea, Ethnographic Collection Wellcome Library, London
(Foto: WellcomeImages [CC BY 4.0 ] via / WikmediaCommons)

In öffentlichen Museen werden derzeit heftige Anstrengungen unternommen, der Kunsthandel zeigt sich unberührt und handelt fröhlich mit Leichenteilen:

Es sind übrigens zum Teil dieselben Akteure, die auch mit Antiken handeln.

Freitag, 8. März 2019

SABA 2019 rückt näher!

Bekanntermaßen findet vom 25. – 27. April 2019 in der Weltkulturerbestadt Bamberg SABA 2019 statt.

SABA ist ein von Studierenden für Studierende ausgerichtetes Symposium, das es “angehenden Wissenschaftler_innen ermöglichen [soll], ihre Bachelor- oder Masterarbeit zu präsentieren und sich an einem konstruktiven Diskurs zu beteiligen." SABA trägt dazu bei, dass Studierende lernen, Forschungsarbeiten auf Tagungen, ggf. auch auf Englisch zu präsentieren.


SABAs meinen übrigens “Jeder ist willkommen. Anmeldung einfach formlos an die eMail Adresse info.saba19@gmail.com ist aber keine Pflicht, hilft uns nur beim Planen.“
Jetzt gibt es mehr Info zum Programm:


Tagungsprogramm

Call for Posters“

und weiterhin auf dem Blog
und Twitter

Interner Link


Mittwoch, 6. März 2019

Archäologie, die begeistert: Das Sensationsnarrativ "älter, größer, wichtiger"

In Forchheim haben Grabungen am Rathaus möglicherweise das Umfeld des aus der schriftlichen Überlieferung bekannten Areals von Pfalz und Königshof erfasst. Prinzipiell ist das keineswegs eine Sensation, denn die schriftlichen Quellen berichten sehr deutlich von der frühmittelalterlichen Bedeutung Forchheims.
805 begegnet Forchheim im Diedenhofener Kapitular Karls des Großen als ein wichtiger Handelsplatz für den Handel mit den Slawen im Osten. Belegt sind mehrere Königswahlen, so 900 die Wahl von Ludwig dem Kind, die Wahl Konrads I. 911 und schließlich 1077 die Wahl Rudolfs von Rheinfelden als Gegenkönig gegen Heinrich IV.  Dass irgendwann irgendwo in oder bei Forchheim die Reste von Königshof/Pfalz angetroffen werden, war also zu erwarten. 
Rathaus Forchheim
(Foto: R. Schreg, 2019)

Das ist nun aber die wissenschaftliche Sicht. Wenn der Grabungsleiter Claus Vetterling davon spricht, die  aktuellen Grabunsgergebnisse  könne man in jedem Fall "als sensationell betrachten", so ist das dennoch nicht falsch, denn der Bezugsrahmen ist ein anderer. Zum einen geht es konkret um die noch offene Frage, ob die Grabungen eher den Hinterhof mit Gruben und Pfosten eines Handwerksviertels oder eben einen Teilbereich des Königshofs erfasst haben, an dem zahlreiche Handwerker beschäftigt worden waren. Zum anderen geht es um die lokalhistorische Perspektive, für die das Materielle der archäologischen Funde eine größere Realität und Vorstellungskraft schafft, als die für das Publikum sehr abstrakten, kaum lesbaren Schriftquellen. Es klärt sich auch die historische Topographie, die aus einer Lokalperspektive natürlich nochmals ganz wesentlichen Einfluß auf die Wahrnehmung der Heimatstadt haben kann.

Die aktuelle Meldung zur Grabung zeigt, wie die greifbaren archäologischen Funde eine Begeisterungskraft entfalten können, wenn sie, wie im vorliegenden Fall wohl geschehen, von den Kollegen geschickt kontextualisiert und präsentiert werden. 
"Als Claus Vetterling am Donnerstag die Stadträte über den Stand der Grabungen informierte, wurde sein Vortrag plötzlich von Applaus unterbrochen. Nämlich genau in dem Moment, als Vetterling sagte, dass 'die Funde auf ein Zentrum in Forchheim hindeuten, das bedeutender als Bamberg sein könnte'." 
Dass dieses Sensationsnarrativ aber kritisch ist, weil es eben von sehr unterschiedlichen Assoziationsrahmen  abhängt, zeigt das Beispiel auch. Die in der Archäologie häufige Meldung "älter, größer, wichtiger" zieht eben auch nur in einem bestimmten Rahmen und hängt auch von modernen Befindlichkeiten ab.

Literaturhinweis

M. Hoffmann (Hrsg.), Forchheim - älter als der Rest?! Begleitheft zur Ausstellung im Pfalzmuseum Forchheim vom 19.07.-28.10.2018 (Bamberg 2018).
 

Samstag, 2. März 2019

Gefängnisstrafe fürs Absammeln archäologischer Stätten

Zehntausende Artefakte von präkolumbischen archäologischen Stätten auf öffentlichem Grund hat ein Sammler zusammengetragen - ohne Genehmigung und Dokumentation. Das Gericht verurteilte des Sammler zu mehr als einem Jahr Gefängnis. Nach Expertenurteil geht es um einen “irreplaceable loss of unique historical information.” 
Ein Vertreter der 'indianischen' indigenen Washoe Gemeinschaft in Kalifornien und Nevada spricht davon, dass die illegalen Grabungen ihre Vergangenheit vernichtet hätte und ihne Möglichkeiten einschränke, ihren Kindern etwas von ihrer Geschichte und Kultur zu vermitteln. 

Änderungsvermerk (2.3.): bessere Ausformulierung

Freitag, 1. März 2019

"Wenn eine Fundstelle befreit wurde, ist sie noch lange nicht sicher" - Kulturgut in Syrien und Irak (Januar 2019)

Anfang 2019 sollen nun die letzten Gebiete von Daesh befreit sein.  Das Interesse an Syrien und Irak erlahmt zusehends. Die Geschichten des Wiederaufbaus, der ja keineswegs in einem Frieden stattfindet, sind offenbar zu wenig "explosiv" und erschreckend alltäglich. Das Land liegt in Ruinen und wieder gewinnt das Kulturerbe propagandistischen Wert - allerdings nicht zuletzt für das Ausland und die staatlichen Institutionen, auch des syrischen Assad-Regimes. 
Humanitäres Engagement lässt sich heute gut mit der Denkmalpflege in Szene setzen. Jedenfalls bemängelt das ein  bereits im dezember 2018 erschienener Beitrag der Plattform The Hyperallergic. Er berichtet aus Mosul, wo am 17.Dezember 2018 zum einen der Beginn der Restaurierungsarbeiten an der Al Nusri-Moschee berichtet wurde (https://www.npr.org/2018/12/17/677291063/iraq-lays-cornerstone-to-restore-al-nuri-mosque-as-mosul-rebuilds), zum anderen aber die unbeachteten Nöte der Einwohner thematisiert wurden, die hungern und in der zerstörten Stadt ohne vernünftige Wohnungen leben (https://www.newyorker.com/magazine/2018/12/24/iraqs-post-isis-campaign-of-revenge). Weil die Einwohner von Mosul während der Daesh-Herrschaft mit diesen sympathisiert hätten, würde der irakische Staat den Wiederaufbau nun aus Rache verschleppen und sich stattdessen lieber publikumswirksam mit Unterstützung der UNESCO um den Wiederaufbau der kulturellen Monumente bemühen.


Meldungen zu einzelnen Kulturstätten in Syrien und Irak

Mosul

Erste Ausstellung nach der Zerstörung des Museums:
Finanzielle und materielle Unterstützung für Mosul von allen Seiten

    Palmyra



      Aleppo

      Schadensbilder, gepostet via facebook

      Schadensmeldungen

      Seit Mai 2018 ist keiner der Weekly/Montly Reports von ASOR mehr erschienen. Auch der Damage Newsletter der Gruppe Heritage for Peace erscheint nun deutlich seltener. War er in den vergangenen Monaten alle zwei Wochen erschienen, liegt für den Zeitraum Januar/Februar 2019 nur ein Damage Newsletter vor:

      Maßnahmen und Öffentlichkeitsarbeit

      Stipendien für Museums-Wissenschaftler aus Syrien, Irak, Lybien und Jemen für einen Forschungsaufenthalt am  bei der Association for Research into Crimes against Art (ARCA) in Italien 
      Wissenschaftliches Asyl in Jena:
      Ausstellung im Pergamon-Museum
        Die 3D-Illusion. Die originale Quelle ist trotzdem futsch:
        Kulturerbe war Thema bei Staatsbesuch des italienischen Premierministers Conte im Irak:
        Ein Überblick über die Schäden anläßlich einer Ausstellung im Institut du Monde Arabe in Dubai:

        Antikenhehlerei und Kunsthandel

        "Eckhard Laufer, a participating police officer from Germany, said many private collectors and some museums often did not question the provenance of artifacts. “It is one of the biggest problems in crime.”"
        "Deslandes said sites inside Iraq were still at risk. “When a site is liberated, it doesn’t mean the looting has finished."”
        Aufregung um den Verkauf von Reliefs aus dem Palast von Ashurnasirpal II in Nimrud, die sich seit dem 19. Jahrhundert in Newbattle Abbey in Schottland befunden haben - lange Zeit galten sie als kitschige Repliken, ehe 2006 ihre Echtheit bestätigt wurde und sie nun des Geldes wegen, das man für den Erhalt des Gebäude bräuchte, ins Ausland an einen ungenannten Käuferverkauft wurden. Interessanterweise hält gerade das BM den Verkauf für anrüchig, weil damit nationales Kulturerbe verhökert würde - den Ankauf im Bagdad wird aber nicht hinterfragt.
        Rückgabe von während des Irakkriegs gestohlenem Museumsgut
        aus Jordanien:

         Weitere Berichte

        Zum Tod der irakischen Archäologin Lamia Al-Gailani

          Vor dem Krieg:

          Links

          frühere Posts zum Bürgerkrieg in Syrien auf Archaeologik (insbesondere Medienbeobachtung seit Mai 2012), inzwischen auch jeweils zur Situation im Irak


        • Fünf Jahre Syrienberichte. Archaeologik (4.5.2017)
          - Stand April 2017



        • Wie immer geht mein Dank an diverse Kollegen für ihre Hinweise.