Dienstag, 7. Juni 2016

Einstürzende Burgen - Sanierungs- und Lobbybedarf

Jonny Schwabe


Wenn Burgen zerfallen

Rums!!! Und weg war er. Es muss laut gescheppert haben im Mai 2010 im Lenniger Tal als die Reste des Viereckturmes und Teile der Ostmauer der berühmten Burg Teck abrutschten (s. Wikipedia; Teckbote 5.12.2012; Ottersbach/Starzmann 2013, 171).
Schon in der Bronzezeit war der Sporn des Albtraufs bei Owen bewohnt. Auch in alemannischer Zeit und im Frühmittelalter siedelten Menschen auf der Teck. Ende des 11. Jh. wurde auf der Teck eine Burg errichtet, die 1152 in die Hand Kaiser Friedrich Barbarossas geriet. Aus dieser Zeit stammte auch der im Mai 2010 abgerutschte Teil der Burg Teck. Von der Stauferzeit an gehörte die Burg den „Herzögen von Teck“. Fortan waren die Burg und ihre Herren mit der deutschen und europäischen Geschichte eng verbunden. Der Adelstitel „Teck“ war bis 1918 im englischen Hochadel vertreten.
Die Burg selbst überlebte die Jahrhunderte jedoch nicht so unbeschadet. 1525 wurde die Burg durch die Bauernkriege fast vollständig zerstört. Und so geriet die Burg mehr oder weniger in einen Dornröschenschlaf, bis Ende des 19. Jh. der Schwäbische Albverein, der seit 1941 Eigentümer der Burg ist, die Burg "entdeckte" und sie mit einem Aussichtsturm und einer Mehrzweckhalle sowie einem Wanderheim ausbaute (Ottersbach/Starzmann 2013, 170f.; Schmitt 1991, 95-108).
Burg Teck von Westen
(Foto: Merkur-kun [CC BY SA 3.0] via Wikimedia Commons)
Die Schäden an der Ostmauer der Burg Teck, die 2010 durch einen Abrutsch des Viereckturmes entstanden, waren erheblich. So wurde eine bei Besuchern der Burg Teck beliebte Aussichtsplattform, die auf dem aus der Stauferzeit stammenden Stumpf des Burgturmes errichtet wurde, zerstört. Zudem rutschten auch große Teile des historischen Burgturmstumpfes mit ab. Einzelne Eckbuckelquader, die nach dem Abrutsch noch in der Mauer verblieben waren, wurden nachträglich zur Absturzsicherung abgetragen. Einziger positiver Effekt des Abrutsches war, dass nun zum einen das aufwendige Fundament des Turmes wissenschaftlich untersucht werden konnte, zum anderen festgestellt werden konnte, dass der Turm eine Zisterne (vermutlich aus der Stauferzeit) und nachträglich auch eine Treppe hatte. Ab 2013 wurde um den abgerutschten Turmstumpf ein Betonmantel gelegt. Zudem wurde die obere Abbruchkante (an der sich einst die Aussichtsplattform befand) durch eine Gabionen-Mauer geschützt (vgl. Teckbote 5.12.2012).  

Dem Verfall preisgegeben

Burg Loch, Südseite des Bergfrieds, 1990
(Foto: MacElch (Reiner Kunze) [CC BY SA 3.0]
via WikimediaCommons)
Im Fall der Burg Teck reagierten die verantwortlichen Behörden recht schnell. Das muss aber nicht immer der Fall sein. Das Beispiel der Höhlenburg „Burg Loch“ (wikipedia) zeigt, dass nicht jede Burg in Deutschland saniert oder restauriert wird (und werden kann). Die Burg Loch liegt unweit von Regensburg im Tal der Schwarzen Laber und ist nicht nur wegen ihrer besonders schönen Aussicht berühmt, sondern sie ist eine der ganz wenigen Höhlenburgen nördlich der Alpen und allein deswegen schon eine Besonderheit. Seit 1988 ist die Burg herrenlos und gehört somit dem Land Bayern. 1989/90 konnte die einsturzgefährdete Wehrmauer der Burg gesichert werden. Danach passierte lange Zeit nichts - außer, dass die Burg für jeglichen Besucherverkehr gesperrt wurde. Die Gefahr des Einsturzes war zu groß. Und so ließ man die Burg bis 2014 weiter verfallen. Seit September letzten Jahres hat nun das Landesamt für Denkmalpflege Bayern damit begonnen, große Teil der Burg zu sichern. Für die Sanierung kämpft schon seit 2008 der „Förderkreis Burgruine Loch e.V.“, der auch große Teile der Finanzierung der Notsicherung trägt. Eines steht aber auch fest: Ohne den jahrelangen Kampf des Förderkreises würde es bis heute keine Sicherungsmaßnahmen geben (vgl. Boos 1998, 429ff.; Schwaiger 2007; Burgen in Bayern).  

Kein Einzelfall?


Die Burgen „Teck“ und "Loch" sind jedoch kein Einzelfall. Viele Burgen und Schlösser in Deutschland sind nicht nur „in die Jahre“ gekommen, sondern vom massiven Verfall betroffen. Viele andere wurden dagegen durch private und staatliche Initiativen teilweise sehr aufwendig saniert und restauriert. Dabei wurde natürlich nicht nur sinnvoll restauriert, sondern man schoss dabei oft über das Ziel hinaus. Verfallene Ruinen wurden wieder aufgemauert oder gar ganz phantasievoll 'rekonstruiert'. Dabei wurde nicht nur falsch rekonstruiert, sondern oft auch die falschen Materialien verwendet (z.B. falsche Betonmischungen, falsches Holz, falsche Materialien bei der Zusammensetzung von Farben usw. - siehe Böhme/Dollen 1991, Bd. I, 177 – 81, mit weiterführender Literatur; Adler 1994; Fischer 2001).
Burgensanierung
(Foto: Adrian Michael [CC BY SA 3.0] via WikimediaCommons, beschnitten)


Um einen gewissen Standard in der Erforschung, Sanierung und Restaurierung von Burganlagen, aber auch anderen archäologischen Quellen des Mittelalters (etwa Siedlungen, Städte, Pfalzen usw.) zu gewährleisten, wurde in den 1980er Jahren die Mittelalterarchäologie nach den Vorbildern englischer und skandinavischer Hochschulen erstmals auch an deutschen Hochschulen institutionalisiert (erstmals 1981 an der Uni Bamberg). Dabei ging es aber zunächst nicht um die Erarbeitung von Standards in der Sanierung und Restaurierung von Burganlagen, sondern um die grundlegenden Methoden einer archäologischen Burgenforschung. Wegweisend waren die in den 1950er und 1960er Jahren an rheinischen Burgen durchgeführten Ausgrabungen (besonders die Ausgrabung von A. Herrnbodt an der Niederungsburg Husterknupp, vgl. Herrnbrodt 1958). Erstmals kamen dabei Methoden der Dendrochronologie, der 14C-Datierung sowie eines detaillierten Bauaufmaßes zum Einsatz. Spätestens seit den 1980er Jahren konnten sich auch in der Burgenforschung die wissenschaftlichen Standards der Archäologie und seiner Nachbardisziplinen wie der Archäozoologie, Archäobotanik, Bauforschung, Mediävistik und Kunstgeschichte etablieren. Damit lassen sich detaillierte Fakten über die Architektur von Burgen, Häusern, Pfalzen usw. gewinnen, die die Baugeschichte der Burganlagen klären, aber vor allem auch Informationen über die Lebensumstände gewinnen, die letztlich unser Bild vom Leben im Mittelalter konkretiseren (Böhme/Dollen 1991, Bd. I, S. 31f.).

Die Qualität der Erforschung und Sanierung von Burgen in Deutschland hängt entscheidend davon ab, dass kompetente Ausgräber, Bauforscher und Handwerker in die Sanierung eingebunden sind. Für die Erforschung von Burgen gibt es heute hohe Qualitätsstandards an die Dokumentation, die etwa exakte Aufnahmemethoden der Bauforschung durch händisches oder computergestütztes Aufmaß, fotografische und textliche Dokumentationen sowie „Raumbücher“ für intakte Gebäude umfasst.

Burg Hohenfreyberg
(Foto: Patrick Huebgen, PD)
Ein gutes Beispiel für eine gelungene Sanierung einer Burg stellt sicher die Burg Hohenfreyberg in Bayern (Ostallgäu) dar. So ging dort der Sanierung eine sorgfältige und sicherlich auch kostenintensive Dokumentation des Bestandes voraus. Während der Arbeiten an der Burganlage wurde jede Sanierungskampagne von Spezialisten begleitet und zugleich eine Schadenskartierung vorgenommen, anhand der man ein schlüssiges Sanierungskonzept erarbeiten konnte (siehe Burgen in Bayern; wikipedia; Böhme/ Dollen 1991, Bd. I, 37).

Madenburg
(Foto: Ramessos [CC BY SA 3.0] via WikimediaCommons)
Dass nicht immer, fast zwanghaft, alles rekonstruiert werden muss, sondern durchaus Burgen auch als Burgruinen stehen bleiben können (und nur der für den Besucherverkehr begehbare Teil so restauriert werden muss, dass er ein sicheres Betreten der Burg erlaubt) zeigt das Beispiel der Burg „Madenburg“ in Rheinland-Pfalz. Am Beispiel der Madenburg ist ein wohl heute in der Denkmalpflege wichtiger Grundsatz, nämlich „Konservieren vor Restaurieren“ deutlich sichtbar. So wurden nur partiell einige wenige Bereiche (etwa Teile des sog. Phillipsbaus und Eberhardsbaus) restauriert, große Teile der Burganlage jedoch lediglich konserviert. Einzig die sich in der Burg befindliche „Burgschenke“ wurde im 20 Jh. neu hinzugefügt (Wikipedia; Appel 2000; Keddigkeit 1999-2007, Bd 3, 494 – 514; Thon/ Reither/ Pohlit 2003, 101ff.).


Burg Trifels
(Foto: J. Schwabe)
Dennoch wurden vor allem zu Beginn des 20. Jh. viele Burgen in Deutschland falsch konserviert und rekonstruiert. Ein Beispiel dafür ist die Burg Trifels bei Annweiler im südlichen Rheinland-Pfalz. So wurde ab dem Beginn des 20. Jh. zwar zahlreiche Grabungen an der Burganlage vorgenommen, doch wurden die Grabungsergebnisse in die Rekonstruktion der Burg durch die Nationalsozialisten am Ende der 1930er Jahre nicht berücksichtigt und die Burg zu einer „nationalen Weihstätte“ ausgestaltet. Dabei wurde die Burgruine nach Vorbildern italienischer Burganlagen phantasievoll rekonstruiert (siehe ausführlich Keddigkeit 1999-2007, 4.2., 105–133; Thon/ Reither/ Pohlit 2003, 147, Fleischner 1999).

Was ist zu tun?


Letztlich stellt sich nun die Frage, können, ja sollen wir alle Kulturgüter in Deutschland schützen und bewahren? Die Antwort kann nur lauten: JA! Und zwar ohne Einschränkung. Wir sollten in Zukunft nicht darüber diskutieren, ob Kulturgüter in Deutschland geschützt werden sollten, sondern wie. Denn dann würden Kulturdenkmäler nicht einfach nur noch zum Objekt. Aber Kulturgüter sollten mehr sein als bloß eine Burg, ein Schloss oder eine alte Kirche. Und sie sind auch mehr. Sie erzählen uns Geschichten und zeigen uns, dass wir eine Vergangenheit haben und nicht einfach im luftleeren Raum leben. Sie geben uns Identität und das Wissen, das wir über uns selbst brauchen (vgl. Martin/ Krautzenberger 2013, 246ff.). Denkmäler sind, so sagt es zumindest der Duden 2013, „erhaltene (Kunst)Werke die für eine frühere Kultur Zeugnis ablegen“ (Martin/ Krautzenberger 2013, 183ff.). Sie sind somit Zeugnisse unserer kulturellen Entwicklung und geben uns unsere kulturelle Identität.

Nebenbei dienen sie aber auch als unwiederbringlicher Wirtschaftsmotor, denn an Kulturgütern hängen mehr Arbeitsplätze als man so denkt. Nicht nur der Denkmalpfleger, der Archäologe oder Wissenschaftler, sondern auch Restauratoren, Handwerker, Architekten, Gärtner und nicht zu vergessen, die ganze Tourismus- und Gastwirtschaftsbranche (http://www.das-baudenkmal.tv/2013/01/denkmalschutz-als-wirtschaftsmotor/ - siehe auch:Tietz 2005).


Aber was sollten wir in Zukunft machen, um unsere Kulturgüter besser zu schützen bzw. instand zu setzen? Dazu sollte die Politik verstehen, dass Kultgüterschutz Geld kostet. Wer Kulturgüter erhalten will, muss auch Geld investieren. Dazu benötigt man m.E. eine konkretere und gesteuerte Lobbyarbeit seitens der Denkmalpflege. Denn nur wer eine starke Lobby hinter sich vereinen kann, kann auch seine Ziele und Forderungen stärker durchsetzen. Sicherlich sind mit den einschlägigen Burgenvereinigungen und dem DGKS eV. bereits Organisationen vorhanden, die diese Lobbyarbeit übernehmen. Die Deutsche Burgenvereinigung hat begonnen, alle Burgen, Burgruinen und Burgplätze in Deutschland und Europa mittels einer Datenbank zu erfassen und die Daten online zu stellen: http://www.ms-visucom.de/cgi-bin/ebidat.pl
In ähnlicher Weise versucht die Wartburg-Gesellschaft durch den Zusammenschluss von Wissenschaftlern und Institutionen aus über 14 mittel- und osteuropäischen Ländern die Erforschung von Burgen und Schlössern zu unterstützten.
Letztlich sollte eine starke Lobby den Denkmalschutz nicht nur auf politischer und finanzieller Ebene stärken, sondern vor allem die Denkmalpflege auch kritisch begleiten und gegebenenfalls schon frühzeitig konkrete Maßnahmen einfordern. Für eine starke Lobby braucht es aber auch einen starken Zusammenhalt. Diesen gewinnt man sicherlich nur, wenn man die Bürger mit einbezieht.


Eines ist jedoch grundlegend, um einen besseren Denkmalschutz gewährleisten zu können:
Der Dialog zwischen Eigentümern/ Besitzern, Kommunen, Denkmalpflege und Wissenschaftlern!

Literaturhinweise

Adler 1994
H. Adler (Hrsg.), Die Burgenforschung und ihre Probleme. Ergrabung –  Konservierung – Restaurierung (Wien 1994).

Appel 2000
W. Appel, Ruine Madenburg bei Eschbach, Kreis Südliche Weinstraße. 2. Aufl. (Landau 2000).

Böhme/Dollen 1991
H.W. Böhme/ B. v. d. Dollen u.a. (Hrsg), Burgen in Mitteleuropa. Ein Handbuch, 2 Bde. (Stuttgart 1999).

Boos 1998
A. Boos, Burgen im Süden der Oberpfalz. Die früh- und hochmittelalterlichen Befestigungen des Regensburger Umlandes (Regensburg 1998).

Duden 2013
Die deutsche Rechtschreibung. Auf der Grundlage der amtlichen Rechtschreibregeln, 27. Auflage, (Berlin 2013).

Fischer 2001
K. Fischer (Hrsg.), Das Baudenkmal - Nutzung und Unterhalt (Braubach 2001).

Fleischner 1999
S. Fleischner, Schöpferische Denkmalpflege. Kulturideologie des Nationalsozialismus und Positionen der Denkmalpflege (Münster 1999).

Herrnbrodt 1958
A. Herrnbrodt, Der Hustenknupp. Eine rheinische Burgenanlage des frühen Mittelalters, Beih. d. Bonner Jahrb. 6 (Köln 1958).

Keddigkeit 1999-2007J. Keddigkeit (Hrsg.), Pfälzisches Burgenlexikon, 4 Bde (Kaiserslautern 1999 – 2007).

Martin/ Krautzenberger 2013
Martin/ Krautzenberger (Hrsg.), Handbuch Denkmalschutz und Denkmalpflege, 3. Auflage (München 2013).

Ottersbach/Starzmann 2013
C. Ottersbach/ H. Starzmann, Stuttgart und der Mittlere Neckarraum (Petersberg 2013).

Schmitt 1991
G. Schmitt, Burgenführer Schwäbische Alb, Band 4 (Alb Mitte-Nord) (Biberach 1991).

Schwaiger 2007
D. Schwaiger, Die Burgruine Loch bei Eichenhofen im Tal der Schwarzen Laber (Abensberg 2007).

Thon/ Reither/ Pohlit 2003
A. Thon/ H. Reither/ P. Pohlit, „wie eine gebannte, unnahbare Zauberburg“. Burgen in der Pfalz (Regensburg 2003).

Tietz 2005
J. Tietz, Investition Denkmal (Bonn 2005)


weitere Links


Institutionen zur Erforschung und Erhaltung von Burgen (im deutschsprachigen Raum) 

1.) Deutschland Denkmalschutz allgemein:
Überregional tätige Institutionen und Vereine:

Selbstständige Institutionen der Länder (ohne Denkmalämter):
Daneben gibt es noch eine Reihe von regionalen und auf wichtige Einzelobjekte bezogene Vereine, deren Auflistung hier den Rahmen sprengen würde

2.) Schweiz

3.) Österreich






Jonny Schwabe  studiert an der Ruprecht Karls-Universität Heidelberg Ägyptologie im Haupt- und Ur- und Frühgeschichte im Nebenfach. Der Beitrag geht zurück auf eine erste Auseinandersetzung mit Burgen in einem Heidelberger Seminar 2013/14.

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