Samstag, 11. Juni 2016

Energiewende und Bodendenkmalpflege

Denkmalpflege und die Erfordernisse der Energiewende geraten derzeit an vielen Stellen in einen Interessenskonflikt. Am heftigsten diskutiert werden dabei Solarpanele auf denkmalgeschützen Gebäuden oder in denkmalgeschützten Ensembles sowie Energiefenster. Bemerkenswerterweise geht es eher um Fragen der Denkmalästhetik als um Eingriffe in die Originalsubstanz und um die "Historische Authentizität" oder gar den historischen Quellenwert.

Die Auswirkungen für die Bodendenkmalpflege sind aber möglicherweise noch gravierender. Mehrere Tagungen der Denkmalpflege haben sich in jüngerer Zeit des Themas angenommen:
 

Die denkmalpflegerische Diskussion um die Auswirkungen von Windkraftanlagen wird auffallenderweise stark von der ästhetischen Aspekten dominiert (Nohl 2005). Es geht in erster Linie um "visuelle Integrität", um die "Gefahr für die typischen Postkartenansichten", Umgebungsschutz und den Wirkungsraum von Kulturdenkmälern, aber eben nicht um die Bodeneingriffe, die die Baumaßnahmen mit sich bringen. Die Bodeneingriffe und das Risiko einer Zerstörung von Bodendenkmälern sind in der Diskussion deutlich unterrepräsentiert.

 
Windräder in Rheinhessen (Foto: R. Schreg)



Bodeneingriffe bei Windkraftanlagen

In der Diskussion scheinen die Bodeneingriffe kaum auf, die für die Windkraftanlagen und die Solarfelder sowie die dafür erforderlichen infrastrukturellen Maßnahmen erforderlich sind. Die Standorte der Windräder selbst, die Stromleitungen und die Baustraßen sind Eingriffe in den Boden, die eben auch auf archäologische Befunde Rücksicht nehmen müssen. Schwertransporte führen unter Umständen zu einer Verdichtung des Bodens oder gar zu tiefgreifenden Spurrillen, die archäologische Befunde völlig zerstören können. Betroffen sind dabei meist Standorte abseits der modernen Siedlungen, oft auf "minderwertigem" Land, bisweilen gar in Wäldern - für die oft nur geringe archäologische Vorkenntnisse vorliegen. Ohne gezielte archäologische Prospektionen lässt sich selten vorhersagen, was für Fundstellen betroffen sein werden - gerade ihre Kenntnis aber kann für Fragestellungen (prä)historischen Landesausbaus und (prä)historischer Landnutzung von Bedeutung sein.

Beispiel Limes

Ein Bodendenkmal wie der Limes mit seinen Kastellen, ist als UNESCO-Weltkulturerbe sicherlich hinreichend in seinem Kernbestand geschützt. Doch die Düsseldorfer Tagung, die sich speziell dem Limes widmete, sprach die Risiken für archäologische Befunde im direkten Umfeld des Limes kaum an. Inwiefern bedeutet etwa eine Photovoltaikanlage, die unmittelbar an den Limes anschließt, auch einen Verlust historischer Information? Was wissen wir über das unmittelbare Hinterland der Limeslinie? In Grund-Schwanheim (Gde. Echzell, Wetteraukreis) beispielsweise ist eine Photovoltaikanlage geplant, die direkt an den heute unter der Landesstraße L3188 verlaufenden Limes anschließt. In dem Bereich wird eine Turmstelle vermutet und so muss auch davon ausgegangen werden, dass ein Patrouillenweg das Gelände durchzieht. Das dortige Gewerbegebiet war freilich schon lange vor Eintragung des Limes als Weltkulturerbe grundsätzlich genehmigt worden. Als Auflage vor einer Bebauung wird nun eine geophysikalische Prospektion verlangt, die freilich auch nur einen Bruchteil der relevanten Befunde zeigen kann.


Größere Kartenansicht - geplantes Gewerbegebiet bei Echzell, das nun zur Anlage einer Photovoltaik-Anlage genutzt werden soll. Der Limes verläuft hier unter der Nord-Süd verlaufenden Straße L3188/K183.



Offshore-Windparks - Leitungsverlegungen im Wattenmeer

Im Bereich des Wattenmeeres ist man da schon weiter. Dort, wo keine Nachbarn die Ästhetik der Windkraftanalgen monieren, fällt der Blick stärker auf die tatsächlichen Risiken. Von Offshore-Windparks müssen Leitungen zur Küste verlegt werden, von wo aus dann die Stromtrassen als Überlandleitung geführt werden können - die ebenfalls mit Bodeneingriffen verbunden sind. Bei offshore-Standorten außerhalb  der 12-Meilen-Zone greifen die Ländergesetze zum Denkmalschutz nicht mehr. Ein Projekt des Deutschen Sciffahrtsmuseum in Bremerhaven hat deshalb von 2011-14 mit Mitteln des BMBF Schiffswracks in diesem Bereich kartiert..

Landschaftsschutz

Die Diskussion um eine Verschandelung der Landschaft erinnert stark an die frühen Ansätze des Naturschutzes, dem es um die romantische Landschaft und ihre Ästhetik ging, der zugleich aber die Umweltzerstörung weitgehend ausgeblendet hat (Uekötter 2016). Die Errungenschaften der jüngeren Umweltbewegung mit einem gewissen bewusstsein für ökologische Zusammenhänge scheint vergessen. Das gilt auch im Hinblick auf die Kulturlandschaft. Auch hier wird um deren optische Beeinträchtigung, nicht aber um die Kulturlandschaft als historischer Quelle diskutiert. Das ist interessanterweise bei einer aktuellen Auseinandersetzung in Engalnd anders. In Peterborough, wo auf öffentlichem Grund Solaranlagen errichtet werden sollen, wo landschaftsarchäologisch bedeutende Relikte der Bronzezeit  vermutet werden, wird deutlich stärker mit der Aussagekraft historischer Kulturlandschaften  argumentiert.

Fazit: eine Schieflage

Die Diskussion um die denkmalpflegerische Bedrohung durch Windkraftanlagen scheint daher in einer Schieflage. Während ihre reversiblen negativen Auswirkungen auf das Landschaftsbild laut diskutiert werden, werden die tatsächlichen Risiken kaum thematisiert - jedenfalls in dem, was von den Tagungen in die Öffentlichkeit kommuniziert wird. In der konkreten konservatorischen Arbeit sind die Bodeneingriffe durchaus ein  aktuelles Thema, das auch nicht unerheblich Kräfte kostet. 

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Tagebau Hambach
(Foto: Bernd Brägelmann [CC BY SA 2.0])
Wenig ist im Kontext der Diskussion um die Windkraftanlagen auch von den flächendeckenden Schäden durch den Braunkohletagebau zu hören, mit denen sich die Denkmalpflege inzwischen vielfach abgefunden zu haben scheint. Die römische Töpfersiedlung von Weißenthurn/Urmitz wie auch das dort gelegene neolithische Erdwerk wurden vom inzwischen still gelegten Kernkraftwerk Mülheim-Kärlich erheblich geschädigt, wenn nicht zerstört. Überflutungen von archäologischen Fundstellen durch Staudammprojekte sind legion. 
So gilt für die Denkmalpflege, wie generell für die Diskussion um die Windenergie: Die leicht wahrnehmbare - im übrigen subjektive - Hässlichkeit der Windräder lenkt von den viel gefährlicheren Schäden ab...


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Literaturhinweise



  • Deutsche Limeskommission 2013
    Deutsche Limeskommission (Hrsg.), Regenerative Energien und Welterbestätten. Workshop der Deutschen Limeskommission am 23. November 2011 in Düsseldorf. Beiträge zum Welterbe Limes : Sonderband 2 (Bad Homburg 2013). - pdf auf den Seiten der Deutschen Limeskommission
  • Nohl 2005
    W. Nohl, Die Umweltverträglichkeit von Windkraftanlagen - nicht nur eine Frage technischer Umweltnormen. In: V. Denzer/J. Hasse/K.-D. Kleefeld u. a. (Hrsg.), Kulturlandschaft. Wahrnehmung - Inventarisation - Regionale Beispiele. Fundber. Hessen, Beih. 4 (Bonn 2005) 63–75.
  • Uekötter 2016
    F. Uekötter, Deutschland in grün. Eine zwiespältige Erfolgsgeschichte (Bonn 2016).


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