Donnerstag, 28. November 2013

Die Krise in Griechenland und ihre Auswirkungen auf die Archäologie

Giorgos Vavouranakis, The Greek Economic Crisis and its Reverberations upon Antiquities. Predella 32, 2013 schildert die Auswirkungen der Finanzkrise auf den Denkmalschutz und die Archäologie in Griechenland.

Athen, Blick über die Agora
(Foto R. Schreg, 1991)
Die kurzfristige Verwaltungskrise lässt auch die langfristigen Defizite deutlich hervortreten. Offenkundig sind die Folgen der Kürzungen der Personalmittel seit 2011, die dazu geführt haben, dass es zu wenig Aufsichtspersonal gibt. Raubgrabungen nehmen zu und Funde stehen in den Depots nicht mehr für eine wissenschaftliche Bearbeitung zur Verfügung. Selbst während der Touristensaison gibt es nur reduzierte Öffnungszeiten an Fundstellen und Museen, selbst im Nationalmuseum und auf der Akropolis in Athen, in Delphi und Knossos. Die Personalkürzungen betreffen allerdings auch die Durchführung von Notgrabungen, denn die Denkmalpflege ist in Griechenland im Ministerium bzw. seit 2012 Generalsekretariat für Kultur (GSC) zentralisiert. Es beaufsichtigt Museen und Privatsammlungen und ist für alle Ausgrabungen und archäologische Feldforschung im Land direkt verantwortlich, lediglich über universitäre Forschungsprojekte wird nur eine Oberaufsicht geführt. 

Die Probleme der griechischen Denkmalpflege sind vor allem in den letzten 10 Jahren entstanden, als versucht wurde, die hergebrachten Verwaltungsabläufe mit modernem Denkmal-Management zu kombinieren. Dabei kam es zum unsystematischen Outsourcing von Aufgaben, einer parallelen Ausweitung sowohl der regionalen wie der zentralen Stellen des GSC und unüberschaubaren Verwaltungsabläufen.

Die Entwicklung hat auch zu einem Verlust an Fachkompetenz in der Behörde geführt. Die Personalkürzungen haben vor allem ältere, erfahrene Mitarbeiter getroffen, die in den vorzeitigen Ruhestand geschickt wurden. Lange Zeit war für die staatlichen Denkmalpfleger keine Promotion erforderlich. Experten für Bioarchäologie oder Archäometrie sind in der GSC nicht vertreten. Damit fällt es auch schwer, die Bedeutung archäologischer Notgrabungen zu vermitteln.

In einer Phase, in der die griechische Wirtschaft durch schnelle Entwicklungsprojekte angekurbelt werden soll, ist das für die Denkmalpflege außerordentlich kritisch.

Dienstag, 26. November 2013

Geringere Kürzungen als befürchtet - NRW-Haushalt 2014

Der aktuelle Newsletter der DGUF (25.11.2013) berichtet über den derzeitigen Stand zum Landeshaushalt 2014 in Nordrhein-Westfalen.
Die Landesregierung wird demnach die Zuschüsse für die Denkmalerhaltung nicht vollständig streichen, sondern zu dem neuen Darlehenprogramm wird ein Budget für verlorene Zuschüsse bestehen bleiben. Auch die Gegenfinanzierung eines Defizits in der Baudenkmalpflege durch Gelder der Archäologie ist vom Tisch.


Die DGUF urteilt:
verändert nach
Wikimedia Commons
"Bezieht man sich bei der Einordnung und Bewertung dieses Zahlenwerks auf die ursprünglichen Pläne der Landesregierung, nach denen in drei großen Schritten ab 2013 die Zuschüsse für Archäologie und Baudenkmalpflege bis 2015 auf null gebracht werden sollten, darf das sich jetzt abzeichnende Ergebnis als ein großer Erfolg auch der DGUF-Petition gewertet werden. Bezieht man sich auf den Zustand 2012 - und das war das Referenzjahr für die DGUF-Petition - bedeuten diese Zahlen, dass das Land NRW den langjährigen Trend weiterführt, sich sukzessive aus der Unterstützung von Archäologie und Denkmalpflege zurückzuziehen. (DGUF-Newsletter v. 25.11.2013)"
Es bestehen also Chancen, dass es nochmals relativ glimpflich ausgeht. Es ist anzunehmen, dass es ohne den öffentlichen Druck der online-Petition deutlich schlimmer gekommen wäre.

Interner Link


Nachtrag (18.12.2013)
:

DGUF-Newsletter vom 25.11.2013

Der aktuelle Newsletter der DGUF (25.11.2013) berichtet wie immer auch über Kulturgutschutz.

Hervorgehoben seien:
  • 5.2. Der Universität Jena bekannt? DGUF erinnert an die "Ethischen Richtlinien für Museen" des ICOM
  • 5.3. Archäologie und Baudenkmalpflege in NRW 2014: Es werden Landesmittel gekürzt, aber weniger als befürchtet - Siehe auch Geringere Kürzungen als befürchtet
  • 5.4. Kontroverse europäische Debatte um Sondengänger und damit verbunden 5.5. der Call für weitere Beiträge zum "Forum: Schatzregal" der Archäologischen Informationen sowie 5.6. die Spezifizierung des neuen Schatzregals in NRW.
  • 5.8. Manchmal lassen die Archäologen ihnen bewusst den Vortritt: Raubgräber in China

Außerdem wird auch die Situation in Ägypten und Syrien thematisiert
  • 5.10. Ägypten: Der Antikenhandel blüht, und Zahi Hawass träumt von einer fliegenden Eingreiftruppe
  • 5.11. "Überwältigender, als eine Beschreibung je darlegbar machen kann": Neuer Band über die Zerstörung und einen möglichen Wiederaufbau Aleppos

Montag, 25. November 2013

Why blogging Archaeology? A blogging carnival - Warum Archäologie Blogs? Eine Blog-Parade


At the SAA annual meeting 2014 in Texas there will be a Blogging Archaeology session. The weblog Doug's Archaeology by Doug Rocks-Macqueen contributes by hosting a blogging carnival (explained here). Each month leading up to the SAAs in April, Doug will post a question. Answers will be blogged at the individual blogs. At the end of each month, Doug will collect all posts and add their links. Auf der Jahreskonferenz der SAA (Society of American Archaeologists) im April 2014 in Texas wird es eine Sektion 'Blogging Archaeology' geben. Als Beitrag dazu organisiert Doug Rocks-Macqueen auf seinem Weblog Doug's Archaeology eine 'Blog Parade' (eine kurze Erklärung hier). Bis zur Tagung stellt Doug jeden Monat Fragen an die Blogosphäre, deren Antworten in den jeweiligen Blogs gepostet werden und schließlich auf Doug's Archaeology gesammelt, verlinkt und zusammengefasst werden.

Blogging Archaeology

The question for November is:
Why blogging? – Why did you, or if it was a group - the group, start a blog? Why are you still blogging?
Die November-Frage lautet:
Warum bloggen? – Warum haben Sie ein Blog begonnen?
Warum bloggen Sie noch immer?
The interest of the SAA session in blogging archaeology will probably focus on the situation in the US. However, it may be useful, to reflect the situation abroad. Therefore, I will try to answer the questions for the German weblog Archaeologik. Wenngleich sich das Interesse der Sektion Blogging Archaeology der SAA sicher auf die USA richten werden, möchte ich die Blog-Parade auch auf Archaeologik aufgreifen. Als Antwort auf die Frage, scheint es mir aber nötig, ganz kurz weiter auszuholen.
Blogging Archaeology in Germany Archäologische Blogs in Deutschland
In fact, blogging is no topic of the current archaeological community. Many German archaeological journals only started quite recently to go online. In many cases, they have only short summaries available, not to speak of open access full texts. Bloggen ist zur Zeit noch kein Thema in der deutschsprachigen Archäologie. Viele wichtige Zeitschriften sind erst seit kurzem im Internet präsent. Zumeist beschränken sie sich immer noch auf kurze Inhaltsangaben, open access verfügbare Volltexte sind die große Ausnahme.
Till now, there are quite few archaeology blogs in Germany. Many of them are hosted by amateur archaeologists. They don't want to go into academic debates and are most often real logs of ongoing activities. They present new finds or give personal impressions from readings, museums or presentations. Bislang gibt es in Deutschland nur relativ wenige archäologische Blogs. Nicht wenige werden von Amateur-Archäologen betrieben und haben zunächst gar nicht die Absicht, in fachwissenschaftliche Debatten einzusteigen. Sie sind meistens tatsächlich Logbücher laufender Aktivitäten und präsentieren Neufunde oder Eindrücke aus aktueller Lektüre, Museumsbesuchen und Vorträgen.
Blogs of professional archaeologists or PhD canidates are currently quite seldom. The most important German blogs can be found here at Archaeologik. Blogs von professionellen Archäologen oder Doktoranden sind derzeit noch die große Ausnahme. Eine Zusammenstellung deutscher Dissertations- und Projektblogs auf Archaeologik.
Archaeologik  Archaeologik
Archaeologik is my private weblog showing various aspects of archaeological research and cultural heritage management. I am a landscape archaeologist, mainly focussing on the European Middle Ages, but the scope of the blog is much broader. I work at a renowned German archaeological research institute. Blogging, however, is rather private, even if some of the ongoing projects are represented on the weblog.
Archaeologik publishes around 15 blogposts per month, resulting in more than 8000 page views per month.  
Archaeologik wird als privates, wissenschaftlich orientiertes Weblog betrieben, das Themen aus den Feldern Archäologie und Denkmalschutz behandelt und vor allem methodisch-theoretische und wissenschaftspolitische Aspekte der Archäologie in den Mittelpunkt stellt. Ich selbst arbeite an einer traditionsreichen Forschungseinrichtung vor allem über mittelalterliche Siedlungslandschaften und Umweltarchäologie - das Themenspektrum des Blogs geht aber weit darüber hinaus.  
Derzeit gibt es rund 15 Posts im Monat, die Zugriffszahlen liegen nach der Blogger-Statistik bei über 8000 Aufrufen im Monat. 
Starting Archaeologik
Archaeologik was born in November 15th, 2010. At that time it was called Archaeologica and was hosted at twoday. The weblog started on the occasion, when German-Austrian media manager Helmut Thoma confessed having looted a Roman grave in Palmyra. He proudly showed an ancient relief as his trophy to a young, probably attractive female journalist, who published this as an adventure story ("it was dark, and there were snakes..."), but with no critical comment at all.
It was my impression, that this story had to be told, as it praised the looting of sites as an admirable heroic deed, suited for refined people. I just wondered, how blogging could contribute to raise awareness for archaeological needs.     
Die Anfänge von Archaeologik
Am 15. November 2010 startete Archaeologik - zunächst als Archaeologica auf twoday. Anlaß war das Geständnis des Medienmanagers Helmut Thoma, ein Grab in Palmyra geplündert zu haben. Einer jungen, hübschen Journalistin präsentierte er stolz seine Beute, ein Grabrelief. Der Artikel "Es war nacht und da waren Schlangen..." enthielt sich jeden kritischen Kommentars. Ich hatte den Eindruck, dass diese Story nicht unkommentiert bleiben sollte, da sie die Plünderung archäologischer Fundstellen geradezu salonfähig machte. So stellte sich am konkreten Fall die Frage, wie archäologisches Bloggen dazu beitragen kann, archäologische Themen und insbesondere die gesellschaftlichen Anliegen des Faches in eine breitere Öffentlichkeit zu tragen.
When in January 2011 the National Museum in Kairo was looted, and the Arabian spring and its subsequent civil wars endangered many archaeological sites and were used to target the identity of people, there was little reaction from German archaeologists, so I just started to collect the links. In the meantime there are series of blogposts observing the development in the Syrian civil war as well as the situation in Egypt. It's a pity that there are no archaeology blogs from colleagues, who are actually working in these regions. They probably could do this much better than I can. Im Januar 2011 wurde das Nationalmuseum in Kairo geplündert, der arabische Frühling und die nachfolgenden Bürgerkriege haben viele archäologische Fundstellen gefährdet. Sie sind Plünderungen ausgesetzt und werden zum Teil gezielt vernichtet, um die Identität der Bevölkerung  zu treffen. Nur wenige deutsche Archäologen haben sich dazu öffentlich geäußert. Auf Archaeologik entstanden Serien regelmäßiger Posts zum Bürgerkrieg in Syrien wie zur Entwicklung in Ägypten. Ich finde es schade, dass es keine anderen Blogs gibt, die hier mit archäologischer Fachkompetenz die Themen aufgreifen und stärker ins öffentliche Bewußtsein bringen.
Born in the late 1960s, I am neither a "digital native" nor a "technical nerd". Therefore, my interest in blogging is rather reserved and rational. At the beginning, I was just curious to find out what blogging meant and what value it holds for archaeology. I never planned to start my own blog, it just happened, as my first posts about the Thoma affair and about Egypt got an impressive response.
Da ich noch in den späten 1960er Jahren geboren bin und kein großer Technikfan bin, war mein Zugang zum Bloggen ein eher rationaler: Ich wollte erst mal kennenlernen, was "Bloggen" überhaupt ist - und worin sein Nutzen für die Archäologie liegen könnte. Ich hatte nie geplant, einen Blog zu beginnen, aber die ersten, als Test gedachten Posts zur Affäre Thoma wie auch zu Ägypten fanden überraschende Resonanz.
With some advice from a colleague, working as an online editor at a broadcasting company, and ideas from facebook friends, Archaeologik started developing. Discussion in the early days of my blogging lead me to the impression, that institutional blogs are often recognized as rather boring PR-instruments, celebrating success, posting invitations to lectures, and advertising new publications. In contrast, private science blogging has a higher authenticity and reliability. 
Mit Tips einer Kommilitonin, die als Online-Redakteurin arbeitete sowie mit Ideen, die in erster Linie aus damals ebenfalls erst neu begonnenen facebook-Aktivitäten entstanden, begann sich Archaeologik langsam zu entwickeln. Überlegungen in der Anfangszeit des Blogs hinterließen bei mir den Eindruck, dass institutionelle Blogs häufig als eher langweilige Werbekanäle wahrgenommen werden, die die eigene Erfolge feiern, Einladungen zu Veranstaltungen und Werbung für neue Publikationen posten. Privates Wissenschaftsbloggen scheint hingegen als authentischer und vertrauenswürdiger zu gelten.
Archaeologik exists at its current platform since April 2011. To get started, I used previous posts from Archaeologica as well as from my facebook account. Therefore the first blog entry dated 19th of may 2010 in fact predates the birth of the blog. Seit April 2011 gibt es Archaeologik unter der jetzigen Adresse. Zum Start hat das Blog die Archaeologica-Posts sowie einige frühere facebook-Meldungen mitbekommen. So ist der Vater der württembergischen Archäologie der erste Post, datiert auf den 19. Mai 2010, tatsächlich älter als das Blog selbst.
Why still blogging Archaeologik?
Practically Archaeologik turned to a kind of an archaeological journal. On one hand, articles became longer, but on the other hand other authors got involved in Archaeologik. Technically they are guest contributors. Since summer 2013 Archaeologik holds an ISSN (see here).
Warum weiter bloggen?
Archaeologik entwickelt sich zunehmend in Richtung einer eher klassischen Zeitschrift. Die Beiträge werden länger, die Beiträge anderer Autoren (technisch als Gastbeiträge) nehmen zu. Seit dem Sommer 2013 verfügt Archaeologik über eine ISSN (vgl. Archaeologik 27.9.2013).
At the beginning, many posts contained just some interesting links.  This changed over the time - posts became more extended and some of them even developed to series of blogposts - for example regarding the ongoing situation in Syria. More and more, I also integrated short articles on my own research, either from ongoing work or by coming back to previous papers, which never made their way to 'proper' publication. Some posts just represent own thoughts or refer to readings, others are small scientific papers related to current research projects.  Zu Beginn bestanden viele Posts aus einzelnen Links. Inzwischen sind die Beiträge länger geworden; teilweise haben sich regelmäßige Serien von Posts ergeben, wie zum Beispiel zum Bürgerkrieg in Syrien. Zunehmend finden längere Artikel ihren Platz auf Archaeologik, entweder aus aktuellen Forschungen oder aber aus früheren Arbeiten, die es nie zur Publikationsreife geschafft haben. Teils handelt es sich nur um einzelne Gedanken oder auch nur um 'Lesefrüchte' (bzw. GoogleMaps-Treffer), teils aber auch um kleinere Ausarbeitungen eines Themas aus aktuellen Forschungen.
Many blogpost get a quite high number of readers in quite a short time. The feedback is much better than with any printed publication (even if it is online). On the one hand, there are some rather nonsense reactions by amateurs, but on the other, there are also colleagues contributing with qualified comments, triggering the research. One of the posts was requested by a renowned journal for a print publication. After a peer review, the article will be published as "open access" in near future. Blogging allows a kind of a pre-review. Viele Beiträge finden in kurzer Zeit verhältnismäßig viele Leser und es gibt deutlich mehr feedback als auf alle gedruckten Publikationen. Es gibt zwar einige eher unsinnige Kommentare von Laien, aber eben auch qualifizierte Beiträge, die neue Denkanstöße geben.  Bemerkenswert ist der Fall, in dem ein Blogpost zur Printpublikation angefragt wurde und demnächst nach einem peer-review tatsächlich auch 'offiziell' erscheint - open access. Bloggen ermöglicht eine neue Art der Qualitätssicherung.
It was also encouraging when (non-blogging) English colleagues contacted me, and asked me to join a very interesting EU project related to the topic of some posts. Even if the project was not granted, blogging proofed to be an excellent tool for scientific networking. Ebenfalls ermutigend war der Kontakt, den ich mit englischen Kollegen bekam, die mich für die Teilnahme an einem, in der zweiten Runde leider gescheiterten EU-Projekt anfragten. Hintergrund waren einschlägige Blog-Beiträge auf Archaeologik. Bloggen erweist sich als ein hervorragendes Instrument zur wissenschaftlichen Vernetzung.
When the German Society for Pre-and Early History (DGUF) launched an online-petition in spring 2013 against budget cuts in cultural heritage management in North Rhine-Westphalia, I accompanied the initiative with repeated postings. This campaign, supported by social media, had a surprising success by collecting 27.000 signatures in favor of the archaeological and cultural heritage. Even German chancellor Angela Merkel recognized this civic engagement.
Even if the role of Archaeologik was a minor one, the potential of social media and blogging became quite clear. Blogging archaeology is an important support, forming a public awareness for the needs of archaeology, historic preservation and cultural heritage management. The relation between archaeology and the public is changing. Several examples of the interaction between archaeology and the public have been posted on Archaeologik. On request of the Journal of Community Archaeology and Heritage Blog I tried to summarize the situation:
Als im Frühjahr 2013 die Deutsche Gesellschaft für Ur- und Frühgeschichte eine Petition gegen Mittelkürzungen in der Denkmalpflege in Nordrhein-Westfalen startete, habe ich das Thema aufgegriffen und verfolgt, wie es hier gelungen ist, insbesondere über Social Media für die Archäologie ein bisher unbekanntes Lobbying in Gang zu bringen. Sogar Angela Merkel hat dies zur Kenntnis genommen. 
Archaeologik hatte daran einen zwar kleinen Anteil, aber immerhin hat dieser Fall die Möglichkeiten gezeigt, wie archäologisches Bloggen tatsächlich dazu beitragen kann, ein Bewußtsein für die Belange der Archäologie, der Denkmalpflege und des Kulturgutschutzes zu fördern. Deutlich wird, wie sich die Rolle der Öffentlichkeit für die Archäologie verändert. Auf Anfrage habe ich einige der Gedanken die sich aus Blogposts auf Archaeologik ergaben für den Journal of Community Archaeology and Heritage Blog zusammengefasst:



  • Archaeology, the Public, and Social Media: Some New Insights from Germany. Journal of Community Archaeology and Heritage Blog (4.7.2013)


  • Blogging also starts to affect the research process. Many ideas, which formerly ended up as a memo in a desk drawer or as a collection of bookmarklets, now have the possibility to result in a short blogpost. Many topics gain in accuracy, because blogging results in a wording already in an early stage of the research and therefore requires a more distinct reflection. Ongoing research profits, as blogposts can be valued as small milestones of research. Das Bloggen beginnt aber auch die Arbeitsweise zu beeinflussen. Ansätze, die früher wahrscheinlich nur zu einem Freßzettel in einer Ordnerablage oder einem Lesezeichen (aus Papier im Buch oder unter firefox) geführt hätten, landen nun im Blog. Manche Themen bekommen deutlicher Profil, da sie frühzeitig ausformuliert und von Anbeginn stärker reflektiert werden. Vielfach kommen die laufenden Forschungen dadurch besser voran, da es kleinere Zwischenziele gibt.

    Perspectives
    Archaeologik is an experiment spontaneously arisen. I hope there will be more archaeological blogs in Germany in future, as their potential for communicating archaeology to the public, as well as their benefits for research, require interaction.

    Perspektiven
    Archaeologik ist ein Experiment, das spontan entstanden ist. Ich hoffe, dass es in Zukunft mehr archäologische Blogs gibt, da sie ihr Potential erst in der Interaktion entfalten können.

    Samstag, 23. November 2013

    Der Flurschaden der Parawissenschaften: Hobbyforschung in der Cheops-Pyramide

    Derzeit groß in der Presse: Parawissenschaftler in der Cheops-Pyramide


    Keine der Pressemeldungen zeigt den wenig wissenschaftlichen Hintergrund der Hobbyforscher auf, die mit der Probenentnahme vor allem eine unsinnige Atlantis-Theorie belegen wollten: http://www.erdmann-forschung.de/vorwort1.html Proben nehmen macht noch keine Wissenschaft aus.

    Nachtrag (23.11.2013):
    In der ägyptischen Presse:
    und nochmals bei Selket's Blog:
    Nachtrag (25.11.2013):

    Mittwoch, 20. November 2013

    Ausgeraubt? - Das Museum von Raqqah

    Vergangene Woche wurde das Museum in Raqqah am Euphrat in Syrien ausgeräumt. Drei LKW sind vor dem Museum vorgefahren, die die Museumsfunde anschließend über die Grenze in die Türkei gebracht haben sollen.
    Das Museum in Raqqah im Jahr 2005
    (Foto: unbekannt, Public Domain,
    via Wikimedia Commons)
    Ein ehemaliger Mitarbeiter des Museums, der als verlässliche Quelle gilt, hat dies Claus-Peter Haase, dem früheren Direktor des Islamischen Museum der Stiftung Preußischer Kulturbesitz in Berlin berichtet. Die Association for the Protection of Syrian Archaeology (APSA) verweist auf Nachfrage nur auf die Plünderung eines Außendepots des Museums, die aber bereits im Oktober stattgefunden hat:
    Hier ist bisher noch unklar, wie viele Objekte gestohlen wurden.
    Von einigen Grabungen der Region waren angeblich im Vorfeld Funde im Museum von Raqqah eingelagert worden, da dieses als sicher galt.
    Die Schmuggelroute von Antiken in die Türkei spielt im syrischen Bürgerkrieg offenbar eine wichtige Rolle (vergl. Heiße Ware aus Syrien. Archaeologik v. 3.6.2013).
    Raqqah steht zur Zeit unter der Kontrolle von Islamisten der al-Qaida.

    Links
    interner Link:
    Nachtrag (21.11.):
    Ganz ähnlich klingende Meldungen einer Plünderung des Museums im März 2013 wurden dementiert.

    Montag, 18. November 2013

    Rekonstruktion einer Raubgrabung

    Das Abri I am Schulerloch im Unteren Altmühltal war eine wichtige Fundstelle des Mittelpaläolithikums. In den 1970er Jahren wurde sie durch einen Schüler an Wochenenden systematisch geplündert. 

    Selten erfährt man näheres über Ablauf und Umstände von Raubgrabungen. Die Seite Steinzeitwissen (http://www.steinzeitwissen.de/raubgrabung-schulerloch) schildert detailliert, wie das Schulerloch systematisch zerstört wurde. Bis heute bleiben aber einige Fragen offen, da etwa schwer verständlich ist, dass ein Schüler die Grabungen allein duchgeführt haben soll und dass diese unbemerkt geblieben sind. Auch sind zwei Drittel der Funde verschollen.

    Sammelwut, eine völlige Unkenntnis wissenschaftlicher Standards und auch eine gewisse kriminelle Energie sind die Mischung, die eine wichtige Fundstelle unwiederbringlich vernichtet haben und uns Wissen über das Leben einer Neandertaler-Gruppe nun endgültig entzogen haben. Die Bearbeitung der verbliebenen Funde und der Versuch, mit Nachgrabungen den Schaden zu begrenzen, konnte nur noch eine typologische Einordnung der Funde im Vergleich mit der benachbarten Sesselfelsgrotte vornehmen und bestätigen, dass die Fundstelle ursprünglich einmalige Erhaltungsbedingungen besessen haben muss.
    Die nahegelegene Sesselfelsgrotte stellt ein langjähriges Forschungsprojekt der Universität Erlangen dar. Die dortige Grabung war 1967 geplündert worden.

    Link

    Mittwoch, 13. November 2013

    gebaut / gejagt / vergessen – Wolfsgruben als archäologisches Denkmal

    ein Gastbeitrag von Iris Nießen

    Rotkäppchen und der böse Wolf, Isegrim oder die Bestie von Gévaudan – auf vielfältige Weise werden wir mit dem Bild des bösen Wolfes konfrontiert. Diese über Jahrhunderte geschürte Angst macht auch vor dem modernen Menschen nicht halt. Deutlich wird dies in den aktuellen Diskussionen über die Rückkehr des Wolfes, die neben finanziellen Gesichtspunkten oft durch tiefsitzende Ängste bestimmt werden. Mit Schlagzeilen wie Wer hat Angst vorm bösen Wolf? ist der Konflikt um die Rückkehr der Wölfe in heimische Wälder längst in den Massenmedien angekommen. 
    Wolfsgruben stellen nur einen Ausschnitt der vielfältigen Geschichte zwischen Mensch und Wolf dar. Und dennoch trägt die Erforschung dieser besonderen Denkmäler zur aktuellen gesellschaftlichen Diskussion bei, indem die unterschiedlichen Formen der Jagd und damit auch die Gründe für die Ausrottung des Wolfes untersucht werden.

    Wolfsgruben – Vergessene Zeugnisse der Umweltgeschichte
    Wolfsgruben waren ab dem frühen Mittelalter bis ins 19. Jahrhundert üblich. Bereits Karl der Große befahl, dass Wölfe mittels Wolfsgruben gejagt werden sollten. Interessanterweise ist das Wissen um diese Jagdmethode heute nahezu vollständig in Vergessenheit geraten, obwohl erst 1882 der letzte Wolf im Fichtelgebirge erschossen wurde. Die Jagdmethode selbst war jedoch sehr verbreitet. Bisher sind allein aus Süddeutschland über 40 Standorte mit häufig mehreren Fanggruben bekannt. Flurnamen wie Wolfsgrube, Wolfsgrubenacker, Wolfsgarten, Wolfsluder, Wolfsgraben, Grubenholz sowie Wolfsloch sind sehr häufig und lassen erahnen, wie verbreitet diese Form der Wolfsjagd ursprünglich war. (Nießen 2012, 48, 88-93).

    Konstruktionsweisen
    Abb.1: Rekonstruktion der Wolfsgrube im Steinwald als quadratische Grube (Seitenlänge 2,4 x 2,4 m, Tiefe 3,5 m), welche aus dem anstehenden Granit geschlagen wurde und im oberen Bereich möglicherweise ein Trockenmauerwerk aufwies. In der Mitte wurde ein Posten in den Fels eingetieft, auf welchem die Abdeckung der Falle aus Ästen, Reisig und Laub ruhte. Der Köder war entweder ebenfalls auf dem Pfosten befestigt oder befand sich innerhalb einer Umzäunung der Falle.
    (m. freundl. Genehmigung, I. Niessen, Gesellschaft Steinwaldia e.V., Zeichnung H. Losert, nach Niessen 2012, 27)
    Bei Wolfsgruben handelt es sich um 3,5 bis 4 m tiefe Fanggruben. Sie waren je nach örtlichen Voraussetzungen entweder mit Holzbrettern verschalt oder aus dem anstehenden Gestein gehauen. Oft weisen sie auch ein Trockenmauerwerk aus Bruchsteinen auf. Da Wolfsgruben in der Regel einen Durchmesser von 2,5 m haben, sehen sie gemauert oft Brunnen zum Verwechseln ähnlich (Nießen 2012, 50-62). Meist sind sie im Gelände jedoch nur noch als flache Mulden erkennbar und werden als Bombentrichter, Bergbaurelikte oder als Grubenmeiler zur Holzkohleherstellung interpretiert. Wolfsgruben lassen sich jedoch meist sehr gut über den entsprechenden Flurnamen identifizieren.
    Die obere Fallenkonstruktion konnte entweder eine einfache Abdeckung aus Reisig, dünnen Ästen und Stroh, wie es für die archäologisch untersuchte Wolfsgrube im Naturpark Steinwald (Nießen 2012, 27) (Abb. 1) wahrscheinlich ist, oder aber ein Drehdeckel (Abb. 2) oder eine Klappfalle sein (Nießen 2012, 55-57). Als Köder zum Anlocken des Wolfes wurden sowohl lebende wie tote Tiere und Schlachtabfälle verwendet.


    Abb. 2: Darstellung einer Wolfsfalle,
    aus J. Clamorgan, La chasse du loup, 1640
    (PD, nach Bernard 1983, 81).

    Wolfsgarten im Bischofsgrüner Forst (Lkr. Bayreuth, Bayern)
    Wolfsgarten – Dies ist der klangvolle Flurname einer Abteilung im Bischofsgrüner Forst (Landkreis Bayreuth). Mitten im Wald untersuchten im Juli und August 2013 Archäologen der Universität Bamberg diesen in vielerlei Hinsicht besonderen Waldabschnitt.

    Hinter dem Flurnamen Wolfsgarten versteckt sich eine erst jüngst wieder neu entdeckte Quellengattung. Es handelt sich um eine große Anlage zur Jagd von Wölfen aus dem 16. und 17. Jahrhundert. Durch die archäologische Ausgrabung konnten zwei von insgesamt mindestens drei Fanggruben untersucht sowie erstmals eine groß angelegte Umzäunung dokumentiert werden. Die Schriftquellen legen eine Beziehung zu den Bayreuther Markgrafen nahe, weshalb es sich bei dieser großen Jagdanlage wohl um eine Form herrschaftlicher Repräsentation handelt.

    Ergebnisse der Grabungskampagne 2012
    Abb. 3: Wolfsgarten bei Bischofsgrün -
    Deutlich zu sehen ist der Leichenschatten eines
    Pferdekopfes in der unteren Verfüllung der Wolfsgrube.
    Das Pferd wurde als Köder zum Anlocken der Wölfe verwendet.
    (Foto: Iris Nießen).
    Neben dem Flurnamen als Anhaltspunkt waren in der Waldabteilung lediglich drei Mulden im Gelände sichtbar. Nahezu vollständig von Blaubeeren bewachsen waren sie kaum noch als Wolfsgruben zu identifizieren.
    Zu Beginn der archäologischen Untersuchung stellte sich heraus, dass die Wolfsgrube an der alten Verbindungsstraße zwischen Bischofsgrün und Wülfersreuth bis auf 3,5 m Tiefe mit modernem Hausmüll verfüllt war. Erst in dieser beträchtlichen Tiefe konnte der archäologische Befund erfasst werden. In der zweiten Fanggrube befand sich glücklicherweise weniger Müll. Dort wurden auch die wichtigsten archäologischen Funde geborgen. Ein innen gelb glasiertes Tongefäß mit Bandhenkel und Ausguss ist in großen Teilen erhalten. Die Datierung ist allerdings schwierig, da der archäologische Forschungsstand zur neuzeitlichen Gebrauchskeramik vielfach ungenügend ist. So kann das Gefäß nur grob ins 17./18. Jahrhundert datiert werden. Möglicherweise diente es zum Transport von Schlachtabfällen, um den Wolf mit diesen anzulocken. Darüber hinaus fanden sich noch weitere Hinweise auf Köder. Neben einem Ziegenhorn konnte der Leichenschatten eines Pferdekopfes mit noch erhaltenen Zähnen dokumentiert werden (Abb. 3). Knochen vergehen in dem sauren Milieu des Waldbodens leider sehr schnell.

    Erster archäologischer Nachweis der Umzäunung
    Die Fanggruben im Wolfsgarten waren nachweislich rund, holzverschalt und knapp über 4 m tief. Zur oberen Konstruktion der Falle konnten aufgrund der Zerstörungen keine Erkenntnisse gewonnen werden. Erstmals wurde jedoch die Umzäunung archäologisch dokumentiert.
    Abb. 4: Wolfsgarten bei Bischofsgrün -
    Der 80 cm tiefe Graben zeichnet sich als braune Verfärbung ab.
    Er gehört zur weitläufigen Zaunanlage des Wolfsgartens.
    (Foto: Iris Nießen).

    Auf die Wolfsgrube am Wegrand laufen zwei Gräben im gleichen Winkel zu, die noch heute im Gelände zu erkennen sind. Die archäologische Untersuchung ergab, dass die Gräben ursprünglich 80 cm tief gegraben wurden (Abb. 4). Im unteren Bereich der Verfüllung fanden sich Eisennägel, die zur Befestigung der Zaunkonstruktion gedient haben dürften. Wie genau der Zaun ursprünglich ausgesehen hat, ist noch unklar. In Frage kommt ein einfacherer Bretterzaun mit Verstrebungen, die mit Nägeln befestigt waren. Auffällig ist jedoch weiterhin die immense Tiefe der Gräben, welche für einen einfachen Zaun nicht nötig ist. Möglicherweise spielt hier jedoch das große Verlangen nach Repräsentation bei der herrschaftlichen Jagd des 16. und 17. Jahrhunderts eine Rolle. Der Wolfsgarten diente demnach nicht nur der Lockjagd, sondern auch für groß angelegte Hetzjagden, bei denen die Wölfe in die Waldabteilung getrieben wurden. Durch die Umzäunungen mussten die Wölfe dann zwangsläufig in eine der Fallgruben stürzen.

    Ausblick
    Die archäologischen Untersuchungen sind eingebunden in ein Projekt des Fichtelgebirgsvereins (FGV) Bischofsgrün e.V., das vor allem der touristischen Erschließung und der Strukturförderung dient. Geplant ist die Rekonstruktion einer der Wolfsgruben am Wanderweg mit erklärenden Informationstafeln. Gefördert wird das Projekt durch das EU- Programm Leader, die Oberfrankenstiftung, die Naturschutzstiftung des FGV, die Gemeinde Bischofsgrün, die bayerischen Staatsforsten und viele Weitere.
    Für 2014 ist die Ausgrabung der dritten Wolfsgrube beabsichtigt. Im Gegensatz zu den bereits untersuchten Fanggruben ist diese nicht durch modernen Müll und starke Erosion gestört, weshalb Erkenntnisse zur oberen Konstruktion der Falle zu erwarten sind.

    Die Grundlagenforschung zu diesem Bereich der Wolfsjagd ist noch lange nicht abgeschlossen. Die vorgestellte Ausgrabung ist die erste wissenschaftliche Untersuchung eines Wolfsgartens. In den vergangenen Jahren wurden erst zwei Wolfsgruben überhaupt archäologisch dokumentiert und ausgewertet. Die Vielfalt der Konstruktionsweisen und die große Verbreitung von Wolfsgruben kann nach heutiger Quellenlage nur erahnt werden.


    Literaturhinweise

    D. Bernard, Wolf und Mensch (Saarbrücken 1983).
    B. Ergert, Die Jagd in Bayern. Von der Vorzeit bis zur Gegenwart (Donauwörth 1984).
    H. Fähnrich, Wolfsgruben – vergessene Jagddenkmäler (Landkreise Tirschenreuth und Cham), in: Beiträge zur Flur- und Kleindenkmalforschung in der Oberpfalz 15, 1992, 71-73.
    H. Fähnrich, Wolfsgruben, heute Jagddenkmäler, in: Wir am Steinwald 16, 2008, 157-159.
    J. Laursen, Faldgruber, in: Arkaeologi og renaessance 1. Hikuin 18 (Haderslev 1991) 257.
    K. Lindner, Das Jagdbuch des Petrus de Crescentiis, in deutschen Übersetzungen des 14. und 15. Jahrhunderts (Berlin 1957).
    K. Lindner, Deutsche Jagdtraktate des 15. und 16. Jahrhunderts, Teil 1 und 2 (Berlin 1959).
    K. Lindner, Geschichte und Systematik der Wolfs- und Fuchsangeln. Occasional Papers III (Uppsala 1975)..
    K. H. Mayer, Alte oberfränkische Jagdgeschichte (Bamberg 2009).
    I. Nießen, Die Wolfsgrube im Naturpark Steinwald. Archäologie, Jagdgeschichte, Waldnutzung. Wir am Steinwald, Sonderausgabe Archäologische Reihe 1/2012 (Nürnberg 2012).
    D. Müller, „die Wolff mit der wollfs Gruben zu fahen, jst überauß gemein und sehr leichlich zu machen“. Wolfsgruben – Denkmäler historischer Jagdausübung, in: Denkmalpflege in Bad Württemberg 24, 1995, 73-84.
    D. Müller, Der Schacht – eine frühneuzeitliche Wolfsgrube, in: G. Wieland, Die keltischen Viereckschanzen von Fellbach-Schmieden und Ehningen. Forschungen und Berichte zur Vor- und Frühgeschichte in Baden Württemberg, 80 (Stuttgart 1999) 180-195.
    G. Scherf, Wolfsspuren in Bayern. Kulturgeschichte eines sagenhaften Tieres (Amberg 2001).
    E. Zimen, Der Wolf. Verhalten, Ökologie und Mythos (Regensburg 1990).


    Links



    Iris Nießen studiert Archäologie des Mittelalters an der Universität Bamberg. Ihr Interesse gilt der Landschaftsarchäologie und insbesondere Jagddenkmälern. Zur Zeit arbeitet sie an ihrer Master-Arbeit über Opferfunde aus dem Dom in Chur.

    Montag, 11. November 2013

    Ein Berg von Menschenhand - Parawissenschaften am Hohenstaufen

    Archäologie und Geologie haben sich des öfteren mit parawissenschaftlichen Ideen auseinanderzusetzen. Nicht nur in Bosnien, sondern auch hier in Deutschland.
    Ein neues skurriles Beispiel: Ein Architekt behauptet, der Hohenstaufen (und die anderen Kaiserberge) seien jungsteinzeitliche Bauwerke aus Menschenhand - Teil eines "eigentlich ganz gut untersuchten frühgeschichtlichen Sonnenobservatoriums". Die Argumente sind krude, widersprüchlich, unlogisch, fern jeden Forschungsstandes und fern jeder Regeln wissenschaftlicher Erkenntnis.
    Die drei 'Kaiserberge" Hohenstaufen, Rechberg und Stuifen - in der Vorstellungswelt einiger 'Privatforscher' Pyramiden
    (Foto R. Schreg)

    Wie soll die Wissenschaft mit so etwas umgehen?

    Donnerstag, 7. November 2013

    Europa erfindet die Zigeuner

    Klaus-Michael Bogdal
    Europa erfindet die Zigeuner
    Eine Geschichte von Faszination und Verachtung
    (3. Aufl. Berlin: Suhrkamp 2011)

    ISBN 978-3518422632
    Der Band ist auch in der Schriftenreihe der Bundeszentrale für politische Bildung erschienen.

    Schon 2011 erschienen, wurde das Buch 2013 mit dem Leipziger Buchpreis ausgezeichnet. Es ist ein aktuelles Buch, wie andauernde Ausschreitungen gegen Sinti und Roma in Ungarn, aber auch Interviewäußerungen deutscher Bürger nach den ausländerfeindlichen Übergriffen 1992 in Rostock-Lichtenhagen zeigen. Geschrieben von einem Literaturwissenschaftler ist es aber auch ein aktuelles Buch für die Archäologie. 

    Bogdal verfolgt die literarischen Motive, die in der europäischen Literaturgeschichte mit den Zigeunern verbunden wurden durch die Jahrhunderte. Die Fremdbezeichnungen der Sinti und Roma als Gitanos, Egyptier, Gypsies, Tataren oder Zigeuner und eben auch die literarisch ausgeschmückten Legenden einer Herkunft aus Ägypten zeigen, wie wirkmächtig und wie falsch diese sein können. Einige der Vorurteile halten sich über die Jahrhunderte (wie das Motiv der Kindesentführer, das gerade wieder aufblüht), andere Einschätzungen verändern sich im Lauf der Zeit - mit dem Aufkommen moderner Staatlichkeit etwa, einer ersten wissenschaftlichen Auseinandersetzung oder der Romantik, vor allem aber auch mit dem Aufkommen nationaler und rassischer Kategorien im 19. und 20. Jahrhundert, die einer Enteuropäisierung der Zigeuner Vorschub leisten.
    Die "Erfindung" der 'Zigeuner' erweist sich als ein vielgestaltiger, komplexer und langwieriger Prozess. Vor dem Hintergrund der Formierung von Nationen und schließlich auch eines modernen Europa entwickelt sich eine "Spirale der Ausgrenzung, Verfolgung und Vernichtung". Bogdal identifiziert vier Momente in der Auseinandersetzung mit den 'Zigeunern':
    1. Die bloße Existenz der Romvölker wird als allgegenwärtige Bedrohung empfunden, die einen Abstand erfordert
    2. Eine Integration der 'Zigeuner' wird als unmöglich erachtet.
    3. Die Zigeuner dienen als Maßstab der eigenen zivilisatorischen Entwicklung. Je größer das Bewußtsein des eigenen zivilisatorischen Fortschritts, desto geringer ist der Stellenwert der 'Zigeuner' - trotz einer romantischen Verklärung. "Nicht Ähnlichkeiten oder der kleinste gemeinsame Nenner interessieren, sondern die größtmöglichen Unterschiede" (S. 482). Die 'Zigeuner' bilden das Gegenbild zum Selbstverständnis der europäischen Nationen als Kulturvölker.
    4. Es sind mehr die Bilder, die man sich von den Zigeunern macht, als die reellen Menschen, die die soziale Verortung der Romvölker innerhalb der europäischen Gesellschaft prägen. Dies gilt von den ersten Darstellungen der Zigeuner in den mittelalterlichen Stadtchroniken bis hin zu den rassistischen Schriften des 20. Jahrhunderts, die die alten Klischees nur selektiv 'biologische' Daten beimischt. Die Verwandlung der im Mittelalter in Europa eingewanderten Romvölker in 'die Zigeuner' ist eine kulturell bedingte, symbolische Repräsentation, die eine Entzivilisierung der Gesellschaft nach sich zog und nicht nur zur Ausgrenzung, sondern auch zum Töten eines Teils ihrer selbst führte.



    Ankunft der "swartzen getouften haiden"
    vor Bern, Spiezer Chronik des
    Diebold Schilling d. Ä. (um 1445-1486)
    ([Public domain], via Wikimedia Commons)
    In seinem Eingangskapitel verweist Bogdal auf die Rolle der Chroniken als dominierende Quelle, die kaum etwas über den Alltag der Roma-Gruppen berichten. Sie treten nur in wenigen Ausnahmesituationen ins Blickfeld der schriftlichen Überlieferung.  In der Außenwahrnehmung wurde die eigene Sprache der Sinti und Roma über Jahrhunderte hinweg gar nicht registriert, da sie sich erstaunlicherweise von Anfang an, in den jeweiligen Landessprachen verständigen konnten.

    Archäologische Zeugnisse - die Bogdal überhaupt nicht bewusst sind - bieten hier prinzipiell die einzige Möglichkeit, direkte Informationen zu gewinnen. 
    Die Archäologie der Neuzeit entdeckt gerade das Thema der sozialen Unterschichten. Am deutlichsten fassbar sind diese Randgruppen in der Regel nur an ihren Bestattungsplätzen, da von fahrendem Volk eben keine klassischen Siedlungsfunde übrig bleiben (Müller 2013).  Die 'Zigeuner' bilden einen wichtigen Kontrast zu anderen Gruppen, denen eine Integration oder Assimilierung gelungen ist  (vgl. Archaeologik: Integration ).

    Allerdings ergibt sich hier das Problem der Zuweisung der Funde: Wie lassen sich Relikte der 'Zigeuner' eben dieser Gruppe zuweisen? Mit diesem Problem werden sie zu einem Testfall der in der Archäologie üblichen ethnischen Interpretation.

    Die Romagruppen sind ein Beispiel für die Dynamiken von Ausgrenzung und Identitätsbildung. Ihre 600jährige Geschichte in Europa macht die Entwicklungen der europäischen Länder zu Territorial- und Nationalstaaten als eine Art Gegenpol mit, der deutlich erkennen lässt, wie unsere modernen Kategorien von ethnischen Gruppen zeitgebunden sind - und somit für eine historische Analyse in einer Langzeitperspektive unbrauchbar sind. Deutlich wird dabei auch, wie problematisch die Kategorie der Ethnizität für vormoderne Perioden ist, gerade dann, wenn keine Selbstzeugnisse vorliegen.

    Eine Sozialarchäologie darf nicht dabei stehen bleiben, soziale Gruppen zu identifizieren, sie muss viel mehr fragen, wie Menschen miteinander umgegangen sind. "Der Umgang mit den Fremden und der Prozess ihrer Marginalisierung und Ausgrenzung kann an der Geschichte der kulturellen Repräsentation der Romvölker als Zigeuner bei aller Besonderheit exemplarisch gezeigt werden" (S. 480).


    Literaturhinweis
    • U. Müller, Zwischen Himmel und Hölle – Randgruppen in der Vormoderne. In: S. Kleingärtner/U. Müller/J. Scheschkewitz (Hrsg.), Kulturwandel im Spannungsfeld von Tradition und Innovation (Neumünster 2013) 321–334.
      Interner Link

      Links

      Montag, 4. November 2013

      Plünderungen und Zerstörungen archäologischer Stätten in Ägypten im Oktober 2013

      ein Gastbeitrag von Jutta Zerres


      Eine Chronik der Plünderung und Zerstörung für den Oktober 2013
      Soweit nicht anders angegeben gehen die Informationen auf die Facebook-Gruppe „Egypt's Heritage Task Force“ zurück.

      3. Oktober
      Bericht über Plünderungen und Zerstörungen in Gebelein.

      Größere Kartenansicht - Der Lufbildausschnitt aus GoogleMaps zeigt ein Gräberfeld bei Gebelein nahe El-Shaikh Mousa, etwa 30 km südlich von Luxor. Die erkennbaren Raubgrabungsspuren sind mehrheitlich bereits auf Luftbildern aus dem Jahr 2002 zu erkennen.

      6. Oktober: Ein Gebäude des 19. Jh. in der Kairoer Abou Hureiba Street ist vom Verfall bedroht.
      Ein Mann mit geraubten Fundstücken im Auto wurde von der Polizei gestellt.


      8. Oktober:
      Ein verlassenes historisches Gebäude in der El-Ahram Straße (Kairo), in dem sich Objekte aus ottomanischer und mamelukischer Zeit befanden, wurde geplündert:
      12. Oktober:
      Ein Plünderer wurde in Mit Rahnia (Memphis) auf frischer Tat mit einer Stele eines Königs der 25. Dynastie ertappt.

      13. Oktober:
      Der ägyptische Blogger Shibin Al-Qantir berichtet von Plünderungen in Tell al-Yahudiya:

      14. Oktober:
      Es wird berichtet, dass ein Fundobjekt aus einer illegalen Grabung in Mit Rahnia sichergestellt wurde.


      Stele eines nubischen Söldners aus Gebelein
      (Foto: Koopmanrob [
      CC BY SA 2.0]
      via WikimediaCommons)
      22. Oktober:
      Egypt's Heritage Task Force veröffentlicht auf Facebook Fotos von Raubgrabungslöchern und illegalen Bauaktivitäten an der historischen Stätten von Gebelein und Gheriza


      25. Oktober:
      Ägyptische Sicherheitskräfte stoppen einen LKW mit 600 Fundobjekten, der auf dem Weg nach Jordanien war.


      27. Oktober
      Egypt's Heritage Task Force veröffentlicht auf Facebook 13 Fotos von Raubgrabungslöchern und dem illegalen Bau eines Friedhofes am Fundort El-Lisht.


      Es wird berichtet, dass eine Moschee aus Mamlukischer Zeit und des 15. Jahrhunderts am Vortag geplündert worden sei.




      Der Kampf gegen Plünderer und Antikenhehler
      Es gab in den letzten Wochen allerdings auch zahlreiche Berichte von der Wiederbeschaffung gestohlener Objekte und von Versuchen, den Handel und die Plünderungen einzudämmen:

      Der ägyptische Antikenminister und der ägyptische Botschafter in den USA wenden sich an die amerikanische Öffentlichkeit und werben um internationale Unterstützung im Kampf gegen Plünderung und Antikenhehlerei. Der Botschafter bittet speziell die Vereinigung SAFE um Unterstützung und Rat:

      Frühere Beiträge zum Zustand des Kulturerbes im revolutionären und post-revolutionären Ägypten:

        Freitag, 1. November 2013

        Zeit der ersten Bilanz: Kein Markt - keine Raubgrabungen (Syrien, Oktober 2013)

        In Syrien hat die Schwächung der oppositionellen Kräfte offenbar zu einem Nachlassen der Kampfhandlungen geführt - jedenfalls werden die Berichte über Zerstörungen archäologischer und historischer Stätten durch Kämpfe seltener. Neue Meldungen betreffen frühere Schäden, die erst jetzt bemerkt werden. Zahlreiche Bilder der Zerstörung hat nun auch die syrische Altertumsbehörde auf ihrer leider nur arabisch verfügbaren facebook-Seite eingestellt (fb DGAM Syria).

        Zum Beispiel

        Inzwischen nehmen die Versuche einer Bilanz deutlich zu. Eine Bilanz wird auch eine für den 6. Dezember an der Princeton University angesetzte Tagung "Syria’s Heritage in Crisis" versuchen (http://www.princeton.edu/hellenic/images/SyriaConference12-13.pdf).

        Ein neu erschienenes, von Mamoun Fansa (früher Museumsdirektor in Oldenburg) herausgegebenes Buch stellt ältere Fotos aus Aleppo aktuellen Bilder der Zerstörung gegenüber. Er zeigt auch "wie die Zerstörung der historischen Hinterlassenschaften eines Volkes zum Verlust der eigenen Identität wird und sich längerfristig negativ auf die gesellschaftliche, wirtschaftliche und politische Entwicklung auswirken wird" (Einladung zur Buchpräsentation auf der Frankfurter Buchmesse).
        Speziell über Aleppo berichten im Internet auch der Kriegsberichterstatter David Axe und Fotograf Juma Al Qassim. Letzterer steuert einige Fotos bei, die er im Oktober in Aleppo aufnehmen konnte - eine verwirrende Ästhetik der Zerstörung und Einsamkeit in den Ruinen von Aleppo.

        Mit der Bilanzierung tritt auch das Problem der Raubgrabungen und der Antikenhehlerei verstärkt ins Blickfeld. Die arabische Zeitung The Gulf Today thematisiert die Schäden, die der weitgehend illegale Antikenmarkt und die Sammlerwut anrichten:
        "As the international community wrestles with what action it must take to end the death and destruction in Syria, everyone of us can help simply by not acting – that is, by not buying Syrian antiquities, beautiful as they are. For the sake of Syria’s heritage, and the world’s, remember: No market means no looting."
        "So lange die internationale Gemeinschaft darum ringt, wie Tod und Zerstörung in Syrien gestoppt werden können, kann jeder Einzelne ganz einfach dazu beitragen, indem er keine Antiken aus Syrien ankauft, so schön sie auch sein mögen. Zum Wohle der Kulturgüter Syriens - und der ganzen Welt - sollte man sich bewusst machen: Kein Markt - keine Raubgrabungen."

        Monatliche Zusammenstellungen wichtiger Meldungen aus Syrien auf Archaeologik: