Bei der Aufnahme der Sammlung Kley fiel ein kleiner Fundbestand frühalamannischer Keramik aus Heuchlingen (Gde. Gerstetten, Lkr. Heidenheim) ins Auge. Anfang der 1970er Jahre konnte Kley in einer Pflugfurche die Reste einer völkerwanderungszeitlichen Grube dokumentieren. Neben einem möglicherweise erst ins 5. Jahrhundert zu datierenden schräg gerieften Gefäß (5) und einem ebenso späten stempelverzierten Stück liegen zahlreiche Scherben grober handgemachter Keramik vor, von der zahlreiche Scherben eine flächendeckende Fingertupfenverzierung aufweisen (1-2). Diese Verzierungsart ist in Südwestdeutschland eher ungewöhnlich und tritt etwa in der frühalamannischen Siedlung im ehemaligen Kastell Heidenheim nur in geringer Zahl auf. Sie weist auf „rhein-wesergermanische“ Beziehungen, wo entsprechende Keramik schon in kaiserzeitlichen Kontexten auftritt. Das Heuchlinger Fundspektrum umfasst allerdings auch typische "elbgermanische" feine graue handgemachte Ware (3-4) und etwas Grobkeramik.
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Keramikfunde aus Heuchlingen
(Slg. A. Kley, Fotos R. Schreg) |
Kley hat in seinen Skizzen die Lage der Grube festgehalten, wenn auch die damalige Einmessung nicht mehr exakt nachzuvollziehen ist. Außerdem geht aus seinen Aufzeichnungen hervor, dass im angrenzenden Gelände zahlreiche römische Keramik lag. Damit stellt sich die Frage, in welcher Lagebeziehung die spätantiken/ völkerwanderungszeitlichen Funde zu den römischen stehen.
Schon seit langem wird die Kontinuität der Siedlungsstrukturen über das Ende der Limeszeit hinaus diskutiert. Zumeist wird dabei daran gedacht, dass sich die landnehmenden Alamannen neben die alten Gutshöfe gesetzt hätten. Inzwischen gibt es aber auch Überlegungen, ob die alamannische Bevölkerung nicht gezielt von römischer Seite auf einzelne Gutshöfe eingewiesen worden sind. Die genannte Fundstelle in Heuchlingen dürfte für diese Frage nicht uninteressant sein, könnte die 'rhein-weser-germanische' Keramik doch teilweise noch ins 3. Jahrhundert datieren.
Befliegungen rund um Heuchlingen
Im Zusammenhang mit den Arbeiten auf der Stubersheimer Alb und - früher schon - zum Geislinger Talkessel ergab sich mehrfach die Gelegenheit zu luftbildarchäologischen Flügen. 2005 wurde somit auch Heuchlingen angesteuert, um etwas mehr Klarheit über die topographische Relation der 'barbarischen' und der römischen Fundstelle zu erhalten.
Tatsächlich zeigte sich im Luftbild der deutliche Grundriss einer römischen Villa rustica samt ihrer Umfassungsmauer. Damit wurde deutlich, dass die Grube mit der spätantiken/ völkerwanderungszeitlichen Keramik knapp außerhalb des Villengeländes lag.
Heuchlingen (Luftbild R. Schreg 2005) |
Interessanterweise wurde jedoch auch nur wenige hundert Meter von der genannten Fundstelle bei Heuchlingen entfernt eine zweite Villa im Luftbild erfasst, von der noch keine Funde aktenkundig waren. Als Resonanz auf eine erste Publikation der Luftbilder im Heidenheimer Jahrbuch ging jedoch der Hinweis ein, dass bereits früher dort römische Funde gemacht worden sind. Entsprechende Informationen gingen daraufhin auch an die Bodendenkmalpflege. 2011 war es für die Kollegen notwendig, Teile dieses Gutshofes in einer Rettungsgrabung zu untersuchen. Der Steinbauphase ging hier offenbar eine Holzphase voraus.
Die Heuchlinger Befunde fügen sich ein in ein Bild der römischen Besiedlung auf der östlichen Schwäbischen Alb, das in den vergangenen Jahren schärfere Konturen angenommen hat. Mehrfach sind hier kleine römische Villen erfasst worden: In Flur Fürsamen bei Heidenheim wurde ein Gehöft ergraben, bei dem gerade mal der Keller gemauert war. Ähnliches zeigen die Grabungen entlang der Autobahn A8 und die geophysikalischen Prospektionen auf der Stubersheimer Alb. Dort war schon 1997 bei den angesprochenen Befliegungen bei Bräunisheim der Grundriß eines römischen Gebäudes erfasst und anschließend geomagnetisch prospektiert worden. Ich habe das Gebäude als Hinweis auf kleine römische Gutshöfe verstanden, doch hat sich nun bei großflächigem Bodenradareinsatz gezeigt, dass es sich lediglich um das Nebengebäude einer Villa rustica handelte (s. Archaeologik). Das Hauptgebäude lag nicht weit entfernt, wurde aber schon früher bei Baumaßnahmen weitgehend zerstört. Aus älteren Aufsammlungen vor der Flurbereinigung der 1970er Jahre liegen von Oberflächenfunde römischer Keramik vor; neue Begehungen erbrachten nur noch unbestimmbare kleinste Scherbchen.
Die Heuchlinger Befunde fügen sich ein in ein Bild der römischen Besiedlung auf der östlichen Schwäbischen Alb, das in den vergangenen Jahren schärfere Konturen angenommen hat. Mehrfach sind hier kleine römische Villen erfasst worden: In Flur Fürsamen bei Heidenheim wurde ein Gehöft ergraben, bei dem gerade mal der Keller gemauert war. Ähnliches zeigen die Grabungen entlang der Autobahn A8 und die geophysikalischen Prospektionen auf der Stubersheimer Alb. Dort war schon 1997 bei den angesprochenen Befliegungen bei Bräunisheim der Grundriß eines römischen Gebäudes erfasst und anschließend geomagnetisch prospektiert worden. Ich habe das Gebäude als Hinweis auf kleine römische Gutshöfe verstanden, doch hat sich nun bei großflächigem Bodenradareinsatz gezeigt, dass es sich lediglich um das Nebengebäude einer Villa rustica handelte (s. Archaeologik). Das Hauptgebäude lag nicht weit entfernt, wurde aber schon früher bei Baumaßnahmen weitgehend zerstört. Aus älteren Aufsammlungen vor der Flurbereinigung der 1970er Jahre liegen von Oberflächenfunde römischer Keramik vor; neue Begehungen erbrachten nur noch unbestimmbare kleinste Scherbchen.
Weitere römische Anlagen wurden auf der Stubersheimer Alb im vorigen Jahr bei großflächigen Prospektionen dokumentiert (s. Archaeologik).
Völkerwanderungszeitliche Siedlungen
Heuchlingen. Grabung des Landesamts für Denkmalpflege 2011 (Foto R. Schreg) |
Die östliche Schwäbische Alb ist seit langem eine bedeutende Fundlandschaft für die Völkerwanderungszeit. Grabfunde sind vergleichsweise selten, aber Siedlungsfunde liegen aus Sontheim an der Brenz, aus Nattheim, aus Heidenheim-Schnaitheim und aus dem Kastell Heidenheim vor. Weiter westlich liegen Fundstellen bei Essingen, und Urspring sowie in Geislingen an der Steige. Hinzu kommen einige Funde aus der Sammlung Kley aus Treffelhausen, Schalkstetten und Stubersheim (s. Archaeologik).
Immer wieder ist hier eine Nachbarschaft zu römischen Ansiedlungen zu erkennen, am deutlichsten in Heidenheim, wo innerhalb der alten Kastellmauern eine völkerwanderungszeitliche Siedlung mit großen Pfostenbauten nachgewiesen werden konnte.
Heidenheim, Barbaren im Kastell: völkerwanderungszeitliche Langhäuser (Graphik R. Schreg nach Planunterlagen von M. Scholz) |
Literaturhinweis
- R. Schreg: Luftbildarchäologie zwischen Heidenheim, Urspring und Langenau. Römische Gutshöfe bei Heuchlingen und Bräunisheim. Heidenheimer Jahrbuch 12, 2007/08, 106-118
- A. Neth, Eine villa rustica in Holz und Stein bei Heuchlingen. Arch. Ausgr. Bad.-Württ. 2011, 164-167.
- R. Schreg, Die Erschließung der Siedlungslandschaft. In: D. Ade/B. Rüth/A. Zekorn (Hrsg.), Alamannen zwischen Schwarzwald, Neckar und Donau. Begleitbuch zur Wanderausstellung (Stuttgart 2008) 56–61.
- S. Spors-Gröger, Die ersten Alamannen. In: A. Gut (Hrsg.), Die Alamannen auf der Ostalb. Frühe Siedler im Raum zwischen Lauchheim und Niederstotzingen. Archäologische Informationen aus Baden-Württemberg 60 (Esslingen 2010) 40–55.
- M. Scholz, Eine römische Villa rustica und völkerwanderungszeitliche Bauernhäuser bei Heidenheim-Schnaitheim. Vorbericht der Ausgrabungen 2002 und 2004 im Gewann "Fürsamen". Jahrb. Heimat- u. Altver. Heidenheim 11, 2005/2006, 64–94.
- M. Scholz, Die spätantike Besiedlung der östlichen Schwäbischen Alb. In: J. Biel/J. Heiligmann/D. Krauße (Hrsg.), Landesarchäologie. Festschrift für Dieter Planck zum 65. Geburtstag. Forschungen und Berichte zur Vor- und Frühgeschichte in Baden-Württemberg 100 (Stuttgart 2009) 469–501.
an Dieter Schwell, den Piloten und Siegfried Kastler für den Hinweis auf frühere Funde in Heuchlingen
3 Kommentare:
"wildes Absammeln ohne genaue Einzelfundeinmessung sollte (auch im Pflughorizont) unterbleiben."(Zit.)
Wurde auch "wildes Pflügen" untersagt? und wie haben Sie das sicher gestellt?
Es ist doch unbestreitbar so, dass viele Oberflächenfunde in der Anonymität verschwinden. Dazu wird von anonymen Sammlern oft selektiv ab gelesen. Unansehnliche Trümmer oder die "Scherbchen" die Sie noch bergen konnten z.B. bleiben liegen. Sie beschwören einen Idealfall von Bergung und Dokumentation nach allen Regeln der Kunst, was den Archäologen vor Ort fordert- immer- im Wortsinne: an 365 Tagen im Jahr zu 24 Stunden, oder Sie müssen den vollständigen Schutz auf andere Weise gewährleisten. Bei den gefühlten 10 Millionen Bodendenkmälern frage ich mich, wer diesen Bestandsschutz garantieren will. Dass in römischen Bereichen auch nette Barbarenfunde liegen, wissen die illegalen Sondengänger auch schon länger. "Nur was man kennt kann man auch schützen" ist der neue slogan der Archäologen.-?- Was man den falschen Leuten zur Kenntnis bringt also was man kennt, lässt sich auch nicht mehr schützen! - ist meine Theorie. Ich habe es stets vermieden genaue Fundortangaben an die Öffentlichkeit zu tragen und werde das auch weiter so handhaben. Dass hier durch "wildes Ablesen" eine einmalige Chance verloren gehen kann sieht jeder und ihre Intention ist klar. Die Frage ist wo hört die Notbergung auf und wo fängt das "wilde Sammeln" an. Da sind nicht alle Archäologen und Denkmalschützer einer Meinung. Verzeihen Sie mir bitte meine provokative Eingangsfrage. Die Bezeichnung "Wildes Absammeln" provoziert auf ähnliche Weise.
Es ist immer eine Abwägung zwischen den wirtschaftlichen und den wissenschaftlichen Interessen. Der Stand denkmalpflegerischer Belange gegenüber wirtschaftlichen Interessen ist immer ein relativ ungünstiger. Trotz eines gewissen denkmalpflegerischen Instrumentariums wird man gegen die agrarische Nutzung von Fundstellen nur ausnahmsweise wirkungsvoll einschreiten können.
Ein Absammeln - oft begründet mit Interesse an der Sache - sollte jedenfalls so erfolgen, dass die Funde auswertbar sind. Auch bei Lesefunden gibt es einen Kontext: Die räumliche Verteilung ist zwar durch den Pflug gestört, Experimente zeigen aber, dass sich diese Verlagerungen in einem gewissen Rahmen halten und immer noch ehemalige Aktivitätszonen anzeigen können.
Deswegen kommt Einzelfundeinmessungen heute eine zentrale Bedeutung zu. Das wichtige ist ja nicht nur, dass 'barbarisches' Material auf einer römischen Fundstelle liegt, sondern eine Klärung der Frage, inwiefern sich Verteilungsmuster unterscheiden oder fortsetzen.
Das Dilemma ist in der Tat, dass die Archäologie verpflichtet ist, ihre mit öffentlichen Mitteln gewonnen Erkenntnisse zu vermitteln - und zunehmend gerade damit die Grundlagen ihrer Erkenntnis gefährdet. Ich sehe keinen anderen Weg, als an das Verantwortungsbewusstsein der Sammler zu appellieren.
Absammlungen sollten insofern koordiniert erfolgen, als dass es möglich sein muss, ihre Ergebnisse zusammenzuführen und ihre Repräsentativität irgendwie zu beurteilen.
"wildes Absammeln" = ohne Standards, ohne Abstimmung, ohne Kontrollmöglichkeit, ohne Meldung und ohne Chance, die betreffenden Sammlungen überhaupt erst für eine Auswertung zu ermitteln
Da kann ich mit jedem Satz mitgehen! Wie hoch der Prozentsatz jedoch an solchen Fundstellen ist, denen so ideale Umstände zu teil werden? Wenn ein emeritierter Professor nach einer Lebensarbeitszeit offen zu mir sagt, dass häufig die schönsten und wichtigsten Funde in den Händen von Privatsammlern sind und in Museen oft nichts Vergleichbares gezeigt werden kann, da ist es mit Koordination, Abstimmung, Meldung... etc. nicht weit her.
Bei den Standards, die für Absammlungen gelten müssen kann ich in den verschiedenen Bundesländern aber auch keinen Konsens erkennen. In einschlägigen Foren sind höchst unterschiedliche Vorgehensweisen erkennbar, wohlgemerkt von Ehrenamtlich Beauftragten, die diese Unterschiede mit Billigung und Unterstützung der Denkmalpflege betreiben. Dazu muss aber ein Dialog gepflegt werden. Ich handelte viele Jahre aus gutem Glauben das Richtige zu tun und die Anerkennung war und ist mir Bestätigung das Richtige zu tun. In Zukunft werde ich aus eigener Motivation und eigener Erkenntnis sehr viel anders vorgehen. Dabei kann ich jeden einzelnen Fund sicher zuordnen. Ich habe auch schon Sammlungen gesehen von denen der Besitzer nicht mehr sicher sagen konnte, wo Teile seiner Funde überhaupt her sind. Aber damit sind wir von Ihrem schönen Post weit entfernt.R.B.
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