Mittwoch, 22. Februar 2023

Neue Schatzdefinition in UK

In England wird eine Novellierung des Treasure Act diskutiert. 

Das Problem ist, dass viele Sondengängerfunde der Wissenschaft verloren gehen, da nur für Funde mit Edelmetallanteil eine Meldepflicht und eine Möglichkeit besteht, die Funde für die Wissenschaft zu sichern. Trotz Portable Antiquities Scheme, einer Meldeplattform, die zwar zu einer enormen Steigerung der Fundmeldungen geführt hat, gehen viele Funde an der Wissenschaft vorbei und landen in Privatbesitz. Einer der auslösenden Fälle ist der Fund des Crosby Garret-Helms, der in Privatbesitz verschwunden ist. Er bestand lediglich aus einer Kupferlegierung. 

Crosby Garrett Helm, römischer Kavallerie Helm des späten 2. oder frühen 3. Jh. n.Chr., aus einer Kuperlegierung
(Foto: Portable Antiquities Scheme [CC BY 2.0] via WikimediaCommons)

 

Anstelle der alten Formulierung, wonach ein Fund als treasure gilt, wenn er mindestens 300 Jahre alt ist und wenigstens teilweise aus Edelmetallen, wie Gold oder Silber besteht, oder Teil eines Horts mit Edelmetallobjekten ist, sehen die Änderungen nun vor, dass es sich um außergewöhnliche mindestens 200 Jahre alte Funde handeln soll, unabhängig von der Art von Metall aus der sie bestehen. Das ist eben so unsinnig wie die bisherige Regelung und birgt auch gewisse Risiken. 

Hintergrund ist die Rechtstradition in England, die grundlegend anders ist als in Deutschland (vgl. Schreg 2015). Der englische Treasure Act hat von seiner Herleitung her wenig mit den deutschen Denkmalschutzgesetzen zu tun. Der Treasure Act löste 1996 das alte Gewohnheitsrecht des Treasure Trove ab, das die Ansprüche des Königs auf herrenlose und bewusst deponierte Schätze regelte. Bewusst deponierte Gold- und Silberschätze, deren Eigentümer nicht mehr ermittelt werden kann, fallen demnach in den Besitz des Königs. Es handelt sich also um ein echtes Schatzregal mit einem vermögensrechtlichen Hintergrund, das zunächst keinerlei Zielsetzungen im Bereich der Denkmalpflege hatte. Erst mit der Neuregelung durch den Treasure Act 1996 und einer Novellierung von 2003 wurde das Gesetz so gefasst, dass in England und Wales dadurch auch archäologische Funde in größerem Ausmaß für die Krone respektive für den Staat eingefordert werden können. Nach wie vor wird dies nur bedingt erreicht, da nicht-metallische Funde nur dann unter die Regelung des Treasure Act fallen, wenn sie in einem Kontext mit einem metallischen Schatz (treasure) stehen, also beispielsweise ein Keramikgefäß als Schatzbehälter dient. Bislang war die Definition eines treasure sogar auf Objekte mit Edelmetallanteil beschränkt. Mögliche Schätze sind innerhalb von 14 Tagen nach dem Fund beim zuständigen Coroner anzuzeigen, der prüfen lässt, inwieweit der Fund als Treasure im Sinne des Gesetzes zu gelten hat. Liegt dieser Fall vor, ist dem Finder und Grundeigentümer der von der Kommission festgelegte Verkehrswert des Fundes zu zahlen, ansonsten verbleibt er in Privatbesitz und kann z.B. auch legal auf den Markt gebracht werden. Solche Schatzfunde stellen die betroffenen Museen regelmäßig vor das Problem, dass Geldsummen eingeworben werden müssen, die weit über ihr normales Budget hinausgehen. Oft gelingt dies nicht, und die Spur der Funde verliert sich. Immerhin sind die Treasures jedoch beim Coroner registriert, so dass wenigstens eine rudimentäre Dokumentation sichergestellt ist. Aufgrund dieser Regelungen sind es meist vor allem die hohen finanziellen Werte der Schatzfunde, die in Medienberichten im Mittelpunkt stehen und die Funde unisono bejubeln. 

Die Regelungen des Treasure Act unterscheiden sich grundlegend vom deutschen Schatzregal, das hier ein Teil der Denkmalschutzgesetze der Länder, aber kein eigenständiges Gesetz ist. Das deutsche Schatzregal hat keine feudale Tradition, sondern ist erst mit der Denkmalschutzgesetzgebung im Wesentlichen seit den 1970er Jahren entstanden, so dass der Begriff des Schatzregals eigentlich irrefuhrend ist, da er Sondengänger vermuten lasst, es ginge darum, dem Staat Vermögenswerte zu sichern. Tatsächlich sollen alle wissenschaftlich bedeutenden Funde – nicht nur Schätze, sondern gegebenenfalls z.B. auch Silex- oder Keramikfunde – der öffentlichen Hand gesichert werden. Zudem soll Schatzgräbern, dadurch dass sie kein rechtmäßiges Eigentum an wissenschaftlich bedeutenden Funden erwerben können, der Anreiz zu Raubgrabungen genommen werden. In der Praxis wird ein Verstoß gegen das Schatzregal juristisch als Unterschlagung betrachtet und Gerichte werden in Deutschland erfahrungsgemäß nur dann aktiv, wenn der materielle Wert des Fundes hoch eingeschätzt wird, wie das beispielsweise die Anklage im Falle des Barbarenschatzes von Rülzheim gezeigt hat. Die genauen Bestimmungen – ggf. auch über eine Entschädigungsregelung – sind in den einzelnen Bundesländern unterschiedlich; man unterscheidet ein großes und ein kleines Schatzregal, je nachdem, ob es sich auf alle Funde oder nur auf jene aus staatlichen Nachforschungen (Grabungen, Begehungen) bezieht.

Die Änderung der Schatzdefinition in England ändert nichts daran, dass andere archäologische Funde aus Silex oder Keramik keinen Schutz durch den Treasure Act haben. Vielleicht ist das aber auch ganz gut so, denn der Treasure Act hebt ja den finanziellen Aspekt der archäologischen Funde hervor und macht so aus der archäologischen Wissenschaft eine pure Schatzgräberei. Für geldgierige Sondengänger ist der Treasure Act übrigens auch eine Preisgarantie. Kann die öffentliche Hand das Geld nicht aufbringen, kann er sein Glück auf dem freien Markt versuchen, mit einer Expertise und einer Preisschätzung. Ein Fund könnte auf dem freien Markt zwar unter Umständen einen deutlich höheren Preis erzielen, aber das ist letztlich doch recht unwahrscheinlich. Mit einer Ausdehnung des Treasure Acts gibt es für Sondlerfunde in England nun ein noch weitergehendes Abnahmeversprechen. Da allerdings nicht davon berichtet wird, dass den Museen künftig auch mehr Geld zur Verfügung stehen wird, werden Museen letztlich auch nicht mehr erwerben können. 

Mit der Ausdehnung der Treasure-Definition werden noch mehr Sondler ermutigt, Löcher in archäologische Fundstellen zu graben. PAS ist für die Archäologie keine Erfolgsgeschichte, es werden zwar mehr Funde gemeldet, aber auch mehr Löcher gemacht...


Das Prinzip der Raubgrabungslöcher: Mona Lisa durchlöchert
(verändert nach Leonardo da Vinci via WikimediaCommons)

Links


Literatur


 

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