Sonntag, 24. Oktober 2021

Palmyrenische Grabbüsten im Büro eines ehemaligen libanesischen Ministers

Ein Fernseh-Interview in Al Jadeed News mit dem Parlamentsabgeordneten und ehemaligen libanesischen. Ministers Nohad Machnouk zeigt im Hintergrund einige palmyrenische Reliefs und Büsten. Typologisch ist klar, dass sie aus Palmyra stammen und, da sie nirgends registriert seien, illegal außer Landes gekommen sein müssen.

Ausschnitt aus Al Jadeed News v. 10.10.2021
Hinter dem Abgeordneten N. Machnouk sind archäologische Funde zu erkennen
(Quelle: https://www.youtube.com/watch?v=jT8n0OPDPhI)

Nun gibt es eine Diskussion um die Provenienz der Funde, die die syrische Zeitung Enab Baladi aufgreift.



 

Das Büro des Abgeordneten erklärt, dass die Funde schon seit mehr als zehn Jahren vor Ort und ordnungsgemäß beim libanesischen Kultusministerium gemeldet seien. Allerdings meint Saad Fansa, Mitbegründer und Corstandsmitglied der El-Adiyat Association for the Protection of Antiquities in Damascus, die Ovjekte identifizieren zu können. Demnach seien sie 2014/5 aus dem Museum in Palmyra gestohlen worden.

Zerstörungen im Museum von Palmyra 2016
(Foto: DGAM [CC BY SA 4.0]
via http://dgam.gov.sy/index.php?d=314&id=1957)

In dem Artikel in Enab Baladi, "an independent Syrian media organization that was founded in 2011" , wirft der syrische Journalist Omar al-Buniya der syrischen Alterrumsbehörde vor, selbst in die Plünderungen und den Antikenhandel verstrickt zu sein. Im Hinblick auf die fehlende Registrierung der palmyrenischen Statuen in Syrien wird der syrischen Altertumsbehörde vorgeworfen, sie würde dies bewusst nicht tun. Wieder einmal ist hier anzumerken, dass bei Plünderungen archäologischer Stätten eine Registrierung grundsätzlich nicht zu erwarten ist. Welcher Plünderer würde zur Raubgrabung den für Inventarisierung zuständigen Archäologen oder die Polizei einbestellen? Offenbar waren und sind auch einflussreiche Mitglieder des syrischen Regimes für die Plünderungen mitverantwortlich. Jedenfalls nennt der Artikel namentlich zwei hohe Offiziere des syrischen Militärs sowie allgemein Mitglieder von Militär und Geheimdiensten, die Berichte über diese Diebstähle unterbunden hätten.

Richtig ist, dass die Plünderungen in Palmyra nicht allein das Werk des IS sind. Schon vorher wurden hier in großem Ausmaß Gräber ausgeräumt, auch für deutsche Kunden (https://archaeologik.blogspot.com/2010/11/es-war-nacht-und-da-waren-schlangen.html), wie vor Jahren das Geständnis von Helmut Thoma gezeigt hat.


Der Fall des Nabu Museum

Der Fall wirft die Frage auf, welche Rolle der Libanon in der internationalen Antikenhehlerei spielt. Nicht nur, dass beim ehemaligen Innenminister Funde aus Palmyra auftauchen, auch ein Privatmuseum, das Nabu Museum in El-Heri, in Ras Al Shaqa’ im Norden des Libanon zeigt zahlreiche Funde, deren Provenienz fraglich ist. Es stellt sich auf seiner Homepage vor, “named after the Mesopotamian patron god of literacy, the museum offers an exceptional permanent collection of Bronze and Iron Age artifacts representing Roman, Greek, Byzantine, Phoenician and Mesopotamian, and contemporary Lebanese cultures, in addition to rare manuscripts and ethnographic material.“ Tatsächlich umfasst es Funde aus den Krisengebieten Syrien, dem Irak und Jemen, ohne dass nachvollziehbare Provenienzen vorzuliegen scheinen. Dazu gehören auch Keilschrifttafeln aus dem irakischen Irisagrig, einem Komplex, von dem auch das Hobby Lobby Museum of the Bible in den USA einige Funde besaß, die es an den Irak zurück geben musste (vgl. https://archaeologik.blogspot.com/2017/07/raubgrabungsfunde-fur-ein-biblisches.html).

Angeblich wurden die Funde unter anderem bei Christie's, Bonhams, Gerhard Hirsch und Artemis sowie Owen Gallery erworben. Ausgestellt werden aber auch Funde aus einem antiken Gräberfeld bei Tyrus, das in den 1990er Jahren geplündert wurde.

Das Nabu Museum gehört drei Unternehmern und Sammlern, die 2018 für das Museum einen stattlichen Neubau errichtet haben. Die libanesische Journalistin Mona Merhi setzte sich 2019 in einer Artikelserie mit dem Museum auseinander:

 

Die Rolle der Politik

Eine weitere - wichtige - Verbindung zwischen Palmyra und dem Libanon stellt die Miliz der Hisbollah dar. Sie gehört zu jenen Gruppen, die im syrischen Bürgerkrieg involviert waren und sind. Sie steht dort auf Seiten des Assad-Regimes und kontrolliert die Grenze zwischen Syrien und dem Libanon. In der Region von Daraa im Süden des, aus der bereits früher über Plünderungen und Schäden an archäologischer Stätten berichtet wurde  (https://archaeologik.blogspot.com/2020/04/die-verluste-des-museums-idlib.html), wird aktuell von Plünderungen berichtet, an denen neben der Hisbollah auch die syrische Luftwaffe beteiligt sein sollen.

Nohad Machnouk ist indes Mitglied des "Zukunftsblocks", der in Opposition zur Hisbollah steht. Als problematisch wird die Gesetzeslage im Libanon bezeichnet. Funde aus Museen und Sammlungen sollten nach dem Dekret 3065 von 2016 zwar mit Angaben, woher sie stammen und wie sie erworben wurden, in einem "Inventory of Old Movable Archaeological Items" registriert werden, was de facto aber auch eine Legalisieurng illegaler Funde bedeute. Im Prinzip ist der Import archäologischer Funde in den Libanon seit 1988 (und aus Palästina und Irak noch länger) verboten. Seit 1999 hat die Altertumsbehörde sogar Polizeigewalt zur Verfolgung von Plünderungen und Antikenhehlerei.

Abboud 2020 wirft die Frage auf, inwiefern Dekret 3065, das de facto im Widerspruch zu internationalen geetzen, aber auch der früheren libaneischen Gesetzelage steht, gerade auf dem Höhepunkt der Plündeurngen in Syrien und Irak in Kraft getreten ist (Abboud 2020, 210).

Das Nabu Museum - dessen Eigentümer im übrigen Mitglied der Syrischen Sozialen Nationalistischen Partei sind, die dem Assad-Regime nahe steht und die Idee eines Groß-Syrien verfolgt - versteckt sich hinter dem Dekret. Offiziell wurden keine Untersuchungen eingeleitet, doch hat das Nabu Museum 2019 alle archäologischen Funde aus seiner Ausstellung entfernt (Abboud 2020, 212).

 

Links

Die Posts zu Kulturgut in Syrien und Irak auf Archaeologik erscheinen nur noch unregelmäßig. Frühere Posts finden sich unter dem Label Bürgerkrieg in Syrien. Eine Zusammenstellung früherer Beiträge unter











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