2014 habe ich den Beitrag von Raimund Karl Facharchäologische Argumente gegen die Metallsuche durch Laien - Anspruch und Realität (Archaeologik 29.9.2014) aus der facebook-Gruppe auf Archaeologik übernommen, da er mir mit seiner Polemik als Chance erschien, Themen auf den Tisch zu
bringen, die bisher im Fach zu ungenügend reflektiert sind. Im bin gleichwohl keineswegs einig mit Karls Position. Sie hat auch nicht zu der erwünschten Diskussion geführt, sondern wurde von den Sondengängern nur zur Bestätigung ihrer eigenen Position herangezogen. Der Blogpost gehört heute zu den am meisten gelesenen auf Archaeologik.
So scheint es mir nun dringend, den eigentlich von Anfang an angedachten eigenen Kommentar nunmehr nachzuholen.
So scheint es mir nun dringend, den eigentlich von Anfang an angedachten eigenen Kommentar nunmehr nachzuholen.
Die von Karl angeführten zehn Punkte der Argumentation, die gegen eine unkontrollierte Suche von Sondengängern ins Feld geführt werden, scheinen mir tatsächlich die wesentlichen Punkte zu treffen.
- mangelnde Dokumentation von Lage, Kontext und Fundumständen durch Laien
- undokumentierte Entfernung von Funden aus ihrem räumlichen Kontext
- wissentliche oder unwissentliche Zerstörung „ungestörter“ archäologischer Befunde (verstanden als sichtbare Strukturen im Boden wie Mauern oder Verfärbungen verfüllter Gruben) bzw. Stratifikationen.
- mangelnde Kompetenz der Metallsucher bei Bergung und Konservierung
- 'Archäologische Funde und ihre Kontexte sind am besten dadurch geschützt, dass sie unverändert in situ belassen werden.'
- Verschwinden von Funden in unzugänglichen privaten Sammlungen
- nur öffentliche Sammlungen garantieren die langfristige Konservierung und öffentliche Zugänglichkeit von Fundgegenständen
- Primat der „Wissenschaft“, weil diese der Öffentlichkeit dient und Qualitätssicherung der Interpretationen sicher stellt
- "Archäologische Funde aus irgendwelchen anderen Gründen als wissenschaftlichem Erkenntnisgewinn zu suchen ist schlecht, und sie aus wirtschaftlichem Profitinteresse zu suchen nicht nur schlecht sondern böse in einem moralischen Sinn. Wer aus der Zerstörung archäologischer Kulturgüter wirtschaftlichen Gewinn lukriert ist ein schlechter Mensch und hat daher überhaupt keine Rechte an Archäologie."
- Metallsuche ist illegal
Raimund Karl argumentiert nun, dass diese Punkte zwar richtig seien, aber nicht stichhaltig, da sie sich nicht an der - von ihm als eher desolat dargestellten - Realität der Denkmalpflege orientieren. Er führt folgende Punkte an (ich verlasse die Zuordnung zu den facharchäologischen Argumenten):
- Bedingungen archäologischer GrabungenArchäologische Rettungs- und Forschungsgrabungen erfüllen den Anspruch einer umfassenden Dokumentation nicht. „Oberflächen- und Oberbodensurveys“ finden facharchäologisch kaum statt. Insbesondere Rettungsgrabungen untersuchen bei weitem nicht alle ungestörten Befunde, sondern wenden „sampling-Strategien“ an, "bei denen bedeutende Prozentsätze (manchmal bis zu 90%) der „ungestörten“ Befunde überhaupt nicht ausgegraben werden, sondern der Zerstörung durch den Bagger überlassen werden". Auch auf Grabungen gibt es jede Menge un- oder schlecht ausgebildeter Grabungsarbeiter.
- 'in situ'-Erhaltung ist bei heutigen Landnutzungsbedingungen nicht mehr gegeben.
- Bedingungen der Konservierung und Archivierung in Museen Nicht jeder Fund der „sachgerecht“ geborgen wird, wird auch einer dauerhaften Konservierung zugeführt. "Depots sind nur eine andere Form von Mülldeponie", da Aufbewahrung, Auffindbarkeit und Aufarbeitung der Museumsbestände in öffentlichen Museen außerordentlich mangelhaft seien
- "Die, die am meisten wirtschaftlich von der Zerstörung archäologischer Kulturgüter profitieren, sind wir [die Archäologen] selbst."
- Primat der Wissenschaft sei nur das Eigeninteresse der Wissenschaftler
- "Verbot der Metallsuche ist bloß Ausdruck der asymmetrischen Machtverhältnisse"
Keine dieser Überlegungen scheint mir grundsätzlich falsch - aber doch sind sie eben keine Wahrheiten und gehen an der Sache vorbei.
Bedingungen der Ausgrabung
Archäologische Surveys mit Einzelfundeinmessungen vor Grabungsbeginn werden in der Tat selten durchgeführt, der Oberboden meist mit dem Bagger abgetragen.
Das ist aber eine Entscheidung der Wissenschaftler im Augenblick der Grabung vor Ort. Sie entscheiden nach Sachlage, was in der konkreten Situation das angemessene Vorgehen ist - unter Berücksichtigung der personellen, zeitlichen und finanziellen Rahmenbedingungen. Das Potential wird oft nicht voll ausgenutzt, aber die Option bleibt bis zuletzt. An dieser Stelle, nicht vorher und nicht ohne Koordination, wären ein Metallsondeneinsatz durchaus wünschenswert - wobei eine geophysikalische Prospektion mit automatischer Identifikation von Metallobjekten noch während der Messung die Aufgabe wohl noch besser erfüllen würde. Das ist keine Science Fiction, sondern eine reelle Weiterentwicklung der Prospektionsmethoden, die voll im Gange ist. Dann kann man eine durchaus 'formatierte' Fundstreuung und Strukturen direkt in Beziehung setzen. Wenn auf künftige bessere Forschungsmethoden verwiesen wird, so ist das ein Schritt dazu. Voraussetzung ist, dass Sondler nicht heute schon das ganze Feld abräumen.
Inzwischen haben viele Studien beispielsweise auch gezeigt, welchen enormen Wert Funde aus dem Pflughorizont haben können, wenn sie mit Einzelfundeinmessung dokumentiert werden (vergl. z.B. Scherbenschleier als Indikator für Landnutzungsstrategien).
Bei eigenen Forschungsprojekten habe ich schon öfters gezielt Feldbegehungen durchgeführt (in mehreren Fällen konnten wir auch einen offiziellen Sondengänger hinzuziehen), die dann als Entscheidungsgundlage dienten, wo wir unsere kleinen Sondageschnitte angesetzt haben. Ein vorher frei gegebenes und ausgeräumtes Feld hätte uns diesen methodischen Ansatz nicht mehr erlaubt.
Der Rückschluss aus der Tatsache, dass wir nicht alle Optionen ausnützen können, rechtfertigt nicht, uns der Optionen dadurch zu berauben, dass wir Sondengängern erlauben, die entsprechenden Quellen ohne Not zu vernichten. In dem Augenblick, in dem klar ist, dass die Fundstelle tatsächlich vernichtet wird und klar ist, dass nicht alle Optionen genutzt werden, ist das etwas anderes. Warum nicht eine stark überpflügte Fundstelle, für die keine Grabungsmöglichkeiten bestehen, an geschulte Sondengänger übertragen, damit diese noch möglichst viele Informationen (und Funde) sammeln? Das geht aber nur in enger Abstimmung mit den Denkmalämtern und ist völlig unabhängig, wie recht oder schlecht Notgrabungen gegebenenfalls sind.
Dass auf Ausgrabungen vielfach unerfahrenes Personal im Einsatz ist, ist sicher richtig. Das ist ein Problem, das in Angriff genommen wird. Es kann vor allem dann gelöst werden, wenn sich die Kollegen stärker fachpolitisch engagieren - etwa auch mit der Idee eines Berufsverbands. Sondengänger, deren Interesse allein in den Funden liegt, sind jedenfalls kein Lösungsbeitrag.
Es steht in der Tat nicht überall bestens um die Qualität der Notgrabungen und die
Lagerungsbedingungen in den Museen. Das ist eine Frage des Geldes, und
in der Folge eine der Prioritätensetzung innerhalb des Fachs, aber auch
einer aktiveren Interessensvertretung gegenüber Politik und Wirtschaft.
Hier ist beispielsweise darauf zu achten, dass beim Verursacherprinzip
nicht nur an die unmittelbaren Grabungskosten gedacht wird, sondern auch
an die Folgekosten für die Auswertung, die oft genug auf Studierende
abgeschoben wird, die sich selbst um ihre Finanzierung durch Stipendien
o.ä. kümmern müssen.
Natürlich ist es so, dass derzeit bei weitem nicht alle Funde aus Notgrabungen konserviert werden können. Immerhin aber werden sie bei der Ausgrabung registriert und so liegen wenigstens die grobe Kontextinformationen vor, die wenigstens auf einem groben Niveau Verteilungsanalysen zulassen. Große Reihengräberfelder beispielsweise haben die Restaurierungskapazitäten der zuständigen Werkstätten und Graphikabteilungen schon immer vor Herausforderungen gestellt, die dazu geführt haben, dass die Aufarbeitung von Gräberfeldgrabungen erst Generationen später erfolgen kann. Deshalb gibt es Forschungsprogramme, die nach Alternativen suchen, wie man die Konservierung effektiver gestalten kann und wenigstens eine Dokumentation der Objekte erreichen kann. Und ja: Ich kenne auch die nicht auffindbaren Funde in Museen- und Amtsdepots. Prinzipiell kann man dort darauf zugreifen - und dafür ist keine Promotion erforderlich, sondern allenfalls ein berechtigt begründetes Interesse.
Bedingungen der Ausgrabung
Archäologische Surveys mit Einzelfundeinmessungen vor Grabungsbeginn werden in der Tat selten durchgeführt, der Oberboden meist mit dem Bagger abgetragen.
Das ist aber eine Entscheidung der Wissenschaftler im Augenblick der Grabung vor Ort. Sie entscheiden nach Sachlage, was in der konkreten Situation das angemessene Vorgehen ist - unter Berücksichtigung der personellen, zeitlichen und finanziellen Rahmenbedingungen. Das Potential wird oft nicht voll ausgenutzt, aber die Option bleibt bis zuletzt. An dieser Stelle, nicht vorher und nicht ohne Koordination, wären ein Metallsondeneinsatz durchaus wünschenswert - wobei eine geophysikalische Prospektion mit automatischer Identifikation von Metallobjekten noch während der Messung die Aufgabe wohl noch besser erfüllen würde. Das ist keine Science Fiction, sondern eine reelle Weiterentwicklung der Prospektionsmethoden, die voll im Gange ist. Dann kann man eine durchaus 'formatierte' Fundstreuung und Strukturen direkt in Beziehung setzen. Wenn auf künftige bessere Forschungsmethoden verwiesen wird, so ist das ein Schritt dazu. Voraussetzung ist, dass Sondler nicht heute schon das ganze Feld abräumen.
Inzwischen haben viele Studien beispielsweise auch gezeigt, welchen enormen Wert Funde aus dem Pflughorizont haben können, wenn sie mit Einzelfundeinmessung dokumentiert werden (vergl. z.B. Scherbenschleier als Indikator für Landnutzungsstrategien).
Bei eigenen Forschungsprojekten habe ich schon öfters gezielt Feldbegehungen durchgeführt (in mehreren Fällen konnten wir auch einen offiziellen Sondengänger hinzuziehen), die dann als Entscheidungsgundlage dienten, wo wir unsere kleinen Sondageschnitte angesetzt haben. Ein vorher frei gegebenes und ausgeräumtes Feld hätte uns diesen methodischen Ansatz nicht mehr erlaubt.
Der Rückschluss aus der Tatsache, dass wir nicht alle Optionen ausnützen können, rechtfertigt nicht, uns der Optionen dadurch zu berauben, dass wir Sondengängern erlauben, die entsprechenden Quellen ohne Not zu vernichten. In dem Augenblick, in dem klar ist, dass die Fundstelle tatsächlich vernichtet wird und klar ist, dass nicht alle Optionen genutzt werden, ist das etwas anderes. Warum nicht eine stark überpflügte Fundstelle, für die keine Grabungsmöglichkeiten bestehen, an geschulte Sondengänger übertragen, damit diese noch möglichst viele Informationen (und Funde) sammeln? Das geht aber nur in enger Abstimmung mit den Denkmalämtern und ist völlig unabhängig, wie recht oder schlecht Notgrabungen gegebenenfalls sind.
Dass auf Ausgrabungen vielfach unerfahrenes Personal im Einsatz ist, ist sicher richtig. Das ist ein Problem, das in Angriff genommen wird. Es kann vor allem dann gelöst werden, wenn sich die Kollegen stärker fachpolitisch engagieren - etwa auch mit der Idee eines Berufsverbands. Sondengänger, deren Interesse allein in den Funden liegt, sind jedenfalls kein Lösungsbeitrag.
Bedingungen der Konservierung und Archivierung
Es steht in der Tat nicht überall bestens um die Qualität der Notgrabungen und die
Lagerungsbedingungen in den Museen. Das ist eine Frage des Geldes, und
in der Folge eine der Prioritätensetzung innerhalb des Fachs, aber auch
einer aktiveren Interessensvertretung gegenüber Politik und Wirtschaft.
Hier ist beispielsweise darauf zu achten, dass beim Verursacherprinzip
nicht nur an die unmittelbaren Grabungskosten gedacht wird, sondern auch
an die Folgekosten für die Auswertung, die oft genug auf Studierende
abgeschoben wird, die sich selbst um ihre Finanzierung durch Stipendien
o.ä. kümmern müssen.Natürlich ist es so, dass derzeit bei weitem nicht alle Funde aus Notgrabungen konserviert werden können. Immerhin aber werden sie bei der Ausgrabung registriert und so liegen wenigstens die grobe Kontextinformationen vor, die wenigstens auf einem groben Niveau Verteilungsanalysen zulassen. Große Reihengräberfelder beispielsweise haben die Restaurierungskapazitäten der zuständigen Werkstätten und Graphikabteilungen schon immer vor Herausforderungen gestellt, die dazu geführt haben, dass die Aufarbeitung von Gräberfeldgrabungen erst Generationen später erfolgen kann. Deshalb gibt es Forschungsprogramme, die nach Alternativen suchen, wie man die Konservierung effektiver gestalten kann und wenigstens eine Dokumentation der Objekte erreichen kann. Und ja: Ich kenne auch die nicht auffindbaren Funde in Museen- und Amtsdepots. Prinzipiell kann man dort darauf zugreifen - und dafür ist keine Promotion erforderlich, sondern allenfalls ein berechtigt begründetes Interesse.
Allerdings ist dies kein Argument für ein privates Eigentum an Funden: Viel häufiger aber habe ich unrestaurierte, zerfallene oder unbeschriftete Funde in privaten Sammlungen gesehen (vergl. Rubrik: Unbrauchbare Fundzettel 1, (2) und (3)) (oder oft gar nicht mehr aufgefunden). Bei Privatsammlungen ist es die Regel, dass sie spätestens beim Tod des Sammlers verhökert oder entsorgt werden, wenn nicht eine Vereinbarung mit einem Museum oder Denkmalamt getroffen wurde. Ähnliches gilt übrigens für kleine Sammlungen in Schulen und Rathäusern, die mit einem neuen Schulleiter oder Bürgermeister auch Gefahr laufen, im Container zu enden. Dieses Problem ist in der Tat nur mit öffentlichen Fachmuseen zu lösen.
Der Rückstau in den Museen ist nicht zuletzt auch der Aufarbeitung geschuldet, die heute in erster Linie auf den Schultern von Studierenden und Promovierenden ruht, da kaum noch Aufarbeiter-Stellen existieren. Die extrem aufwändige Bearbeitung, der Rückstau in den Museen und die hohen Kosten einer Konservierung und Restaurierung sind eher ein Argument dafür, möglichst viele Funde im Boden zu belassen und die Anstrengungen zu verstärken, sie dort auch zu erhalten. Allerdings darf ein denkmalpflegerischer Ansatz hier gezielte Geländeforschung nicht prinzipiell ausschließen. Einerseits ginge das gegen eine Forschungsfreiheit (= Forschung, also mit Fragestellung und angemessener Methode), vor allem aber kann nur sie ein Korrektiv bieten, die durch denkmalpflegerische Belange entstehenden Einseitigkeiten der Quellenlage (z.B. Konzentration auf Ballungszentren und Vernachlässigung der heute ländlichen oder gar bewaldeten Regionen) zu kontrollieren.
Ziel: Qualitätssicherung
(Foto: R. Schreg) |
Egal ob Sondengehen oder Fachgrabungen: Das Entscheidende sind Mechanismen der Qualitätssicherung und eine Koordination der Feldarbeiten. Auch Fachwissenschaftler unterliegen bei Feldarbeiten strengen Auflagen, was Dokumentation, Konservierung und weitergehende Archivierung von Daten und Funden angeht. Dass ein Archäologe Funde für sich beansprucht - das geht schon lange nicht mehr!
Umfassende Konzepte
Eines scheint mir an Raimund Karls Beitrag grundsätzlich wichtig und richtig zu sein: Wir können die Sondengängerproblematik nicht lösen, wenn man sie isoliert betrachtet. Ein pauschales Verbot des Sondengehens und auch ein Schatzregal löst das Problem nicht. Der wiederkehrende Verweis der Kollegen auf ein Verbot des Sondengehens ist zwar korrekt, aber wenig hilfreich. Hier muss mehr erklärt, kommuniziert und für die wissenschaftlichen Anliegen Verständnis geschaffen werden. Die Rahmenbedingungen des Faches müssen berücksichtigt werden, wie auch die Glaubwürdigkeit der Argumente. Maßstab ist hier aber nicht die Realität, sondern sind die wissenschaftlichen Standards, an denen sich Metallsucher wie auch Denkmalpflege messen lassen müssen. Grundsätzliches regeln hier beispielsweise europäische Konventionen, die allerdings in Deutschland mit der Kulturhoheit der Länder einen vergleichsweise geringen Stellenwert besitzen.
Prinzipiell spricht nichts gegen andere Nutzungen archäologischer Denkmäler, aber hier muss eben eine Interessensabwägung stattfinden, die vor allem eine nachhaltige Nutzung, das heißt eine bestmöglich Erhaltung ins Auge fasst.
Archäologische Denkmäler sind eben keine unbegrenzte Ressource. Mit ihrer Zerstörung ist ihr historischer Informationsgehalt ein für allemal verloren. Die Besinnung auf die Vergangenheit ist für menschliche Gesellschaften in verschiedener Hinsicht notwendig. Sie schafft Identitäten - was positiv der Gesellschaft Stabilität und Legitimierung gibt, was aber negativ auch zu Ausgrenzung und Rassismus beitragen kann. Hier benötigen wir eine kritische Wissenschaft - die allerdings mangels Theoriediskussion oft auch noch nicht am Ideal zu messen ist.
Raimund Karl hat an einigen Punkten recht: Er weist auf einige Probleme im Fach, in der Praxis wie in der Theorie hin.
Diese Schwierigkeiten sind aber kein Argument, dass die Sondengänger deshalb ein Recht hätten, unser Kulturerbe zu vernichten. Probleme werden nicht dadurch gelöst, dass man neue anhäuft.
Ich gebe Recht in dem Punkt, dass der bisherige pauschal restriktive Umgang mit Sondengängern kein Lösungsweg ist. Die Wissenschaft benötigt die Unterstützung von Laien. Nicht nur mit der Sonde (auch, aber vielleicht am wenigsten mit der Sonde), sondern eben als Teil einer Lobby, die sich für den Erhalt des kulturellen Erbes einsetzt. Dass hier unter Umständen auch geschulte, vielleicht auch 'zertifizierte' Laien kleinere Notgrabungen übernehmen, scheint mir nicht ausgeschlossen, im Gegenteil sogar wünschenswert. Bedenken arbeitsloser Kollegen, die fürchten, dass ihnen damit ihre Arbeitsplätze weggenommen werden, kann ich nicht teilen. Im Einzelfall mag man sich den Profi einsparen und einen billigeren Ehrenamtlichen vorziehen. Unterm Strich dürfte ein größeres Bürgerengagement für die Archäologie aber eher zusätzliche Mittel locker machen, vor allem aber die Archäologie und die Erkenntnisse aus ihren Forschungen stärken.
Primat der Wissenschaft
Natürlich wird Wissenschaft von Wissenschaftlern betrieben und geformt. Aber Wissen und Information sind die Basis der modernen Gesellschaft. Ohne sie hätte es keine Aufklärung, keine Industrialisierung und keine Demokratie gegeben. Wissenschaft ist zwar kein Grundrecht, aber noch immer eine Grundlage unserer Gesellschaft. Nur ein wissenschaftlich-denkmalpflegerischer Umgang schafft eine nachhaltige Nutzung der Ressource "Kulturgut". Andere Nutzungen und Interessen an der Vergangenheit sind nicht illegitim, aber sie müssen sich an einem verantwortlichen Ressourcen schonenden Umgang messen lassen.Prinzipiell spricht nichts gegen andere Nutzungen archäologischer Denkmäler, aber hier muss eben eine Interessensabwägung stattfinden, die vor allem eine nachhaltige Nutzung, das heißt eine bestmöglich Erhaltung ins Auge fasst.
Archäologische Denkmäler sind eben keine unbegrenzte Ressource. Mit ihrer Zerstörung ist ihr historischer Informationsgehalt ein für allemal verloren. Die Besinnung auf die Vergangenheit ist für menschliche Gesellschaften in verschiedener Hinsicht notwendig. Sie schafft Identitäten - was positiv der Gesellschaft Stabilität und Legitimierung gibt, was aber negativ auch zu Ausgrenzung und Rassismus beitragen kann. Hier benötigen wir eine kritische Wissenschaft - die allerdings mangels Theoriediskussion oft auch noch nicht am Ideal zu messen ist.
Profiteure der Zerstörung
Natürlich profitieren Archäologen heute von der Zerstörung von Denkmälern. Aber auch das ist eine Verkehrung der Realitäten: Die Archäologen sind ja nicht die Verursacher der Zerstörung - im Unterschied zum gemeinen, wilden Sondengänger - sondern werden vom Verursacher, oder von der Allgemeinheit dafür bezahlt, möglichst viel davon zu dokumentieren. Da die Rahmenbedingungen selten optimal sind, kommt es eben auch zu den Abstrichen an den Idealbedingungen archäologischer Grabungen. Betrachtet man allerdings die Arbeitsverhältnisse in der Archäologie, so wirkt Karls Formulierung sehr deplatziert: Gemessen an den Maßstäben des normalen Arbeitsmarktes arbeiten viele Archäologen unter lausigen Bedingungen mit befristeten Verträgen ohne Langzeitperspektive, finanziert durch Stipendien, die de facto weit unter Mindestlohn liegen. Das gilt nicht nur für die Archäologen draußen auf der Grabung, auch das akademische Prekariat ist im Fach sehr ausgeprägt.Fazit
Raimund Karl hat an einigen Punkten recht: Er weist auf einige Probleme im Fach, in der Praxis wie in der Theorie hin.
Diese Schwierigkeiten sind aber kein Argument, dass die Sondengänger deshalb ein Recht hätten, unser Kulturerbe zu vernichten. Probleme werden nicht dadurch gelöst, dass man neue anhäuft.
Ich gebe Recht in dem Punkt, dass der bisherige pauschal restriktive Umgang mit Sondengängern kein Lösungsweg ist. Die Wissenschaft benötigt die Unterstützung von Laien. Nicht nur mit der Sonde (auch, aber vielleicht am wenigsten mit der Sonde), sondern eben als Teil einer Lobby, die sich für den Erhalt des kulturellen Erbes einsetzt. Dass hier unter Umständen auch geschulte, vielleicht auch 'zertifizierte' Laien kleinere Notgrabungen übernehmen, scheint mir nicht ausgeschlossen, im Gegenteil sogar wünschenswert. Bedenken arbeitsloser Kollegen, die fürchten, dass ihnen damit ihre Arbeitsplätze weggenommen werden, kann ich nicht teilen. Im Einzelfall mag man sich den Profi einsparen und einen billigeren Ehrenamtlichen vorziehen. Unterm Strich dürfte ein größeres Bürgerengagement für die Archäologie aber eher zusätzliche Mittel locker machen, vor allem aber die Archäologie und die Erkenntnisse aus ihren Forschungen stärken.
Entscheidend ist, dass man ein Miteinander findet, denn das Gegeneinander lähmt nur Kräfte und macht die Situation nur schlimmer als besser.
Referenzen
- J. Zerres, „Das nennt sich Fieldwork, ihr Schnarchzapfen“ – Der Rülzheimer „Barbarenschatz“ und die öffentliche Wahrnehmung von Denkmalpflege und Archäologen. Archaeologik (27.2.2014)
Anmerkung: Derzeit habe ich keine Zeit, die zu erwartende Diskussion zeitnah zu moderieren. Argumente zur Sache sind trotzdem willkommen, alles andere wird gar nicht freigeschaltet. Eine Freischaltung und Entgegnung wird ggf. auf sich warten lassen müssen.
4 Kommentare:
Vorerst einmal nur ganz kurz, weil ich auch gerade keine Zeit zu einer umfangreicheren Diskussion habe: Kernpunkt meines ursprünglichen Gastbeitrags war ja nicht, dass deshalb, weil die von mir angesprochenen Probleme im Bereich der archäologischen Denkmalpflege tatsächlich bestehen, eine willkürliche und undokumentierte Zerstörung archäologischer Quellen durch egal wen - und zwar sowohl MetallsucherInnen als auch BauherrInnen als auch graduierte ArchäologInnen - richtig, in Ordnung oder auch nur zulässig sei bzw. sein sollte. Ziel war vielmehr - wie ich auch ganz explizit am Schluss meines Beitrags sage - zu verdeutlichen, dass unsere derzeitige (oft moralisierende) Argumentation auf einer idealisierten Vorstellung davon beruht, wie archäologische Denkmalpflege funktionieren sollte, nicht auf der tatsächlich dieser Idealvorstellung oft überhaupt nicht entsprechenden tatsächlichen Praxis; und dass das die von uns bisher ins Feld geführten Argumente - und zwar mit voller Berechtigung - angreifbar macht. Es ging und geht mir - übrigens bei allem, was ich zur Thematik schreibe - nicht darum, dass 'jeder' mit archäologischen Quellen 'einfach machen darf was er will', sondern darum, dass wir sowohl archäologische Quellenerhaltung als auch archäologische Qualitätssicherung durchaus brauchen, aber das erstens anders begründen und zweitens ganz maßgeblich anders lösen müssen, als wir das bisher versucht haben. Eben nicht mit auf Idealvorstellungen beruhenden Argumenten, die der Realitätsbeobachtung nicht standhalten, sondern mit Argumenten, die auch für Dritte - wie eben die teilweise andere Interessen als wir FachwissenschaftlerInnen habende Metallsucher - in Anbetracht der tatsächlich bestehenden Relität nachvollziehbar sind.
Oh, Herr Karl, ich fürchte, zur Vereinfachung tragen ihre endlosen Schachtelsätze bei den Sondengängern, vielleicht auch Akademikern?... auch nicht bei. Da sehe ich bei Otto Normalsondlern nur Kopfnicken über ihre Ausführungen, bezweifle aber, dass das viele Sondengänger nachvollziehen, oder gar widergeben können. Ich sehe auch, dass Ihnen nicht einmal Fachkollegen ernsthaft folgen (wollen/können) Wem hilft das dann, außer Ihnen? Sie machen ja schon wieder so einen Versuch im Internet. Das ist jetzt zielführend?
https://www.academia.edu/30877919/Was_ist_eigentlich_eine_Raubgrabung_Ein_Vorschlag_zu_einer_alternativen_L%C3%B6sung_f%C3%BCr_das_Raubgrabungsproblem_._Wien_http_archaeologieforum.at_2017
Zitat: „Bedenken arbeitsloser Kollegen, die fürchten, dass ihnen damit ihre Arbeitsplätze weggenommen werden, kann ich nicht teilen. Im Einzelfall mag man sich den Profi einsparen und einen billigeren Ehrenamtlichen vorziehen.“
Das lässt den Eindruck entstehen, dass die Erkenntnisse über ein Bodendenkmal in der Regel schon da sind und dann ein Ehrenamtlicher, ein Heimathirsch drauf losgelassen wird, um die Fachleute um Lohn und Brot zu bringen. Allein im letzten Jahr ging es in meinem ehrenamtlichen Zuständigkeitsbereich um eine sechsstellige Summe für eine ordnungsgemäße Grabung der Denkmalpflege, die ohne meine Meldung nicht zustande gekommen wäre. Das Geld war da – aber nur mit Mühe und Not das Personal. Ohne Hilfsarbeiter stünden die Bauherren wohl noch immer vor den Plana. Mir scheint der Vergleich – Ehrenamtliches Engagement nimmt uns die Arbeit weg, in der Regel immer sehr verdreht oder verkürzt dargestellt. So rettet keiner die Denkmalpflege oder die Archäologie. Was Ehrenamtliche nicht entdecken und schützen, das graben später auch keine Archäologen mehr aus. Wir müssen uns ergänzen. Und das tun wir besser, als so schlecht wie es ständig schlecht geredet wird.
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