Samstag, 19. Dezember 2015

2 mal San José - Zeugnisse früher Globalisierung und Opfer der Kommerzialisierung


Gleich zwei Wracks namens San José gehen derzeit durch die Presse. Beide werden kommerziell ausgebeutet: Einmal in der Karibik in kolumbianischen Gewässern und einmal im Pazifik vor Panama. Beide wären sie eine wichtige Quelle zur frühen Globalisierung. Sie haben eine wissenschaftliche Untersuchung und eine vollständige Präsentation ihrer Funde verdient.

Kolumbien

In einer Seeschlacht vor Cartagena wurde am 8. Mai 1708 die spanische Galeone San José von britischen Kriegsschiffen versenkt. Nachdem das Schiff in Brand geraten war, explodierte seine Pulverkammer. 578 Menschen kamen dabei ums Leben.
Seeschlacht vor Cartagena 8. Mai 1708: Die San José wird von britischen Kriegsschiffen versenkt.
Gemälde von Samuel Scott vor 1772
(National Maritime Museum in Greenwich, Public Domain via Wikimedia Commons)
Da das Schiff mit 344 Tonnen Gold- und Silbermünzen sowie 116 Kisten mit Smaragden aus Peru beladen war, interessieren sich schon lange Schatzjäger dafür. Nachdem ein Gericht bereits vor Jahren Ansprüche einer Schatzbergefirma verneint hatte, die die Lage des Wracks bereits in den 1980er Jahren grob eingegrenzt hatte, hat vor wenigen Wochen die kolumbianische Regierung die Entdeckung des Schiffs bekannt gegeben.
Nun erheben die Schatzjägerfirma, wie auch die spanische Regierung Anspruch auf die Ladung. Die kolumbianische Regierung, die erst vor kurzem die kommerzielle Ausbeutung der Wracks vor seinen Küsten mehr oder weniger frei gegeben hat, will 50% der archäologischen Funde der nun beauftragten Bergefirma überlassen.

Protest der Kollegen gegen den Verkauf der Funde

San José in Panama

Die San José in den Pazifikgewässern vor Panama wurde bereits 2002 entdeckt. Diese San José ist bereits 1631 gesunken. Sie hatte angeblich 700 t Gold und Silber im Schätzwert von 50 Millionen $ geladen. Entgegen internationaler Vereinbarungen, die Panama im Gegensatz zu Kolumbien unterzeichnet hat, sollen nun 65% der Funde an eine private Bergefirma gehen. Die UNESCO hat bereits im Frühjahr Protest eingelegt.
Die laufenden Bergungen werden nicht regelmäßig fachmännisch begleitet. Ein Expertengutachten zu den inzwischen vorliegenden Funden stellte fest, dass sich darunter auch jüngere Objekte befinden, so dass sich abzeichnet, dass es mangels Dokumentatione nicht einmal möglich sein wird, die genaue Fracht des Schiffes festzustellen.


In beiden Fällen besteht zu befürchten, dass keine wissenschaftliche Dokumentation der Wracks erfolgt und die Ladung ohne zureichende Untersuchung verkauft wird.

Die Globalisierung der frühen Neuzeit

Die beiden Wracks sind Zeugnisse des großen Kapitalflusses aus dem spanischen Kolonialreich nach Europa. Aus dem ehemaligen Inka-Reich wurden Unmengen Gold und Silber nach Panama transportiert. Die San José aus Panama gehört in diesen Teil des Handels. Von Panama aus wurde die Fracht auf dem Landweg über den Isthmus von Panama nach Portobelo gebracht und von dort nach Spanien verschifft. Die in kolumbianischen Gewässern versenkte San José repräsentiert die Atlantikpassage. 
Was dies alles war, wie die Ladung sich genau zusammensetzt, in welcher Form das Gold und Silber transportiert wurde, wie homogen die Ladungen waren, wären wichtige Informationen, um den Transatlantikhandel der Zeit und die Ausplünderung der Kolonien besser kennen zu lernen. Eine genaue Dokumentation der Wracks wäre auch Voraussetzung, um mehr über den Alltag der Seeleute zu erfahren. 

Die Geschichte des 17. Jahrhunderts in Panama ist ein wesentlicher Teil der modernen Geschichte der Globalisierung. Bisher wurde sie immer aus spanischem Blickwinkel betrachtet, aus dem das 17. Jahrhundert als Krisenzeit erscheint. Immer mehr verlor Spanien die Kontrolle über sein Kolonialreich, nicht zuletzt durch steigendes Interesse anderer europäischer Mächte. Der Wrackfund der San José von 1708 dokumentiert das einträglich.
Die Fragen, die mit diesem Abschnitt der Globalisierung zusammen hängen, werden ab 2016 in einem neuen EU-Projekt untersucht, das an der Universität Sevilla in Spanien angesiedelt ist ("An ARTery of EMPIRE. Conquest, Commerce, Crisis, Culture and the Panamanian Junction (1513-1671)".  Hier fließen auch Erfahrungen und Vorarbeiten des Tübinger Panama-Projektes ein, das 2003-2009 mit überwiegender Finanzierung durch die DFG durchgeführt wurde (vergl. Archaeologik). Eine der Hypothesen des Projektes ist es, dass die Krise des spanischen Kolonialreiches vor Ort eher eine Phase des regionalen Aufblühens war, das der kolonialen Gesellschaft neue Möglichkeiten eröffnet hat. Archäologisch gibt es da verschiedene Zugriffe über die Analyse der Baukonjunktur in der Stadt, aber auch über eine Analyse der Importfunde aus China, die damals zunahmen. Die vergleichende Analyse von Schiffsladungen - aus schriftlichen Quellen, aber vor allem auch aus archäologischem Kontext mit den Möglichkeiten der archäometrischen Herkunftsbestimmung der Ladung - ist ein wichtiger Baustein für das Verständnis der wirtschaftlichen Veränderungen im Lauf der Zeit.


Es íst falsch, solche Wracks als Schätze zu sehen, sie sind in erster Linie historische Dokumente, von denen wir alle über unsere Welt lernen können.

1 Kommentar:

Rainer Schreg hat gesagt…

http://derstandard.at/2000042070886/Schaetze-im-Milliardenwert-Sagenumwobene-Galeone-San-Jose-soll-geborgen-werden