Dienstag, 4. März 2014

Öffentliche Akzeptanz als zentrales Problem der archäologischen Denkmalpflege

Angesichts der aktuellen Reaktionen auf den 'Barbarenschatz' von Rülzheim, die vielfach so gar kein Verständnis für den historischen Quellenwert archäologischer Funde zeigen (vergl. J. Zerres, „Das nennt sich Fieldwork, ihr Schnarchzapfen“ – Der Rülzheimer „Barbarenschatz“ und die öffentliche Wahrnehmung von Denkmalpflege und Archäologen. Archaeologik [27.2.2014]) und die m.E. auf ein Versagen der archäologischen Öffentlichkeitsarbeit hinweisen, eine kleine zufällige Lesefrucht:
  • F. Fischer, Rezension zu W. Menghin/ D. Planck (Hrsg.), Menschen - Zeiten - Räume. Archäologie in Deutschland. Begleitband zur gleichnamigen Ausstellung 2002 (Stuttgart: Theiss 2002). Zeitschrift für Württembergische Landesgeschichte 63, 2004, 572-573
Schon vor über 10 Jahren hat Franz Fischer, ehemals Ordinarius am Institut für Vor- und Frühgeschichte in Tübingen hier einige auch heute noch (oder erst recht) bemerkenswerte Beobachtungen formuliert:
"Mit gutem Grund hat H. Koschik die öffentliche Akzeptanz als zentrales Problem der archäologischen Denkmalpflege angesprochen. Angesichts der Dominanz wirtschaftlicher Bedürfnisse in Planung und Bebauung liegt das auf der Hand, und deshalb sind existierende Denkmalschutzgesetze (...) nachgebend novelliert worden. Man möchte daher erwarten, daß die gesetzliche Verankerung denkmalpflegerischer Tätigkeit argumentativ oder mit demonstrativen sachlichen Belegen legitimiert wird. Leider ist aber schon von der Aufgabe jeglicher Denkmalpflege, Ausgrabungen Unbefugter, insbesondere Raubgrabungen mittels Metallsonden nach Möglichkeit zu verhindern, ausdrücklich nirgends die Rede. Und doch besteht gerade in dieser Hinsicht Aufklärungsbedarf, weil es oftmals schwerfällt, die Justiz von der Notwendigkeit zu überzeugen, ertappte Täter auch entsprechend zur Rechenschaft zu ziehen. (...) Es genügt jedenfalls nicht, vollständig ausgegrabene Gräberfelder oder die Ergebnisse neuer Prospektionsmethoden nur vorzustellen, ohne deren Bedeutung für unsere Kenntnis der jeweiligen Verhältnisse mittels überzeugender Interpretationen nachzuweisen oder durch Gegenübertellung mit ganz oder teilweise zerstörten Objekten augenfällig zu demonstrieren."

Zahlreiche Vorkommnisse haben inzwischen die Dringlichkeit zur Genüge gezeigt, die Bedrohung des archäologischen Erbes durch Raubgräber ernst zu nehmen und hier eine klare Strategie zu finden, die nicht nur aus Gesetzen besteht. Flyer und Kampagnen gegen Raubgräber winken mit Paragraphen, lassen aber eben die von Fischer eingeforderten Beispiele vermissen, die die Schäden der Öffentlichkeit (und der Justiz) vor Augen führen. 
In jüngerer Zeit stehen für diesen erhobenen Zeigefinger beispielsweise die Videokampagne der Kantonsarchäologie Luzern (http://www.20min.ch/videotv/?vid=341130&cid=1) oder ein Flyer der Denkmalpflege in Baden-Württemberg (Faltblatt Raubgräber. Archaeologik [24.8.2011]).
Gefragt ist ein Dialog mit der Öffentlichkeit - mit dem klaren Ziel, möglichst viele Funde in ihrem Kontext, also im Boden (!) zu bewahren.

2 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

link zum Thema: Empfehlung: Raus aus dem Elfenbeinturm...

http://www.nationalgeographic.de/reportagen/warum-brauchen-wir-archaeologie

LESEFUNDE BLAUBEUREN hat gesagt…

Leider kann ich als "Augensucher" kein schlagendes Beispiel anführen, da Funde auf den Oberflächen schon oft sehr weitgehend aus den Fundzusammenhängen gelöst sind ( stimmt nicht ganz, wie wir wissen). Ich möchte aber trotzdem ein Beispiel hier anführen, denn wenn jemand über die Suchmaschine auf diesen Beitrag stößt, dann sollte die Gelegenheit genutzt werden an dieser Stelle auch näher darauf ein zu gehen. .
Es gibt einen linienbandkeramischen Befund mit einer Serie von Pfeilspitzen, die jeder als Einzelfunde als solche erkennen würde. Darunter befanden sich auch einfache Abschläge ohne jedwede Modifikation. Man muss anhand der Fundlage in situ , im ungestörten Befund von ein und derselben Funktion ausgehen. Sie lagen wohl alle geschäftet in einem Köcher. Auch diese einfachen, spitzen Abschläge waren in diesem Zusammenhang gefunden als Pfeilspitzen an zu sprechen. Wird ein solcher Abschlag auf der Oberfläche gefunden, also isoliert vom Fundzusammenhang, könnte kein Urgeschichtler seriöser weise mehr erkennen als einen Abschlag. Aus diesem Befund wissen wir, dass mit großer Wahrscheinlichkeit die eindeutig modifizierten Spitzen noch nicht die ganze Bandbreite der Pfeilspitzen repräsentiert und wiederum die Jagd eine größere Bedeutung gehabt haben könnte als bis dato an genommen. Die Forschung kann nur so genau und präszise sein, wie der ungestörte oder eben gestörte Befund.