Caričin Grad. Blick von der Akropolis nach Süden über die Ober- und Unterstadt (Foto R. Schreg, 2012) |
Etwa 30 km westlich von Leskovac in Südserbien liegen die seit dem späten 19. Jahrhundert bekannten Ruinen von Caričin Grad. 1912 begannen dort Ausgrabungen, die inzwischen das Bild einer mehrgliedrigen frühbyzantinischen Stadtanlage erbracht haben. Einige Argumente sprechen dafür, in Caričin Grad die von Iustinian gegründete neue Hauptstadt Iustiniana Prima zu sehen, obgleich ein epigraphischer Beleg noch aussteht.
Die Tagung "Early Byzantine City and Society” - Conference dedicated to the centenary of archaeological research in Caričin Grad, 3.-7. Oktober 2012 - Leskovac, Serbien hat nun eine Bilanz der 100jährigen Forschung gezogen, neue Ergebnisse vorgestellt und in den größeren Kontext von Forschungen zu frühbyzantinischen Städten gestellt.
Die Stadt gilt als die letzte Stadtgründung in antiken Traditionen. An die Stelle der klassischen Akropolis mit ihren Tempeln tritt hier die Kathedrale und der angrenzende Bischofssitz. Die Oberstadt ist durch ein Straßenkreuz klassisch gegliedert. Ein Forum fehlt jedoch.
Die Grabungen in Caričin Grad finden seit den 1980er Jahren mit internationaler Beteiligung statt und haben zwischenzeitlich fast 50% der Kernstadt (Unter- und Oberstadt/Akropolis) erfasst. Dabei hat erst 2011 der Einsatz von LiDAR-Scans das Bild der Stadt entscheidend verändert. Erst mit diesem detaillierten Geländemodell ist es gelungen, ältere Beobachtungen aus Luftbildern, früheren geophysikalischen Prospektionen der 1980er Jahre sowie älteren Sondageschnitten in ein neues Gesamtbild einzuordnen. Demnach bestanden um die bekannte Anlage mehrere befestigte Unterstädte und bislang 'extra muros' lokalisierte Gebäude lagen tatsächlich innerhalb der Stadt. Erstmals ist es auch gelungen, den Aquaeduct der Stadt auf 20 km im Gelände zu verfolgen und mehrere Befestigungsanlagen im Umfeld zu lokalisieren.
Mehrere Beiträge setzen sich mit Fundauswertungen - Keramik, Glas und Siegel - aus Caričin Grad auseinander. Die Analyse der Gebrauchskeramik konnte deutliche Unterschiede in den beiden Arealen der Kernstadt herausarbeiten, etwa eine unterschiedliche Bedeutung von Linsen- und Standböden an der Drehscheibenware. Das Keramikspektrum zeigt einige Traditionen, die wohl aus dem Süden oder aus Italien stammen. Interessant ist auch das Auftreten handgemachter Keramik, das möglicherweise früh in Form von Imitationen der Scheibenware in der Unterstadt auftritt. In der Oberstadt ist die handgemachte Keramik mit einfacheren Baustrukturen zu verknüpfen, die eine späte Besiedlungsphase darstellen. Es handelt sich hier um gröbere Keramik und ein einfacheres Formenspektrum.
Glasanalysen zeigen deutliche römische Traditionen lokaler Glasproduktion, die hier bis ins 6. Jahrhundert reichten, während anderswo in der frühbyzantinischen Welt andere Rezepte dominierten.
Aus den vielen weiteren Vorträgen sei hier nur ein einzelner Aspekt heraus gegriffen: In mehreren der Beiträge, die sich mit zeitgleichen Siedlungslandschaften beschäftigten, zeigte sich eine zunehmende staatliche Kontrolle und ein zunehmendes Sicherheitsbedürfnis während des 6. Jahrhunderts. Ohne dass dies die Daten bisher hergeben, lässt sich vermuten, dass sich die agrarischen Wirtschaftsflächen stärker auf das Umfeld der befestigten Siedlungen konzentrierten, während zugleich die Viehwirtschaft an Bedeutung gewann. Meines Erachtens entwickelt sich hier ein spezielles Agrarökosystem, das ein maximales System in einer Art infield mit einem offenen System in einem outfield kombiniert.
Tagungsprogramm
4. Oktober
5 October
Die Stadt gilt als die letzte Stadtgründung in antiken Traditionen. An die Stelle der klassischen Akropolis mit ihren Tempeln tritt hier die Kathedrale und der angrenzende Bischofssitz. Die Oberstadt ist durch ein Straßenkreuz klassisch gegliedert. Ein Forum fehlt jedoch.
3D-Animation eines Kapitells der Hauptstraße der
Oberstadt
(R. Schreg, 2012 [kleiner Test])
Oberstadt
(R. Schreg, 2012 [kleiner Test])
Die Grabungen in Caričin Grad finden seit den 1980er Jahren mit internationaler Beteiligung statt und haben zwischenzeitlich fast 50% der Kernstadt (Unter- und Oberstadt/Akropolis) erfasst. Dabei hat erst 2011 der Einsatz von LiDAR-Scans das Bild der Stadt entscheidend verändert. Erst mit diesem detaillierten Geländemodell ist es gelungen, ältere Beobachtungen aus Luftbildern, früheren geophysikalischen Prospektionen der 1980er Jahre sowie älteren Sondageschnitten in ein neues Gesamtbild einzuordnen. Demnach bestanden um die bekannte Anlage mehrere befestigte Unterstädte und bislang 'extra muros' lokalisierte Gebäude lagen tatsächlich innerhalb der Stadt. Erstmals ist es auch gelungen, den Aquaeduct der Stadt auf 20 km im Gelände zu verfolgen und mehrere Befestigungsanlagen im Umfeld zu lokalisieren.
Mehrere Beiträge setzen sich mit Fundauswertungen - Keramik, Glas und Siegel - aus Caričin Grad auseinander. Die Analyse der Gebrauchskeramik konnte deutliche Unterschiede in den beiden Arealen der Kernstadt herausarbeiten, etwa eine unterschiedliche Bedeutung von Linsen- und Standböden an der Drehscheibenware. Das Keramikspektrum zeigt einige Traditionen, die wohl aus dem Süden oder aus Italien stammen. Interessant ist auch das Auftreten handgemachter Keramik, das möglicherweise früh in Form von Imitationen der Scheibenware in der Unterstadt auftritt. In der Oberstadt ist die handgemachte Keramik mit einfacheren Baustrukturen zu verknüpfen, die eine späte Besiedlungsphase darstellen. Es handelt sich hier um gröbere Keramik und ein einfacheres Formenspektrum.
Glasanalysen zeigen deutliche römische Traditionen lokaler Glasproduktion, die hier bis ins 6. Jahrhundert reichten, während anderswo in der frühbyzantinischen Welt andere Rezepte dominierten.
Tagungsprogramm
4. Oktober
Chairman: Jean-Michel Spieser
Sonja Stamenković, The Centenary of excavation in Caričin Grad
Vujadin Ivanišević and Ivan Bugarski, New topography of Caričin Grad (Justiniana Prima)
Bernard Bavant, Caričin Grad, Chorikios de Gaza et les salles d’audience de l’évêque
Chairman: Enrico Zanini
Jean-Pierre Caillet, De la ville romaine à la ville byzantine : l'évolution de quelques sites d'Afrique du Nord aux VIe-VIIe siècles
Jorge Lopez Quiroga, The Late Antiquity city in Hispania (5th-7th centuries)
Orsolya Heinrich-Tamaska, The Pannonian inner fortifications and the Late Antique towns of the Balkan Region - some remarks
Chairman: Jean-Pierre Sodini
Felix Teichner, Latest results of archaeological research in Iustiniana Secunda (Gračanica)
Olga Karagiorgou, Cities amid crisis and their fate: The example of the Thessalian Dodecapolis in the Synekdemos
Enrico Zanini, Caričin Grad and Gortyn (Crete): the fate of ancient city as seen from a Mediterranean perspective
Chairman: Jörg Drauschke
Nikos Tsivikis, Observations on the Early Byzantine city of Amorium (4th-7th centuries)
Slavko Ciglenečki, Some remarks on the role of ecclesiastical authorities in Late Antique transformed towns and more important settlements
Marzin Woloszyn, Peacefully playing the lyre between the Balkans and the Western Ocean. Theophylact Simocatta (Historiae VI.2) versus evidence from archaeology, numismatics and comparative literature
5 October
Chairman: Carolyn Snively
Vesna Bikić, The Ceramics of Caričin Grad in the light of finds in Early Byzantine Illyricum
Susanne Greiff and Jörg Drauschke, Patterns of raw glass production and trade reflected in compositional ranges of glassware between the 5th and 7th centuries
Jörg Drauschke and Susanne Greiff, Chemical glass compositions from Caričin Grad – Byzantine or not Byzantine?
Ljubomir Maksimović and Vujadin Ivanišević, New seal finds at Caričin Grad
Chairman: Bernard Bavant
Jean-Pierre Sodini and Irina Achim, Les églises d’Illyricum : leurs particularités architecturales liées à la liturgie
Catherine Vanderheyde et Walter Prochaska, À propos de sculptures architecturales protobyzantines trouvées à Béroé (Stara Zagora): présentation et étude de la provenance de leurs marbres
Mihailo Milinković, Ein Beitrag zur Kenntnis der wirtschaftlichen Grundlage und der beruflichen Tätigkeiten im frühbyzantinischen Nordillyricum
Chairman: Mihailo Milinković
Vida Tivadar, Byzantine metall vessels in the 5-7th century at the Balkan and Pannonia
Carolyn Snively, Local industry and trade connections at Golemo Gradište, Konjuh
Christian Miks, Analysen zur Herkunftsbestimmung spätantik-frühmittelalterlicher Segmenthelme
Chairman: Slavko Ciglenečki
Perica Špehar, Tool hoards from Late Antiquity in North Illyricum
Ádám Bollók, After Caričin Grad. Byzantine material culture of the late 7th and 8th centuries on the Balkans
6. Oktober
Fahrt nach Caričin Grad
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