Mittwoch, 19. Oktober 2011

Angst und Verzweiflung - ein Brief aus Ungarn

Ein Kollege aus Ungarn schreibt mir heute über seine Sicht der Lage (siehe Neues Gesetz gefährdet archäologische Notgrabungen in Ungarn). Mit seiner Einwilligung poste ich diese Einschätzung hier (etwas gekürzt):



Lieber Rainer!

Also die Lage ist verwirrt und ändert sich Tag für Tag immer in einer schlechten Richtung, und ich weiss wirklich nicht was es am besten zu tun wäre. Es wäre sehr gut - meiner Meinung nach - wenn Du die Stellungsnahme des Ungarischen Verbandes der Archäologen unterschreiben könntest. (Sein Text ist - so weit ich das sehen kann - gut und ist mit einem Vokabular geschrieben, dass die Fidesz-Regierung versteht.) Dein Unterschrift ist auch deswegen wichtig, weil mehrere ungarischen Archäologen Angst haben, diese Stellungsnahme unterzuschreiben. Östlich der Elbe sind diese Ängste gut bekannt. Museen sind unter der Verwaltung der Komitate oder der Städte. Die beiden Selbstverwaltungen sind voll mit Fidesz-Leute, die sich rächen können. Also die Ängste sind gut bekannt. Was für mich kaum zu verstehen ist, dass diese jetztige Schweinerei durch diejenigen Leute gemacht wird, die bis gestern durch dieselbe Politik getroffen waren. Das ist für mich nicht zu fassen. Also es wäre gut wenn Du diesen Dokument unterstützen könntest.

Das ist aber offensichtlich nicht genug! Heute erschien die neue Fassung des Gesetzvorschlages (http://www.parlament.hu/irom39/03486/03486-0015.pdf), dass nichts in einer guten Richtung ändert. Der zeitliche Limit von zweimal 30 Tagen ist wiederum darin, ohne Rücksicht auf der Grösse der durch Baumassnahmen erfassten Oberfläche, was natürlich die Rettungsgrabungen im kurzen hinrichten wird. Besonders die Siedlungsarchäologie ist schwer betroffen, weil die Siedlungsgrabungen am längsten dauern. Was zu tun? Wer kann diese Leute, diesen Bann der raschen und rücksichtslosen Gesetzgebung stoppen? Kaum jemand. Trotzdem wäre es gut je mehr desto besser Stellungsnahmen aus Ausland zu haben. Sie werden diese Lage nicht ändern können, aber es ist bloss für unsere geistige Gesundheit gut, das wir wissen, dass es schon etwas gemacht wurde.

Die Einzige Sache die vielleicht etwas in guter Richtung ändern kann, liegt in der Tatsache, dass es hinter diesem Gesetzvorschlag offensichtlich die grossen Baufirmen stehen, die in Ungarn eigentlich alle Branchen der grossen westlichen Baufirmen sind. Die andere grosse Firma die in der Umgebung von Raab/Györ in der Mitte eines Naturschutzgebietes(!) ihre Fabrik baut, ist der Opel-Konzern. Die Frage ist, ob die Verwaltungen dieser Firmen wissen, was für Schweinereien in ihrer Namen, durch die lokalen Führungen dieser Firmen gemacht werden? Und ferner was darüber ein Staatsbürger/Wähler in Deutschland weisst? Was meint darüber die deutsche und auch die österreichische Regierung? Vielleicht bin ich auch in diesem Hinsicht ein bischen zu naiv?


Dein

Freund aus Ungarn

Ich gebe hier nochmals den Link auf die angesprochene Unterschriftensammlung des Ungarischen Archäologenverbandes: Archäologen-Protest gegen Ungarische Gesetzgebung

Und eine kleine Korrektur ist anzumerken: Das Automobilwerk im Naturschutzgebiet wird von AUDI gebaut (siehe Automobilwoche).

Keine Kommentare: