Sonntag, 23. November 2025

Praktika im Archäologie-Studium

Die DGUF führt aktuell eine anonyme Umfrage zu Praktika im Archäologie-Studium durch. Sie möchte die studentischen Erfahrungen ausloten. Wer sind die typischen Praktikums-Anbieter? Wo liegen die Stärken, wo liegen die Schwächen der bestehenden Angebote? 

Die Umfrage richtet sich an Studierende archäologischer Fächer im BA-, MA-, MSc- oder Diplom-Studium; angesprochen sind auch Absolventìnnen, deren Abschluss erst max. 2 Jahre zurück liegt. 

 

 

Kartenset der DGUF zur Umfrage (Daniela Heller, Comic und Illustration)

Da vom Studium der Archäologie aktuell verschiedentlich eine stärkere Praxisorientierung eingefordert wird, kommt Praktika eine steigende Bedeutung zu, zumal spezialisierte Ausbildungs- und Studiengänge aktuell von Sparmaßnahmen betroffen sind. Da "Archäologe/Archäologin" kein kohärentes Berufsfeld darstellt, sondern Wissenschaftler*innen bezeichnet, die aber in unterschiedlichen Berufsfeldern, wie der Denkmalpflege, der kommerziellen Archäologie, der Museen und Wissenschaftskommunikation und schließlich auch der Forschung tätig sind, können die klassischen Archäologie-Studiengänge die eingeforderte Praxis am ehesten über Praktika ins Studium einbinden. Wurden sie früher zusätzlich zum Studium abgeleistet, so werden sie heute in das ects-Punktesystem eingebunden und nehmen der wissenschaftlichen Ausbildung auch Kapazitäten weg. Diese muss aber das Rückgrat jeder Tätigkeit in der Archäologie sein, denn ansonsten sind gesellschaftliche Ausgaben und ist der ganze Betrieb der Denkmalpflege kaum zu rechtfertigen.

Eine Bestandsaufnahme der Praktika bezüglich der Anbieter, Inhalte und Tätigkeitsfelder , wie sei die DGUF vor hat, ist wichtig, um mit den aktuellen Entwicklungen umgehen zu können und eine fundierte wissenschaftliche und berufspraktische Ausbildung in Zukunft sicher stellen zu können, ist daher wichtig.

Es steht zu wünschen, dass die Umfrage möglichst viele Studierende erreicht und möglichst viele auch mitmachen. Darum folge ich mit diesem Post auch gerne dem Wunsch der DGUF, die Umfrage auf Archaeologik aufzugreifen. 

 

Interner Link

 

Dienstag, 11. November 2025

Boykott von Kollegen? Der neue TEA der EAA

The European Archaeologist 86, Autumn Issue 2025 - Newsletter und Zeitschrift der European Association of Archaeologists ist erschienen.

Darin als Special Section:
Der Beitrag wurde aufgrund zweier Archaeologik-Posts (4.8.2025 und 10.7.2025) angefragt.
Dabei geht es um zweierlei, nämlich einerseits New Chersonesos, Putin's Geschichtsillusion, aber andererseits auch um den Umgang mit den Kollegen, die auf der Krim nun unter russischer, wie vor 2014 unter ukrainischer Ägide gearbeitet haben.

Ansonsten sei im TEA 86 auf das Protokoll des EAA-Meetings hingewiesen. Die European Association of Archaeologists geht durch interessante bzw. schwierige Zeiten. Im Kern geht es um den Israel-Palästina-Krieg und die Frage, wie mit israelischen Kolleg*innen umzugehen ist. Dürfen/sollen sie ausgeschlossen werden? In Belgrad schlingerte die EAA durch Aktivistendruck und so dokumentiert das Protokoll den Konflikt mit gegensätzlichen Positionen.

Eine ähnliche Problematik - die Frage des Umgangs mit den Kollegen aus Südafrika angesichts der dortigen Apartheidspolitik - war 1986 der Anlass, dass sich der World Archaeological Congress von der Union internationale des Sciences préhistoriques et protohistoriques abgespaltet hat. 
 
Die EAA ist ein Verband von Archäolog*innen, also von individuellen Menschen und nicht von staatlichen Archäologieinstitutionen. Mitglieder sind also nicht für die Handlungen ihrer Regierungen verantwortlich zu machen auch dann nicht, wenn es sich um Demokratien handelt. Anders ist es vielleicht dann, wenn es sich um Regierungsinstitutionen handelt oder wenn offensichtlich Propaganda betrieben wird.

Auch im Falle von Russland (der Angreifer) scheint es nicht sinnvoll, pauschal alle Kollegen aus den fachlichen Kontakten auszuschließen, sondern es ist im Einzelfall zu betrachten, wer in erheblichem Maß und freiwillig Verbrechen unterstützt.

Im Falle Israels (zunächst der Angegriffene) wäre zu fragen, ob Kolleg*innen fachliche Inhalte in eine Kriegsrhetorik einbauen und damit Propaganda machen, was auf alle Fälle mehr wäre als Verteidigung - und auch keine Wissenschaft mehr.

Solch ein Verdacht wurde in Bezug auf die israelische Archäologie bereits vorgebracht, Geklärt und diskutiert werden kann das aber nur mit israelischen - und arabischen - Kollegen.

Meine Feststellung im TEA
„Ein genereller Boykott oder eine Negierung ihrer Fachpublikationen dürfte unseren Zielen kaum dienlich sein, da die meisten Archäologen der Meinung sind, dass das kulturelle Erbe immense Möglichkeiten für die internationale Verständigung bietet - auch wenn derzeit nationalistische Geschichtsdarstellungen an Boden gewinnen. Eine starre Haltung schränkt zudem künftige Möglichkeiten ein, archäologische Kulturarbeit in Friedensprozesse zu integrieren.“
gilt genau so für Israel.

Link 





Sonntag, 9. November 2025

Palmyra nach dem Krieg

Vom 29. bis 30. Oktober 2025 fand in Lausanne in der Schweiz die zweite Internationale Palmyra-Konferenz statt. Die Veranstaltung wird von der Universität Lausanne, der UNESCO sowie der ALIPH (International Alliance for the Protection of Heritage in Conflict Areas) gefördert und gemeinsam mit der syrischen Altertumsbehörde DGAM veranstaltet. 

Programm: 

Berichte: 

Die Konferenz baute auf den Erkenntnissen der ersten Konferenz von Lausanne auf, die bereits im Dezember 2019 eine Bestandsaufnahme der internationalen Projekte in Palmyra vorgenommen hat, drei Jahre nachdem Daesh/IS aus der Stadt vertrieben worden war. 

Die Entwicklungen in Syrien nach dem Sturz des Assad-Regimes und einer teilweisen Lockerung der internationale Sanktionen eröffnen sich neue Möglichkeiten zur Zusammenarbeit bei der Erhaltung und Sicherung des gefährdeten Welterbe. Ziel der Konferenz war es, Mitglieder der syrischen Gemeinschaft, Akademiker, Experten, ehemalige Ausgräber sowie Vertreter internationaler Institutionen zusammenzubringen. Der verstärkte Austausch soll die Planung koordinierter Maßnahmen voranbringen, um Palmyra von der Gefährdeten-Liste der UNESCO zu entfernen. 

In einer Bestandsaufnahme wurden folgende Fragen behandelt:

  • Was ist der aktuelle Stand und die Zugänglichkeit von Archivmaterialien, die sich auf Palmyra beziehen? 
  • Wie können Archive besser genutzt werden, um laufende Forschungs- und Erhaltungsbemühungen zu unterstützen? 
  • Welche aktuellen Lücken bestehen in den verfügbaren Archiven und Publikationen? Was sind die besten Praktiken für die Veröffentlichung und Verbreitung von Forschungsergebnissen über Palmyra? 

Um die Transparenz und Kommunikation zu fördern wurde die Idee eine jährlichen Berichtes zur Diskussion gestellt, der kurze Berichte und ausführliche Artikel enthalten soll, um die laufenden Fortschritte in der Archivarbeit und der Publikationen zu Grabungen zu dokumentieren. Einen besonderen Stellenwert soll einer digitale Karten Palmyras zukommen. Einen Ansatz dazu hat das DAI auf seinem Geoserver stehen: 

Aus Anlaß der Tagung publizierte die UNESCO eine vergleichsweise primitive Webkarte, die jedoch Publikationen zu einzelnen Punkten in der Stadt zitiert und ggf. auch verlinkt:

  

Literatur

  • C. Schranz, The Digital Memory of Palmyra –. In: dies. (Hrsg.), Shifts in Mapping (Bielefeld 2021) 125–156. 

weitere Links:

interne Links



Freitag, 7. November 2025

Nürnberg global leider ohne Neuzeitarchäologie

Aktuell (bis 22.3.2026) ist im Germanischen Nationalmuseum in Nürnberg eine sehr schöne Ausstellung zu sehen, die das Phänomen der Globalisierung aus Sicht einer der größten deutschen Reichsstädte schildert - und zeigt, dass Globalisierungstendenzen kein neues Phänomen sind. Das GNM kann dazu auf seine umfangreichen Sammlungsbestände zurück greifen. Zu sehen gibt es frühe Globen und Karten, Nürnberger Exportschlager wie Waffen und Kunstprodukte, bemerkenswerte Importe wie Emailarbeiten, Porzellan und Majolica, aber auch exotische Objekte wie Straußenei- und Kokosnusspokale oder ein Barrett aus Straußenfedern. 

Nürnberg GLOBAL Buch und Flyer

 B. Baumbauer/M.-T. Feist/S. Jakstat (Hrsg.)

Nürnberg GLOBAL. 1300-1600

ART-Books

(Berlin: Deutscher Kunstverlag 2025).


ISBN 9783985013821

408 S., 280 Abb., Broschur, 27 x 22 cm


und im Open Access: https://doi.org/10.11588/arthistoricum.1668

Zur Ausstellung ist auch ein Katalog erschienen (Baumbauer u.a. 2025), der die Objekte doppelseitig mit guten Fotos abbildet. Zusätzlich sind einige wissenschaftliche Essays enthalten, die Nürnbergs Globalisierung ausführlich darstellen. 

Der Blick der Ausstellung geht nach Süden über die Alpen nach Venedig, ins  Heilige Land, ins Osmanische Reich, nach Spanien und weiter in die Neue Welt und bis Indien. 

Die Ausstellungsobjekte stammen mehrheitlich aus dem bürgerlichen oder adligen Milieu der Reichsstadt. Leider fehlt die archäologische Perspektive, die diese überwiegend kunsthistorische Perspektive gerade in Nürnberg zu ergänzen vermag.

Nürnberg zählt in Bayern zu jenen Stäten, in denen sich schon früh, nicht zuletzt durch das GNM, eine Mittelalter- und Stadtarchäologie etablieren konnte. Damit ist es einerseits möglich, in Nürnberg das Ausmaß der Importe genauer zu bestimmen. Das scheint - wenn nicht der gute Forschungsstand uns da etwas vorpsiegelt - in Nürnberg weit überdurchschnittlich. In einer Bamberger Dissertation wurden 2019 die Fayencen des 16. bis 19. Jahrhunderts aus dem Nürnberger Stadtgebiet bearbeitet, nicht zuletzt  anhand von Funden, die im GNM aufbewahrt werden (Koppelmann 2019). Die Importe wurden vorab publiziert (Koppelmann 2017). Italienische Importe liegen vor allem aus dem Komplex „Lorenzer Platz 19“ vor, bleiben insgesamt aber Einzelstücke. Deutlich wird jedoch, wie die Anregungen aufgegriffen wurden und schließlich zur lokalen produktion von Fayence führten. Leider fehlt dieser archäologische Blick in der Ausstellung.

Ebenfalls werden die "Nürnberger Waren" -  Nadeln, Drähte, Stufte, Beschläge, Schüsseln, Kannen, Becher, Leuchter, aus Buntmetall - nur am Rande erwähnt. Dabei gibt es auch hier wichtige Einblicke in die globalen Vernetzungen Nürnbergs (Cassitti 2021). Schriftliche Quellen belegen, dass diese „Nürnberger Waren“ auch in Afrika südlich der Sahara gefragt waren. Ein Schiffswrack aus der Adria, die 1583 vor Gnadić gesunkene Gagliana grossa hatte Nürnberger Waren an Bord. Zu Ihrer Ladung zählen zahlreiche Buntmetallobjekte wie Leuchter, Fingerhüte, Schellen, Stecknadeln, Buchschließen, Dochtscheren, Messingdrähte, -bleche und -barren. Die geborgenen Messingbarren wiegen zusammen etwa 80 kg, die Zinnbarren hingegen 1000 kg – dabei ist zu beachten, dass das Wrack vor den archäologischen Grabungen von Raubgräbern heimgesucht wurde. Laut schriftlichen Quellen waren solche „Nürnberger Waren“ auch in Afrika südlich der Sahara gefragt. 

Das sind nur zwei Beispiele, die zeigen, dass es archäologische Quellen erlaubt hätten, hier noch vieles deutlicher  herauszuarbeiten.

Kurzurteil: Trotzdem sehenswert. 

 

Literaturhinweise 

  • Baumbauer u.a. 2025: B. Baumbauer/M.-T. Feist/S. Jakstat (Hrsg.), Nürnberg GLOBAL. 1300-1600. ART-Books (Berlin, Heidelberg 2025)  https://doi.org/10.11588/arthistoricum.1668
  • Cassitti 2021: P. Cassitti, Nürnberger Waren. Herstellung, Handel und Konsum europäischer Buntmetallprodukte in Mittelalter und früher Neuzeit. Zeitschrift für Archäologie des Mittelalters Beiheft 27 (Bonn 2021).
  • Koppelmann 2017: S. Koppelmann, Imitation und Inspiration. Ausgewählte Fayencen aus dem Nürnberger Stadtgebiet und die Frage ihrer Provenienz. Mitt. Dt. Ges. Arch. Mittelalter u. Neuzeit 30, 2017, 229–242 https://doi.org/10.11588/dgamn.2017.0.40269
  • Koppelmann 2018: S. Koppelmann, Fayencen des 16. bis 19. Jahrhunderts aus dem Nürnberger Stadtgebiet als Untersuchungsgegenstand der Archäologie (Diss. Bamberg 2019) https://fis.uni-bamberg.de/handle/uniba/46667.

Link

Der Blogpost ist parallel auf AMANZnotozblog erschienen: https://amanzblog.hypotheses.org/1355